Bergisch GladbachLöwen-City-Center wurde vor 40 Jahren als Hertie errichtet

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Schön ist anders: Die Fassade des Löwen City Center gilt nicht als architektonisches Schmuckstück der Stadt. Sie schreckt eher ab – was schade ist.

Schön ist anders: Die Fassade des Löwen City Center gilt nicht als architektonisches Schmuckstück der Stadt. Sie schreckt eher ab – was schade ist.

Bergisch Gladbach – Vor dem Eingang des Löwen-City-Centers steht ein bunter Spielzeughubschrauber. Das Kind kann sich reinsetzen. Wenn man eine Münze einwirft, wackelt der Hubschrauber, und das Kind freut sich – jedenfalls meistens. Die Farbe ist verblasst und abgebröckelt, ebenso wie von dem Gebäude dahinter.

40 Jahre ist es her, dass Hertie 1976 das hübsch-hässliche Haus im Herzen der Bergisch Gladbacher City vom Bauunternehmen Bilfinger und Berger errichten ließ, wie zahllose alte Ordner mit Konstruktionszeichnungen dokumentieren. Es waren goldene Kaufhauszeiten in den 70ern, als Kaufhof, Karstadt und eben Hertie das Herz des Konsumenten höherschlagen ließen. Ein Bummel durch die schier unendlich scheinende Warenwelt glich einem Ausflug ins Paradies. „Kaufhof bietet tausendfach alles unter einem Dach“ war der Slogan dieser Tage, unlöschbar ins Gedächtnis der Zeitzeugen eingebrannt.

Udo Kellmann (l.) ist seit 20 Jahren Geschäftsführer im Center. Erich Köller, Leiter der Herrenabteilung, war schon zu Hertie-Zeiten da.

Udo Kellmann (l.) ist seit 20 Jahren Geschäftsführer im Center. Erich Köller, Leiter der Herrenabteilung, war schon zu Hertie-Zeiten da.

Udo Kellmann selbst ist es, der ein wenig wehmütig an den berühmten Werbespruch erinnert. Der Geschäftsführer hat die Immobilie vor 20 Jahren übernommen und als Löwen-City-Center durch Höhen und Tiefen begleitet. „Über 600 Mitarbeiter hatte Hertie,“ sagt er. „Fast 30 Dekorateure und sogar einen eigenen Betriebsarzt.“ In den Katakomben und Nebengeschossen, die längst leer stehen, waren Garderoben und Waschräume für die Verkäuferinnen, eine große Kantine und riesige Lagerräume. „Das brauchen wir alles nicht mehr“, meint Kellmann. 70 Beschäftigte sind es derzeit, und viel Ware muss auch nicht mehr gelagert werden.

Neue Konkurrenz

1996, als Kellmann den Laden von Kaufring übernommen hat, sah es eigentlich ganz gut aus. Die Elektronikkette Saturn zog in den ersten Stock ein. „Saturn war der Renner“, sagt Kellmann. „Und jeder, der hoch zu denen wollte, musste durch das Warenhaus.“ Als dann sogar ein Rewe-Supermarkt und das Restaurant Le Buffet (damals der einzige Laden, der Pommes im Angebot hatte!) ins Haus kamen, schien die Mischung perfekt, obwohl das durch politische Fehlplanungen vermurkste Ensemble städtebaulich stets ungeliebt blieb. Doch Rewe schloss entgegen anderslautender Versprechen den gleich gegenüber liegenden Markt nicht, sondern den im Center, und Saturn lief weg in die neu errichtete Rhein-Berg-Galerie am S-Bahnhof. Das war 2009. Das Löwen-City-Center lag zwar immer noch mitten in der Stadt, aber irgendwie abgehängt.

Dabei bietet der Ort immer noch ein Kauferlebnis der besonderen Art. Es ist eine Zeitreise über kurvige Linoleumwege, durch Abteilungen, die Kurzwaren anbieten, Reißverschlüsse und Wolle zum Stricken, Bücher, Globen oder Schreibwaren. Es gibt gepflegt gekleidete Schaufensterpuppen neben Topfpflanzen und einen dicken Globetrotter aus Kunststoff, der durch ein Fernglas schaut. Retroschick.

