Von Gummersbach nach OlpeVor 40 Jahren wurde der letzte Abschnitt der A4 freigegeben

Lesezeit 4 Minuten

Oberberg – Vor 40 Jahren, an einem trüben Dezembertag 1976 wurde das letzte Teilstück der Autobahn 4 von Köln nach Olpe freigegeben. Auf dem Rastplatz Morkepütz fand die Zeremonie statt. Sogar der Bundesverkehrsminister war erschienen. Eingeweiht wurde der 22,8 Kilometer lange Abschnitt von der Anschlussstelle Gummersbach bis zur A 45 im Autobahnkreuz Olpe-Süd.

Damit war ganz Oberberg über Autobahn nicht nur endlich an den Ballungsraum Köln angeschlossen, sondern hatte auch im Osten einen Anschluss an die Sauerlandlinie, eine der wichtigsten Nord-Süd-Strecken der Republik.

„Jahrhundertereignis für Oberberg“

Schon als 1975 die A 4 bis nach Gummersbach fertig war, wurde dies als „Jahrhundertereignis für Oberberg“ gefeiert. Mit der Einweihung Ende 1976 wurde die Autobahn endgültig zur Lebensader Oberbergs. 40 Jahre später ist kaum noch vorstellbar, wie Oberberg sich entwickelte hätte, wenn die Strecke einen anderen Verkauf genommen hätte.

Denn Alternativen gab es durchaus: Schon die Nazis hatten die Idee einer Ost-West-Verbindung durch Oberberg. Mitte der 1930er Jahre wurde eine „Reichsautobahn Köln-Kassel“ geplant. Von der A 3 südwestlich von Rösrath aus sollte sie über Overath, Drabenderhöhe und Denklingen nach Wenden führen. „Für Gummersbach wäre das dramatisch gewesen“, sagt Dr. Dieter Fuchs, zum Zeitpunkt der Eröffnung Stadtdirektor in Wiehl. Die Kreisstadt und der Aggerraum wären praktisch abgekoppelt gewesen von der Autobahn.

Streckenalternative zwei war die „Gelpe-Straße“ vom Königsforst über Bensberg, Untereschbach, Lindlar, Frielingsdorf, Kalsbach und Holzwipper nach Meinerzhagen. Die wäre früh auf die Nordseite des Aggertals geschwenkt und hätte den ganzen kompakten Wirtschaftsraum im Süden Gummersbach sprichwörtlich rechts liegen gelassen. Am Ende wurde aber die „Oberbergische Straße“ gebaut.

Katastrophale Verkehrssituation in Bensberg

Schon um 1959/60 wurde der 30 Jahre alte Gedanke einer West-Ost-Verkehrsachse wieder aufgegriffen. Auslöser war die katastrophale Verkehrssituation in Bensberg. Eine Umgehungsstraße sollte Abhilfe schaffen.

Zeitgleich mit dem Rhein-Berger Landtagsabgeordneten Josef Roesch machte auch Oberbergs Oberkreisdirektor Dr. Friedrich-Wilhelm Goldenbogen als Mitglied der Landschaftsversammlung in Köln Druck und forderte den Anschluss Oberbergs ans Fernstraßennetz. Ebenfalls in Düsseldorf konnte sich Unternehmensberater Gerhard Kienbaum (von 1954 bis 1969 FDP-Landtagsabgeordneter) für die Autobahnverbindung starkmachen, erst recht, als er Mitte 1962 für dreieinhalb Jahre Wirtschafts- und Verkehrsminister des Landes wurde. Die oberbergische Wirtschaft wussten die drei hinter sich.

Überlegungen, es könnte genügen, die Bundesstraße 55 auszubauen, scheiterten jedoch an der dichten Besiedlung im Aggertal. Das ist bis heute – auch mit Autobahn – stark vom Verkehr belastet. Jahrelang reichte damals der Stau durch Engelskirchen („Ampelskirchen) von einem Ortsende zum anderen. Also wurde eine Ersatzstrecke für die B 55 geplant. Die EB 55 wurde 1967 zur Autobahn 73 hochgestuft und später in A 4 umbenannt.

