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AsylFlüchtlingsfamilie in Bergisch Gladbach – in kleinen Schritten aus der Isolation

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Balkon der bisherigen Wohnung in Bensberg hat sich Familie Hussin zum Familienfoto aufgestellt.

Auf dem Balkon der bisherigen Wohnung in Bensberg hat sich Familie Hussin zum Familienfoto aufgestellt.

Bergisch Gladbach – „Mit dem Deutschkurs verändert sich mein Leben.“ Mouna Alali Hussin beginnt aufzutauen in der neuen Heimat Deutschland.

Im Januar war es noch absolut unmöglich, ein Familienfoto mit der Frau zu machen. Höflich, schüchtern, aber absolut bestimmt lehnte sie das ab. So richtig erklären konnte sie ihre Weigerung, sich ablichten zu lassen, nicht.

Ihr Mann drängte sie keineswegs in den Hintergrund. Die Höflichkeit des Fotografen bestand darin, nicht zu insistieren. Bei allen Folgetreffen gehörte die Frage nach einem Foto mit Mouna Alali Hussin zum festen Bestandteil des Ablaufs.

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Gemeinsamer Spaziergang

Ein wenig weichte die Linie bei einem gemeinsamen Spaziergang mit den Journalisten auf. Da konnte der Fotograf praktisch unbemerkt ein Bild von der ganzen Gruppe machen, inklusive Mouna Alali Hussin. Sie stimmte der Veröffentlichung zu.

Aber bei dem jüngsten Termin kam dann überraschend die komplette Wende in der Einstellung von Frau Hussin: Ohne große Diskussion stellte sie sich mit ihrer Familie auf zum Gruppenfoto.

Und dieses Bild ist irgendwie symptomatisch für die ganze Situation: Langsam, ganz langsam, geht die gesamte Familie auf die deutsche Gesellschaft zu. Integration ist eben ein schweres Geschäft.

Die drei Mädchen der Hussins, Lojain, Nour und Areij, sprechen noch kaum Deutsch. Alle gehen sie zur Schule, aber deutsche Freunde, Spielkameraden, haben sie bislang nicht. Die Kinder empfinden das offenbar nicht als Defizit. Zucken mit den Achseln bei der Frage nach Freunden. Auf den ersten Blick sieht das aus wie Langeweile oder gar wie eine Verweigerungshaltung.

Doch das ist eine Fehleinschätzung. So sagt die Älteste, Areij (13): „Ich habe Angst, Fehler zu machen.“ Fehler in der Ansprache, Fehler im Umgang. Und aus der anfänglichen Zurückhaltung wird Normalität.

Unvoreingenommen auf andere Kinder zuzugehen, ist für die drei ein Ding der Unmöglichkeit.

Da würde ein Verein vielleicht Wunder wirken. Aber auch das bedeutete ja, aktiv zu werden. Etwas, was die Hussins nicht, oder besser, noch nicht gelernt haben.

Aber die Isolation beginnt zu bröckeln, wenn auch die Eltern an vielen Stellen hilflos wirken. „Wir wissen nicht, welche Vereine es gibt und wo wir uns melden sollen“, sagt Alaa Al Hussin. Sie würden sich freuen, sagen beide Eltern, wenn ihre Kinder in einem Verein Sport treiben würden.

Der Bergisch Gladbacher Schwimmverein hatte sich Anfang des Jahres gemeldet, als in einer früheren Folge der Serie geschrieben wurde, dass die Hussins alle Nicht-Schwimmer sind. Der Verein bot seine Hilfe an. Aber das war wohl noch zu früh – und gemeinsames Schwimmen mit Männern ist für die Frau aus Syrien nach wie vor ein Ding der Unmöglichkeit.

Anders sieht es bei der Jobsuche aus. Da ist der Familienvater aktiv: Er leidet nach wie vor unter seiner Untätigkeit und die Frustration ist groß. Seine Deutschkenntnisse sind indes noch begrenzt, und er kann sich den Arbeitsmarkt nur schwer selbstständig erschließen.

KVB bildet Flüchtlinge zu Busfahrern aus

Ein syrischer Bekannter hatte ihn kürzlich auf ein Projekt der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) aufmerksam gemacht. Dort werden Flüchtlinge zu Busfahrern ausgebildet.

Und während Alaa Al Hussin noch überlegt, was das überhaupt ist, diese KVB, und wie er mit dem Unternehmen in Kontakt kommt, sind die Plätze alle schon vergeben.

Eine Nachfrage bei der KVB-Pressestelle bringt da schnell Klarheit: „Die Stellen für dieses Projekt sind bereits alle vergeben.“ Eine schlechte Nachricht für Alaa Al Hussin.

Neue Wohnung gefunden

Aber es gibt auch richtig gute Nachrichten. So wird die Familie umziehen. Sie hat eine preiswertere Wohnung gefunden.

Rund 1000 Euro wird die fünfköpfige Familie demnächst bezahlen, beziehungsweise das Jobcenter überweisen. Derzeit sind es mehr als 1500 Euro.

Zu viel nach den geltenden Sätzen, die Familie hätte den Differenzbetrag, also 500 Euro, aus eigener Tasche bezahlen müssen. Das wäre für die Geflüchteten ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

In der Hochphase des Flüchtlingszustroms waren auch solche hohe Mieten vom Jobcenter bezahlt worden. Es ging darum, die Menschen erst einmal unterzubekommen. Aber jetzt werden die Regeln strenger.

Die Hintergründe all dieser Aktionen verstehen die Hussins nicht. Für sie hat sich Deutschland nicht verändert. Die Menschen seien freundlich, nett und hilfsbereit.

Genau wie im Januar 2016. Dass über den Kurs bei der Flüchtlingspolitik heftig gestritten wird, wissen sie nicht. Aber sie haben registriert, dass der weitere Familiennachzug erschwert wird.

Am liebsten würden sie ihre gesamte Familie aus Syrien herausholen. Das funktioniert nicht.

Sporadisch Kontakt über das Internet

Sporadisch gibt es über das Internet Kontakt mit der Heimat. „Es ist alles furchtbar“, erzählen die Eheleute. Eine Flucht unmöglich. Hoffnung auf Frieden hat in der früheren Heimat keiner.

Mouna Alali Hussin freut sich auf die nächsten Deutschkurse. Da komme sie raus, lerne Menschen kennen und lerne, sich selbstständig zu bewegen. Neuland mitten in Deutschland – und ein großer Schritt für die Syrerin.

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