Bergisch GladbachStadt stellt umstrittenen Wunderheilern Ratssaal zur Verfügung

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  • Der Bruno-Gröning-Freundeskreis/Kreis für natürliche Lebenshilfe e.V. verspricht „Hilfe und Heilung auf geistigem Weg“ und trumpft gleich auf: „Medizinisch beweisbar.“
  • Wer daraufhin seinen Computer einschaltet und Google befragt, stößt auf einen Wikipedia-Beitrag, der außergewöhnlich harte Worte findet.
  • Die Stadt Bergisch Gladbach stellt dem umstrittenen Verein ihren Ratssaal kostenlos zur Verfügung.

Bergisch Gladbach – In den letzten Tagen und Wochen sind in vielen Gladbacher Briefkästen Faltblätter gelandet, die in schlichter Aufmachung, aber sensationsheischend-gebieterischen Aussagen zu einer „Internationalen Vortragsreihe“ einladen.

Der Bruno-Gröning-Freundeskreis/Kreis für natürliche Lebenshilfe e.V. verspricht „Hilfe und Heilung auf geistigem Weg“ und trumpft gleich auf: „Medizinisch beweisbar.“ Im Inneren des Leporellos erfährt man, dass Bruno Gröning „durch außergewöhnliche Heilungserfolge in den 50er-Jahren weltbekannt“ geworden sei.

Wer daraufhin seinen Computer einschaltet und Google befragt, stößt auf einen Wikipedia-Beitrag, der außergewöhnlich harte Worte findet: „Bruno Gröning, ursprünglich Grönkowski (1906 - 1959), war ein deutscher sogenannter Wunderheiler. Er trat ab 1949 in Deutschland als Geistheiler und Quacksalber auf. Er behauptete, von Gott gesandten »Heilstrom« an Kranke weiterzuleiten.“

Nun muss man Wikipedia nicht gleich alles abnehmen. Aber der Stil des Faltblattes, der zu einer Art Kaffeefahrt-Veranstaltung mit vollmundigsten Heilsversprechungen einlädt, spricht für sich: Es wird ein Dokumentarfilm über das Leben des Wundertäters aus Danzig angekündigt: Wer sich diesen Sieben-Minuten-Film anschauen will, wird darauf vorbereitet, mit wunderbaren Spontanheilungen zu rechnen.

Eine Besucherin einer früheren Vorstellung, die acht Jahre unter chronischen starken Schulterschmerzen litt, wird zitiert: „Nach dem Besuch des Dokumentarfilms waren alle Schmerzen einfach verschwunden! Heute trage ich Kisten und kann Holz hacken.“ Bruno Gröning haben diese Kräfte übrigens nicht vor einem frühen Tod an Magenkrebs bewahrt.

All das ließe sich mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen, auch die Passage „Eintritt frei, um eine Spende wird gebeten“. Was allerdings den Leser stutzen lässt, ist der Veranstaltungsort: „Rathaus Bergisch Gladbach, Großer Ratssaal, Konrad-Adenauer-Platz 1“. Ein seriöseres Ambiente für ist in dieser Stadt für Vorträge wohl kaum zu buchen.

Ein Anruf bei der Pressestelle der Stadtverwaltung führt dort zu einer gewissen Verlegenheit. Bruno Gröning war bis dato dort kein Begriff, aber der Verein sei gemeinnützig, daher darf er den Ratssaal nicht nur benutzen, sondern muss dafür noch nicht mal etwas bezahlen, wie Pressesprecher Martin Rölen nach einigem Recherchieren einräumt.

Er beeilt sich aber, zu versichern: „Es findet durchaus eine Prüfung der Gruppen statt, die den Ratssaal nutzen wollen.“ Die sei in diesem Fall aber möglicherweise etwas oberflächlich ausgefallen. Jetzt könne man nicht mehr zurückrudern. Am 22. Juni um 19 Uhr wird also der Ratssaal Schauplatz potenziell wundersamer Vorgänge werden.

Obwohl die Informationen über Gröning in Sekunden abgerufen werden können, hat man ihn im Rathaus offenbar unter alternative Heilmethoden abgeheftet. Dabei wurde Gröning, der an Hilfesuchende Staniolkügelchen verschickte, die mit den uns alle umwabernden Heilströmen aufgeladen sein sollten, immerhin wegen Verstößen gegen das Heilpraktikergesetz und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Man legte ihm zu Last, dass Menschen im Vertrauen auf seine Kräfte normale Therapien und Medikamente abgesetzt hätten und zu schaden gekommen seien, ein 17-jähriges Mädchen sei gestorben.

Ungewöhnlich ist auch, dass Patienten sich zu festen Gemeinschaften zusammenschließen, mit eigenen Jugendorganisationen. Das hat eher sektenähnliche Züge. Das ist auch einer der Hauptgründe, weswegen vor der Gruppe, die nach eigenem Bekunden 85 000 Mitglieder weltweit zählt, von verschiedenen Stellen gewarnt wird. Eine dieser Stelle ist das Referat Dialog und Verkündung in der Hauptabteilung Seelsorge des katholischen Erzbistums Köln. Dessen Leiter, Dr. Werner Höbsch, teilt auf Nachfrage mit, dass die diversen Gruppen, die sich aus der Jüngerschaft Grönings nach dessen Tod gebildet haben, aus Sicht der der Kirche „zu den umstrittenen esoterischen Geistheiler-Gruppen gerechnet werden“. Zuletzt habe man im Amtsblatt des Erzbistums im September 2008 vor diesen Gruppen gewarnt, und es bestehe kein Anlass, diese Warnung aufzuheben. In der Warnung heißt es: Die Gruppe „spricht bevorzugt Menschen an, die in ihrer Sehnsucht nach Heil und Heilung verbindliche Antworten und wirksame Hilfe suchen. Bei schwerer Krankheit wird der angeblich von Bruno Gröning aus dem Jenseits vermittelte »kosmische Heilstrom« angeboten und als letzte Hoffnung dargestellt.“

Besonders kritisch wird beurteilt, dass der Kranke in der Vorstellungswelt der Gröninger selbst die Ursache seines Leidens ist, da er durch negative Gedanken den Kontakt zum umgebenden Heilstrom unterbrochen hat. Aussteiger berichten von erheblichem sozialem Druck, schnell gesund zu werden, und von Depressionen, wenn das nicht gelingt.

Die Gruppe selbst sieht sich nicht als Religionsgemeinschaft und betont, dass sie keineswegs vom Arztbesuch abrät oder empfiehlt, Therapien abzubrechen: Das muss sie aber auch, aus allen möglichen straf- und haftungsrechtlichen Gründen.

Ein Anruf bei der angegebenen Kontaktperson, der eine örtliche Gruppe von Gröning-Freunden vertritt, endet fruchtlos, da diese nicht zu Presseauskünften befugt sei. Immerhin ist der Mann sehr freundlich und erzählt, dass er Reservierungen von Heilssuchenden für den Abend entgegen nimmt und dass rege Nachfrage herrsche. Er stellt auch unverzüglich Kontakt zum Pressesprecher der Organisation für den deutschsprachigen Raum her, der zehn Minuten später aus Wien zurückruft.

Auch dieser Helmut Höbart ist sehr liebenswürdig und versucht alles, um den Eindruck zu zerstreuen, man habe es mit einer Sekte zu tun. Die oben aufgezählten Fakten werden von ihm aber im Großen und Ganzen bestätigt. Und der Spendenaufruf? „Dient nur der Deckung unserer Unkosten.“ Groß können die nicht sein. Den Ratssaal gibt die Stadt ja zum Beispiel umsonst.

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