Ein Gezerre, welche der drei Varianten gebaut werden sollte, habe es in Oberbergs damals nicht gegeben, erinnert sich Dr. Fuchs: „Zum Glück wurde die richtige gewählt.“

Die A4 ist nicht mehr wegzudenken

Die Autobahn war nicht leicht zu bauen. Sie sollte ebenso Rücksicht auf vorhandene Siedlungsbereiche nehmen wie auf Wasserschutzzonen und Erholungsgebiete. Zwischen Köln-Ost und Olpe mussten 69 Autobahnbrücken gebaut werden – und weitere 38 Brücken, die über die A 4 hinwegführen.

Dass heute zahlreiche Brücken sanierungsbedürftig sind, liegt vor allem an der enormen Zunahme des Schwerlastverkehrs und daran, dass das zulässige Gesamtgewicht der Lastwagen immer weiter heraufgesetzt wurde.

Die A 4 ist nicht mehr wegzudenken. Das Verkehrsaufkommen ist vor allem seit dem Fall der Mauer sprunghaft gestiegen. Zwischen Köln-Ost und Bergisch Gladbach sind heute täglich 90 000 Fahrzeuge unterwegs. Richtung Olpe werden es kontinuierlich weniger, auf dem letzten Abschnitt vor der A 45 sind es noch 30 000 pro Tag. Der Verkehrslärm plagt die Menschen, die dicht an der Strecke wohnen, immer mehr. Und immer öfter werden Lärmschutzmaßnahmen gefordert, sie sind aber längst noch nicht überall realisiert.

Ein Nachttopf war die Attraktion bei der Eröffnung

Bei der Freigabe des letzten Bauabschnitts von Gummersbach nach Olpe war ein Nachttopf die Attraktion. Wiehl Stadtdirektor Dr. Dieter Fuchs hatte sich bereiterklärt, Bundesverkehrsminister Kurt Gscheidle einen von unserer Zeitung präparierten Nachttopf zu überreichen – mit einem Kaktus darin, Toilettenpapier und einer OVZ-Schärpe als Dekoration.

Hintergrund des Präsents: Auf der gesamten neuen Autobahn gab es kein einziges „stilles Örtchen“.

Fuchs damals: „Sie, Herr Minister, haben eine der reizvollsten Autobahnstrecken soeben für den durchgehenden Betrieb freigegeben. Wir wünschen uns sehr, dass Sie auch bei besserem Wetter noch oft diese Strecke befahren und dabei trotz der fehlenden Nebeneinrichtungen wie Toiletten oder Tankstellen frei von inneren Zwängen und äußeren Abhängigkeiten die Landschaft genießen können. Als Anlieger einer so schönen Autobahn möchten wir Ihnen ersparen, in einen inneren Konflikt zwischen dem sicher auch bei Ihnen ausgeprägten Bedürfnis nach Umweltschutz und elementaren Bedürfnissen des Körpers zu geraten. Deshalb dürfen wir Ihnen . . . ein kleines Geschenk überreichen, das bei unseren Vorfahren zum festen Bestand der Einrichtung, bei der Ihnen unterstellten Bundesbahn selbstverständlicher Bestandteil jeden Personenwagens und im Märchen vom Fischer und seiner Frau mit einer wahrhaft tragenden Rolle ausgestattet war, das aber in den engen modernen Autos gänzlich fehlt: einen Nachttopf!“

Der Minister nahm das Geschenk lachend an. Die Raststätte Aggertal wurde 1980 eröffnet. Dort und an den Parkplätzen Morkepütz, Lustheide und Hasbacher Höhe gibt es heute Toiletten. (kn)

KStA abonnieren