Bergisch GladbachUnterirdisches Transportsystem könnte Verkehr deutlich reduzieren

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Eine Kolonne von Frachtkapseln in einer aufgeschnittenen Transportröhre. Auch eine der Kapseln ist geöffnet.

Eine Kolonne von Frachtkapseln in einer aufgeschnittenen Transportröhre. Auch eine der Kapseln ist geöffnet.

Bergisch Gladbach – Die Lösung der Gladbacher Verkehrsprobleme liegt unter der Erde. Ihr Name lautet „Cargo Cap“. Dabei handelt es sich um eine Art gigantische unterirdische Rohrpost. Der Durchmesser des Tunnels wäre etwas kleiner als der derzeit verlegte Strunde-Hochwasserkanal. Darin würde sich eine Kette von Transportkapseln zwischen einem Frachtzentrum an der Autobahn A4 in Frankenforst und der Gladbacher Stadtmitte bewegen.

Jede dieser Frachtkapseln, der namengebenden Cargo Caps, fasst zwei Euro-Paletten, auf denen 80 bis 85 Prozent aller Frachtgüter transportiert werden, die auf Lkw-Pritschen durch Deutschland rollen. Das heißt: „Mit diesem System könnten wir Gladbachs innerstädtisches Straßennetz fast Lkw-frei machen“, sagt Vize-Bürgermeister und SPD-Verkehrspolitiker Michael Zalfen begeistert.

Was Zalfen besonders beflügelt, ist die Bereitschaft der Firma Krüger, über dieses System mit nachzudenken. Daniel Wolter, Logistikchefs des Lebensmittelproduzenten, kann sich vorstellen, an einer Machbarkeits-Studie mitzuwirken, die am 15. März im Verkehrsausschuss beschlossen werden könnte. Einen entsprechenden gemeinsamen Antrag haben SPD- und CDU-Ratsfraktion zur kommenden Ratssitzung am 24.Februar gestellt, um die Verwaltung aufzufordern, die Möglichkeiten zur Verwirklichung dieses Konzeptes zu prüfen.

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Das ist insoweit eine Formalie, als nicht nur Bürgermeister Lutz Urbach und Stadtbaurat Harald Flügge zu den Befürwortern des Modells gehören, sondern auch eine Studie der Universität Bochum für ein solches Projekt in der Kreisstadt vorliegt. Kostenpunkt für den Bau der Basis-Infrastruktur wären etwa 60 Millionen Euro.

Der besondere Charme des Vorschlags: Die Stadt würde keinen Cent davon bezahlen müssen. Zwei renommierte Unternehmen der Logistik-Branche stehen – so Zalfen – in den Startlöchern, um das Vorhaben zu finanzieren. Sie wären dann auch Eigentümer des Frachtzentrums an der Autobahn.

Der Stadt winken statt Ausgaben sogar solide Einnahmen aus der Konzessionsvergabe. Die privaten Betreiber müssten für die Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen eine Abgabe leisten, vergleichbar etwa den Konzessionen, die Versorgungsunternehmen für die Verlegung von Strom-, Gas- und Wasserleitungen erwerben müssen.

Unter Kölner Straße

Verlegt werden soll die zwei Meter durchmessende Transportröhre in drei Meter Tiefe unter der Kölner Straße bis zur Querung der alten Eisenbahnlinie. Von dort verliefe sie unter dem Bahndamm Richtung Stadtmitte zum ersten „Entnahmepunkt“ Krüger. Weiter würde die Trasse durch das Gewerbegebiet Zinkhütte bis zur Gohrsmühle und der Firma Zanders führen, dann zum S-Bahnhof, zu den Einkaufszentren Rheinberg-Galerie und Rheinberg-Passage sowie zur Firma G+H.

Von dort rollen die mit Elektromotoren betriebene Kapseln wieder zurück Richtung Frankenforst. So ginge das immer weiter wie ein Endlosband oder ein horizontaler Paternoster. Es sind also zwei Röhren in der Straße und unter dem Bahndamm notwendig, da es sich um ein Einbahnsystem handelt. Weitere Schleifen könnten angeschlossen werden. Die unterirdische Nutzung der Bahndammtrasse kollidiert in keiner Weise mit einer parallelen Nutzung für eine Neubaustraße (Stichwort Autobahnzubringer).

Man könnte sogar davon profitieren, wenn man beides zugleich baut. Es fragt sich allerdings, ob die Befürworter der Fracht-Pipeline auf das Zubringer-Projekt warten wollen, denn „Cargo Cap“ ist erheblich schneller umsetzbar.

Keine Referenzanlage

„Die Technik ist praktisch schon vorhanden und erprobt“, erklärt Zalfen, der den Kontakt zu dem Bochumer Professor und Vater des Projekts Dietrich Stein hergestellt hat. Die Firma CargoCap GmbH, deren Geschäftsführer Stein ist, existiert schon seit 2002. Eine Referenzanlage gibt es allerdings noch nicht, nur einen Probebetrieb in einer RWE-Halle im Ruhrgebiet im Maßstab eins zu zwei.

Zalfen nennt als Grund, dass Lobby-Vertreter der Bahn und der Automobilhersteller an der Umsetzung des Konkurrenz-Systems keinerlei Interesse hätten. Immerhin bezeichnet sich Cargo Cap in seinem Internetauftritt (cargocap.de) selbstbewusst als „die fünfte Transportalternative zu Straße, Schiene, Wasser und Luft, um Güter in Ballungsräumen zu transportieren“.

Einzelhandel als potentielle Kunden

Was dem Außenseiter jetzt die Türen öffnet, sind die potenziellen Kunden: Einzelhandelskonzerne wie Rewe, Edeka, Aldi und Lidl fürchten, ihre innerstädtischen Märkte wegen Verkehrskollaps nicht mehr versorgen zu können. Auch Paketdienste sind in Sorge, weil ihre Fahrzeuge im Dauerstau stecken. Hinzu kommt die Dieselkrise, die die Logistiker bedroht: Wenn Fahrverbote und das Umwelt-Aus für Dieselfahrzeuge in Innenstädten kommen, sind Millionen Haustüren für UPS, Hermes und DHL plötzlich unerreichbar.

Die Lieferanten suchen nach Wegen, die Lage in den Ballungsräumen zu entspannen. Die Frachtröhre könnte den Ausstoß von Feinstäuben und Stickoxiden deutlich reduzieren. „Es sind keine Menschen in den Röhren , daher gibt es auch keine Unfälle“, nennt Zalfen einen weiteren Vorteil. Das Wetter interessiert die Kapseln auch nicht, die sich mit 36 Stundenkilometern und im Vier-Meter-Abstand im Untergrund bewegen.

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