Nach dem PutschversuchFamilie durfte Türkei-Urlaub nicht stornieren

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Die Fahrt zum Flughafen traten Sandra Zeiske (r.) und ihre Familie gestern mit gemischten Gefühlen an.

Die Fahrt zum Flughafen traten Sandra Zeiske (r.) und ihre Familie gestern mit gemischten Gefühlen an.

Wiehl – Sandra Zeiske hatte auf die Türkei hingefiebert. Am Ägäischen Meer wollte sie zwölf Tage lang mit ihren Lieben Stress und Alltag vergessen. Am Samstagmorgen war die Vorfreude auf den Urlaub dahin.

Da erfuhr die Wiehlerin vom Putschversuch gegen Staatspräsident Erdogan in der Nacht zuvor, sah die Fernsehbilder von Panzern und demonstrierenden Menschenmassen auf den Straßen von Istanbul und Ankara.

Dass sie am Montag trotzdem mit Kindern und ihrem Lebensgefährte in die Türkei flog, lag offenbar an einer Fehlinformation ihres Reisebüros.

Kostenfreie Stornierung nicht möglich

Sandra Zeiske griff am Samstagmorgen direkt zum Telefon und rief das Reisebüro an, in dem sie den Urlaub gebucht hatte. „Das war am Samstag gegen 9.30 Uhr“, berichtete die Wiehlerin am Montag: „Ich wollte meine Reise umbuchen. In dieser unruhigen Zeit in die Türkei zu fliegen, bereitete mir zu große Sorgen.“

Das ortsansässige Reisebüro informierte sich über die Möglichkeiten. Eine Stunde später erhielt Zeiske telefonisch die Information, dass nur Reisende kostenfrei umbuchen und stornieren dürfen, die am selben Tag oder am Sonntag ihre Reise antreten sollen. Ein dritter Anruf um die Mittagszeit habe ebenfalls keine neuen Ergebnisse gebracht, berichtet Zeiske von der unklaren Lage.

Dass ihr Reisebüro offenbar nicht ausreichend informiert war, erfuhr die Wiehlerin zwei Stunden später per Zufall. In der Stadt habe sie eine Bekannte getroffen, deren Reisebüro in Essen ihren Türkei-Urlaub sehr wohl umgebucht hat.

Flieger und Hotels in anderen Ländern ausgebucht

„Daraufhin habe ich beim Reiseveranstalter angerufen und habe dort die Bestätigung erhalten, dass auch Urlauber, die am Montag fliegen, kostenfrei umbuchen und stornieren können.“ Das kam zu spät für Zeiskes Planung. „Leider blieb mir dann keine Zeit mehr zum Umbuchen.“ Ohnehin habe sie über ihr Reisebüro erfahren, dass alle Flieger und die Hotels in anderen Ländern ausgebucht seien.

Am Montagmittag luden Zeiske und ihr Lebensgefährte Hans Gerd Drews also gezwungenermaßen die Reisekoffer in den VW-Bus, um zum Flughafen nach Düsseldorf zu fahren. „Ein bisschen Angst habe ich jetzt schon“, sagt sie: „Aber ich hoffe, dass sich das in der Hotelanlage legt.“

Gemeinsam mit ihren Söhnen Julian (11) und Marvin (19) sowie dessen Freundin Anne verbringt Zeiske zwölf Tage in dem Ort Sarıgerme im Südwesten der Türkei. Julian hat sich im Internet schlau gemacht: „Das liegt ein paar hundert Kilometer von den Krisenorten entfernt.“

Die Brüder haben keine Sorge, dass sie dort etwas von der angespannten politischen Situation mitbekommen werden. Allerdings hätten auch sie sich nach heutigem Wissensstand für einen anderen Urlaubsort entschieden.

Sandra Zeiske sagt: „Die Türkeireise habe ich im Dezember gebucht. Da war die Anspannung in dem Land noch längst nicht so enorm wie jetzt.“ Ob sie noch einmal in die Türkei fliegen wird, weiß die Wiehlerin nicht. „Ich versuche jetzt erst mal, den Urlaub zu genießen.“

Das sagen die Reisebüros

Türkei ist auf Platz 1: „Zumindest auf der „No-Go-Liste“, sagt Natascha Knie vom Reisebüro Happ in Gummersbach. Schon vor dem Putschversuch in der Nacht zu Samstag wollte kaum ein Oberberger in die Türkei, berichtet Knie: „Mehr als 80 Prozent der Kunden, die ich nach ihrem Wunschziel gefragt habe, haben geantwortet: Bloß nicht Türkei!“

Knie vermutet: „An der allgemeinen politischen Situation liegt das nicht. Die Leute sind vielmehr wegen der Terroranschläge verunsichert.“ Am Samstag, dem Tag nach dem Putschversuch, habe ein Kunde seinen Türkeiurlaub gleich storniert. Er wollte eigentlich gestern dorthin reisen. Am Montag beriet Knie mehrere Kunden, die für einen späteren Zeitpunkt gebucht hatten.

„Ihnen bleiben leider nicht viele Möglichkeiten, weil die meisten Reiseveranstalter nur vom vergangenen Samstag bis Montag eine kostenlose Stornierung und Umbuchung erlaubt haben.“ Eine Kundin, so berichtet Knie, wolle ihre Türkeireise nun kostenpflichtig umbuchen.

Preise durch Putschversuch nicht gesunken

Einen „Superschnapper“ erhoffen sich ein paar wenige Kunden, die Sandra Rostalski im Marienheider Reisebüro Späinghaus beraten hat: „Dass Leute nun einen besonders günstigen Türkeiurlaub erwarten, ist der eine Extremfall. Auf der anderen Seite habe ich schon mehrere Kunden beraten, die sich nach einer Umbuchung oder Stornierung erkundigt haben.“ Bei zwei Anfragen laufe es darauf hinaus, dass die Kunden die Türkei zugunsten eines anderen Urlaubsziels streichen.

Durch den Putschversuch seien die Preise für die Türkei bislang nicht gesunken, sagt Rostalski: „Doch für die Türkei hatten wir schon vor Samstag günstige Angebote.“

Von zwei Stornierungen seit den Unruhen in der Nacht zu Samstag berichtet Anna Luisa Jürges vom Holiday Land Reisebüro in Waldbröl: „Einige Leute, die in die Türkei reisen wollen, haben nun spürbar Angst. Doch die Anfragen halten sich in Grenzen. Ich habe mit mehr besorgten Kunden gerechnet.“

Jürges meint, dass die Oberberger skeptischer gegenüber der Türkei sind – und das nicht erst seit Samstag. Im Hinblick auf die Unruheorte sagt sie aber auch: „Die Türkische Riviera mit ihren Urlaubsorten liegt einige hundert Kilometer von Ankara und Istanbul entfernt.“ (ag)

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