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PreisBergsteiger trainiert ein Jahr, um toten Bruder in 8000 Metern zu bergen

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2006 brach der 39-jährige Bruder von Georg Kronthaler während einer Expedition auf 8000 Höhenmeter zusammen und starb.

Rhein-Berg – Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz der Höhenbergsteiger: Wenn Bergsteiger in großer Höhe sterben, lässt man sie liegen. „Aus der sogenannten ,Todeszone’ oberhalb von 7000 Metern kann niemand geborgen werden“, sagt Georg Kronthaler, der das Gegenteil bewiesen hat. Ein Jahr nachdem sein Bruder kurz vor dem Gipfel des Broad Peak in Pakistan ums Leben gekommen war, holte er ihn vom Berg und heim. Eine Expedition am Rand der Leistungsgrenze und ein Schritt, für den der Österreicher diese Woche mit dem erstmals vergebenen Medienpreis für Zivilcourage der Gladbacher Fritz-Roth-Stiftung ausgezeichnet wurde.

„Ich wollte einfach, dass Markus ein Grab findet“, sagt Kronthaler. Sein Bruder Markus war Profi-Bergsteiger und Bergführer. Georg Kronthaler war am 8. Juli 2006 nach der Geburt seines Sohnes gerade aus dem Krankenhaus zurückgekehrt, als er eine Nachricht aus dem Basislager am Broad Peak im Karakorum erhielt, wo sein 39 Jahre alter Bruder Markus gerade mit einer Expedition unterwegs war. Kurz unterhalb des 8051 Meter hohen Gipfels war der erfahrene Bergsteiger zusammengebrochen und gestorben. Nachfolgende Expeditionen hätten ihn gesehen, ein Foto geschickt, erinnert sich Georg Kronthaler. „Ich wollte nicht, dass er da oben so liegt, und jeder der auf den Gipfel will, an ihm vorbeigeht.“

Nur eine Chance für die Rettung

Auf Achttausendern nichts Ungewöhnliches: Auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest etwa kommen Bergsteiger regelmäßig an über zehn Toten vorbei. Georg Kronthaler wollte es wagen, seinen Bruder vom Dach der Welt zu holen, und musste doch zuerst seine Eltern beruhigen, die Sorge hatten, auch den zweiten Sohn zu verlieren. Ein Jahr trainierte er, unterstützt von zwei Bergführerkollegen, unter anderem in der Höhenkammer und am Kitzbüheler Horn. „Dort haben wir Bergungsgerät ausprobiert, da gab es ja nichts für solch eine Höhe.“ Schnell wurde den Bergsteigern klar: Sie würden am Broad Peak nur eine Chance haben. „Mehr Kraft würden wir in der Höhe nicht haben“, erinnert sich Kronthaler, der die aufwendige Expedition auch  finanzieren musste: „Für Bestleistungen in den Bergen bekommst du Sponsoren, aber wenn es um die Bergung eines Toten geht ... die meisten haben uns nur viel Glück gewünscht.“ Nur wenige unterstützten den Bergsteiger bei seinem Vorhaben, darunter ein Team des Fernsehsenders ProSieben, das eine beeindruckende Reportage über die Bergung drehte. „Für mich war das wichtig, auch als Beleg dafür, dass wir alles  gegeben haben, um es zu schaffen. Auch wenn es nicht funktioniert hätte.“

In Pakistan wurde Kronthaler von weiteren einheimischen Bergsteigern unterstützt, wagte ein Jahr nach dem Tod des Bruders den gefährlichen Aufstieg, bei dem vom Basislager aus mehrere Höhenlager angelegt werden mussten, bevor das Team den Weg zum Gipfel in die Todeszone wagen konnte. Trotz Unwetter und mehrmaliger Rückzüge in niedrigere Höhenlager gelang die Bergung vom Broad Peak mit seinen fast senkrechten Flanken. „Ich habe beruflich viel mit Toten zu tun, vor allem mit Lawinentoten, aber wenn’s um die eigene Familie geht, ist es schon etwas anderes“, bekannte Kronthaler jetzt bei der Preisverleihung im  „Haus der menschlichen Begleitung“. Heute ist er froh: „Dass wir wirklich Abschied nehmen konnten – und einen Ort der Trauer bei uns haben.“

„Als ich von Georg Kronthaler zum ersten Mal gehört habe, musste ich weinen, auch weil dieser Mann so einen Mut hatte, seiner eigenen Trauer zu begegnen“, bekannte TV-Moderatorin und Trauerbegleiterin Madita van Hülsen in ihrer Laudatio bei der Preisverleihung, die vom Kölner Musiker und Songwriter Purple Schulz gestaltet wurde. Kronthaler habe den „Tod vom Berg“ geholt, ihn zurück ins Leben geholt, wie es auch  das Credo von Fritz Roth war.

„Georg Kronthalers Wille war stärker als die Lebensgefahr“, würdigte  David Roth den Preisträger, der neben Urkunde und Preisgeld auch einen nach ihm benannten Weg auf dem Gelände von Pütz-Roth erhält. „Wir wollen solche Geschichten sichtbar machen – und im Leben halten.“

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