Freunde des 2 CVEnten-Treffen mit Entenkeulen in Ente

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Der Rost ist echt und wird liebevoll konserviert – die Ente des Studenten Tim vor der Bauernschänke.

Der Rost ist echt und wird liebevoll konserviert – die Ente des Studenten Tim vor der Bauernschänke.

Wipperfürth – Bei diesem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür. Geschweige denn eine Ente. Es ist Freitagabend, das Wasser läuft in Sturzbächen über den Asphalt. Beim Verlassen der A 4 schüttet es wie aus Kübeln, der Scheibenwischer kommt kaum hinterher, die Landstraße durch das Oberbergische windet sich Richtung Wipperfürth und man muss schon verdammt viel Enten-husiasmus mitbringen, um sich auf schmalen Reifen zum Treffen der Freunde des 2 CV in die Bauernschänke von Wipperfürth-Ente zu bewegen.

Enten in Ente. Es ist der dritte Jahrestag des von Entenfreund und Krimiautor Reiner M. Sowa gegründeten Treffens. Draußen vor der Bauernschänke pfeift der Wind. Zwei einsame Enten trotzen in ihren dünnen Blechmänteln dem Regen. Die eine sieht derart verrostet aus, das man ihr am liebsten sofort eine Foliengarage umhängen möchte. Aus lauter Mitleid. Drinnen im Saal ist das Geschnatter groß, der Wirt serviert Entenbrust und Entenkeule. 25 Entenfreunde haben es heute geschafft, die meisten ihre Lieblinge aber zu Hause gelassen, weil es wirklich kein Vergnügen ist, bei einem solchen Wetter hinter einem Vierzigtonner über die Autobahn zu schwimmen.

Doch wer gedacht hat, es handele sich um ein Oldtimertreffen, bei dem es den ganzen Abend um Ersatzteilbeschaffung, die Wahl des besten Schmierstoffes und andere technischen Raffinessen geht, mit denen sich Autoliebhaber normalerweise beschäftigen, sieht sich getäuscht. Die Ente, deren letztes Exemplar 1989 produziert wurde, ist kein klassischer Oldtimer. Sie ist Lebensart, Ausdruck von Entschleunigung und Unabhängigkeit. „Entenfahrer nehmen das Leben gelassen“, sagt Reiner M. Sowa. „Sie verfallen nie in Hektik und finden sich einfach gegenseitig einfach gut. Das Alter spielt überhaupt keine Rolle. Hier wird über alles gesprochen, nicht bloß über Autos. Das macht den Charme aus.“ Er selbst habe das auch erst lernen müssen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der Autor auf die Ente kam.

Der Kriminalhauptkommissar aus Bergisch Gladbach ist durch einen Zufall auf die Ente gekommen. „Ich wollte einen Roman über die Sammelleidenschaft schreiben und darüber, was passiert, wenn aus der Leidenschaft ein Wahn wird.“ Auf der Suche nach einem passenden Sammelobjekt habe er in Frankreich einen 2 CV am Straßenrand gesehen. „Der war zu verkaufen und ich bin mit dem Besitzer, einem selbstständigen Unternehmer, ins Gespräch gekommen. So bin ich in die Entenszene gekommen. Die Vogelgrippe ist einfach auf mich übergesprungen. Ich habe dann noch zwei weitere gekauft.“ Der daraus entstandene Krimi „Ein Bestatter und das Enten-Testament“ hat also durchaus etwas Autobiografisches – und das ist wörtlich zu nehmen.

Das Wesen des Entenfahrers

Doch zurück zur Lebensart. Zitieren wir Karl-Fritz Lichtenberg und Felix Lissen, die ein Psychogramm der Entenfreunde erstellt haben und schauen uns danach in der Bauernschänke um. „Der Entenfahrer legt auf sein Äußeres nicht so viel Wert wie das der Durchschnitt der Autofahrer tut. Er kennt seine Defizite und Schwächen und steht dazu; ist ehrlich und täuscht nichts vor. Seine Anerkennung gewinnt er in seinem sozialen Umfeld durch andere Dinge als materielle Güter. Er ist unabhängig von den Werten und Vorstellungen der anderen und möchte sich ungern Vorschriften machen lassen.“ So weit Lichtenberg und Lissen.

Der Rost wird gepflegt

Da ist was dran. Die Rost-Ente vor der Tür ist 60 Jahre alt und gehört Tim (25), einem Architekturstudenten, der aber keine Lust auf Öffentlichkeit geschweige denn auf Fotos verspürt. „Die sieht nur verrostet aus, ist es in Wahrheit aber gar nicht“, verrät Reiner M. Sowa. „Der Rost wird gehegt und gepflegt und ist sogar mit einer Spezialschicht so geschützt, damit diese Patina möglichst erhalten bleiben.“ Ein Student, der den Rost seiner Studente liebevoll konserviert. Und anonym bleiben will. Wie war das noch mit den Werten und dem Drang, sich keine Vorschriften machen zu lassen?