Manuela Krause herrscht über die Wäsche-Abteilung. Das umfangreiche Sortiment ist fast ein Geheimtipp für Kenner.

Manuela Krause herrscht über die Wäsche-Abteilung. Das umfangreiche Sortiment ist fast ein Geheimtipp für Kenner.

Da kommen Erinnerungen hoch. Doch jenseits des nostalgischen Charmes ist das Löwencenter ein richtig gutes, kleines Kaufhaus mit einem großen Sortiment zum Beispiel an Wäsche und Strümpfen namhafter Marken. „Darin sind wir Marktführer im Kreis“, sagt Abteilungsleiterin Manuela Krause stolz. „Unsere Kunden kommen sogar aus Düsseldorf.“ Auch die Sportartikel-Abteilung ist konkurrenzlos in der City. „Das weiß bloß kaum jemand“, bedauert der Chef.

Es gibt die gleichen Modelabels wie überall, Esprit also oder Marco Polo. Einträchtig hängen die Hosen und Hemden, Jacken und Jeans nebeneinander: Shop in Shop ist woanders. Hier wird niemand von Vielfalt verrückt gemacht, hier waltet aufgeräumte Übersichtlichkeit und eine wohlige Ruhe, gerade im Kontrast zum hektischen Festtagstrubel draußen. „Das mögen unsere Kunden, dass wir Zeit haben für sie,“ sagt Erich Köller, Leiter der Herrenabteilung. Seit 29 Jahren ist er hier Fachverkäufer, schon zu Hertie-Zeiten. „Natürlich war früher mehr Betrieb“, räumt er ein. „Aber wir haben unsere Kunden.“ Nicht die jungen, denen ist es hier zu uncool.

Heile Konsumwelt

„Doch irgendwann sind sie nicht mehr so jung, und dann kommen sie plötzlich und wissen unser Sortiment und die Atmosphäre zu schätzen,“ hat Erich Köller beobachtet. Zum Beispiel die älteren Herren das große Angebot an weißer, kochfester Feinripp-Unterwäsche – die, nebenbei gesagt, gerade wieder bei den hippen Jungmännern angekommen ist, wie das Retrolabel „Revival“ der Firma Schiesser beweist.

„Manche Dame kauft nur ein Taschentuch, weil sie sich etwas unterhalten möchte,“ weiß der Profi. Irgendwie ist hier die Konsumwelt noch in Ordnung.

Eine so große Auswahl an Kurzwaren gibt es sonst fast nirgendwo.

Eine so große Auswahl an Kurzwaren gibt es sonst fast nirgendwo.

Wie lange das halten wird, kann Udo Kellmann nicht sagen. Gern würde er renovieren und modernisieren, die heruntergekommene, aus der Mode gekommene Fassade mit ihrer komischen Veranda und den diffusen Platz davor schöner machen. „Leider finde ich keinen Investor,“ bedauert der Geschäftsmann, dem ein Viertel der Immobilie gehört. „Mit einem besonderen Angebot kann man niemanden mehr locken“, weiß er zudem. „Sie kriegen doch heute alles jederzeit zu kaufen.“

In den guten Tagen hat er mehr als eine Million Mark Umsatz allein mit Spielzeug gemacht. Heute nimmt die Ware kaum mehr als eine Ecke im ersten Stock ein. Teurer wird auch alles. „Ich zahle über 100 000 Euro mehr Stromkosten, auch nur wegen der Abgaben für Erneuerbare Energien.“

Seit drei Jahren ist das Obergeschoss an ein Fitnessstudio vermietet. Das bringt gewisse finanzielle Sicherheit. Die Stammkäufer sind treu; 14 500 von ihnen haben eine Kundenkarte, die sie regelmäßig benutzen. „Bei uns werden Rabatte direkt abgezogen“, wirbt Kellmann. Wenn das kein Argument ist – neben allen anderen.

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