Tierhilfe in PropachHier bekommen sogar Hühner einen Pulli

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Propach – Ein Hund, der Krebs hat, ein anderer, der trotz seiner Größe auf einem Balkon gehalten wurde, Schweine, die als kleine Ferkel fahrenden Händlern abgenommen wurden, und Bonnie, die Ziege, die auf einer Deponie ausgesetzt wurde. Das sind nur einige der Schicksale der etwa 45 Tiere, die Sabine Funk und Ralf Zimme rund um die rote Scheune auf ihrem kleinen Hof in Walbröl-Propach untergebracht haben.

Tieren ein Zuhause geben

„Normale Tiere kann jeder“, sagt Funk schmunzelnd. Bevor sie und ihr Mann vor zwei Jahren von Bonn nach Propach gezogen sind, hatten beide nur eine „ganz normale“ Katze. „Wir hätten schon damals gerne mehr Tiere gehabt, aber das ging nicht“, erzählt die 46-Jährige. Mit dem Umzug änderte sich das: „Hier haben wir Platz, und den wollten wir nutzen, um Tieren ein Zuhause zu geben, die keiner mehr will.“

Und dazu gehören auch jene 25 Hühner, die der Verein „Rettet das Huhn“ dort untergebracht hat: Tiere, die nach etwa einem Jahr in den Käfigen der sogenannten „Bodenhaltung“ zum Schlachthof gebracht würden, weil ihre „Legeleistung“ nachlasse. 2015 meldete sich das Ehepaar beim Verein an – und bekam bald danach die ersten Tiere. Das Problem: Die Hühner, die am Anfang kaum noch Gefieder haben, sind aus ihrer Haltung in den Käfigen eine Temperatur von permanent 23 Grad Celsius gewohnt. Deshalb werden sie mit Wärmelampen bestrahlt – und tragen ganz spezielle Pullover: „Sonst wäre der Temperaturunterschied einfach zu groß – gerade im Winter“, erklärt Funk.

Hilfe mit Grenzen 

Auch wenn die Hühner anfangs noch spezielles Futter bekämen, seien sehr schnell die Instinkte der Tiere sichtbar. „So beginnen sie sofort zu scharren, obwohl sie das nie vorher gemacht haben. Oder in der Sonne zu baden: Sie legen sich auf die Seite und strecken ihr Gefieder von sich“, erzählt Funk. Den ersten Tieren, die 2015 zur roten Scheune nach Propach kamen, sehe man die Zeit in der Haltung schon gar nicht mehr an.

Auch in Zukunft will das Paar besondere Härtefälle aufnehmen. Doch hat die Hilfe auch Grenzen. „Wir mussten auch schon Nein sagen – zum Beispiel nach Sankt Martin, als wir aufgefordert wurden, ganz viele Gänse zu retten.“ Funk und Zimme haben sich vorgenommen, nur so viele Tiere aufzunehmen, wie sie selbst betreuen können – auch finanziell: „Natürlich freuen wir uns darüber, wenn mal jemand mit einem Sack Möhren oder einer Lage Katzenfutter vorbeikommt. Davon abhängig sein wollen wir aber nicht.“

Helfen wollen sie trotzdem: Mit Freunden aus Bonn haben sie inzwischen einen Verein mit dem Namen „Rote Scheune“ gegründet. Darüber wollen sie weitere Pflegestellen für Tiernotfälle koordinieren. „Und auch sonst haben wir schon ein gutes Netzwerk aufgebaut.“

www.facebook.com/rotescheune

Rettet das Huhn!

Im Jahr 2007 hat Katja Tiepelmann aus dem Hochsauerlandkreis die Initiative „Rettet das Huhn“ gegründet, seit 2015 ist die Initiative ein gemeinnütziger Verein. „Wir wollen die Verbraucher darauf aufmerksam machen, was mit den Tieren in der Bodenhaltung passiert“, erklärt Tiepelmann.

Mehr als 8000 Hennen hat „Rettet das Huhn“ seit 2015 bei privaten Tierhaltern untergebracht. „Zuvor prüfen wir, ob dort die Voraussetzungen für eine artgerechte Haltung gegeben sind“, so Tiepelmann. Dazu gehörten Auslaufflächen von mindestens zehn Quadratmetern pro Tier und maximal 30 Hühner in einer Haltung. „Zudem achten wir darauf, dass diejenigen, die Tiere aus Bodenhaltung übernehmen, über einen trockenen, sauberen sowie fuchs- und mardersicheren Stall verfügen, der auch isoliert ist.“ Neue Hühnerhalter würden immer gesucht: „Wir haben zwar einen E-Mail-Verteiler mit mehr als 1000 Empfängern, viele davon haben aber schon Tiere untergebracht.“

Dass sie dabei zurzeit bundesweit mit fünf Betrieben (drei davon in NRW) zusammenarbeitet, die Bodenhaltung nutzen, sieht Tiepelmann nicht als Widerspruch. „Die Tiere, die nach dem ersten Legejahr nicht mehr die notwendige Leistung bringen, haben keine Alternative: Wenn wir sie nicht übernehmen, landen sie auf dem Schlachthof.“ Und die Landwirte seien „nur das letzte Glied in der Kette“ der Eierindustrie. „Durch die gesetzlichen Vorgaben für die Haltung und die Preise am Markt sind die Landwirte gezwungen, das Maximale aus der Haltung der Tiere herauszuholen.“

www.rettet-das-huhn.de

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