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, welche Ausmaße eine Enten-Leidenschaft annehmen kann.

Kommen wir zu Herbert Schmal, einem 61-jährigen Architekten aus Hagen. Den ganzen Tag hat er in der Küche verbracht und Weihnachtsplätzchen in Entenform gebacken, sie mit Zuckerguss überzogen, in durchsichtige Tütchen verpackt, mit Geschenkband verschlossen, um sie in der Bauernschänke an seine Freunde zu verschenken. Den 2 CV und den Ami 6. Das muss man erst mal hinkriegen – ohne eine Plätzchenform. Jeder darf mal zugreifen.

Jedes Jahr eine neue Ente

Aus Schmals Leben ist die Ente nicht wegzudenken. Seine erste hat er 1972 gekauft und seither sind 22 dazugekommen. Man müsse nur jedes Jahr eine kaufen, „dann geht das ganz schnell“. Was wäre das für ein Jahrestreffen im Dezember 2016. Mit 24 Enten aus dem Hause Schmal vor der Bauernschänke. Ein rollender Adventenkalender aus Blech. Nicht alle seien fahrbereit, sagt er. „Die meisten haben ein schönes Rentner-Dasein in meiner Halle und fühlen sich da ganz wohl. Wenn ich nicht da bin, flüstern sie sich etwas zu.“ Irgendwie sieht der Architekt mit den langen grauen Haaren glücklich aus, als er das sagt. Ente fahren sei eine Lebensart. „Man muss ganz schön bockig sein. Nostalgisches ist leider nicht immer gesellschaftsfähig.“ Schmal ist fasziniert von der „Trivialtechnik“ des 2 CV. „Es ist doch einfach genial, dass ein Direktor von Citroën sich in den mageren Jahren überlegt hat, wie man ein überdachtes Fortbewegungsmittel mit derart einfacher Technik konstruieren kann.

Eine Liebeserklärung an die Ente finden Sie auf der nächsten Seite.

Da sind wir also doch beim Thema. So ganz ohne Gespräche über technische Details kommt man am dritten Jahrestag der Enten in Ente doch nicht aus. Im Sommer spielt sich vieles draußen auf dem Parkplatz vor der Kneipe ab – auf einem kleinen Teilemarkt. An einem regnerischen Winterabend werden die Expertentipps lieber drinnen ausgetauscht. Für Christoph Konkulewski (58) gehört das in jedem Fall dazu. Seine Ente ist ein klassischer Zweitwagen, ein Alltagsauto eben. Das Geflügel ist noch relativ frisch, Baujahr 1989, der letzte Jahrgang. Was seinen Besitzer so fasziniert, ist, „dass man das Auto im Grunde am Straßenrand komplett auseinandernehmen und wieder zusammenbauen kann“.

Allein über die Reifen könne man stundenlang diskutieren. Weil die Originale von Michelin sehr teuer sind, seien einige Entenfreunde auf die Idee gekommen, die Vorderreifen des Smart für den 2 CV zu nutzen. „Viele sind zufrieden, aber es gibt auch Leute, die davor warnen, weil die Achsschenkel schneller kaputt gehen. Die schwören auf Schmalreifen aus China. Das ist schon sehr skurril.“

Das kann man unwidersprochen so stehen lassen. Zumal Konkulewski ähnlich wie Krimiautor Sowa auf abstruse Weise zum Entenfreund geworden ist. Mit 18 Jahren habe er in einer Zeitschrift namens „Hobby“, einen Beitrag mit der Überschrift „Sanft wiegend über Ackerfurchen“ gelesen. Der Autor muss eine derart emphatische Liebeserklärung an die Ente abgeliefert haben, dass sie Konkulewski nicht vergessen und irgendwann nicht mehr widerstehen konnte. 32 Jahre später, als er 50 wurde. Die Ente sei für ihn „auch eine Frage der Entschleunigung. Das Auto ist langsam, man fährt viel bewusster mit 90 auf der Autobahn hinter einem Lastwagen her“.

„Wir enten in die Eifel“

Es regnet immer noch. Die letzten Entenfreunde verlassen das Lokal gegen 23 Uhr. Auf der Ablage am Ausgang liegt die Einladung zum 7. Internationalen Deutschlandtreffen, das vom 27. bis 31. Juli in Kommern stattfinden wird. „Kein Zweifel. Wir enten in die Eifel.“ Mit Schmals Weihnachtsplätzchen in der Tasche macht sich der Rest des Grüppchens auf den Heimweg. Ente gut, alles gut.

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