Bergische KunstschuleHohe Ansprüche in Kunstschule

Lesezeit 6 Minuten
Eigene Arbeiten gestaltet Bettina Ballendat in der Küche, neben den Schüler-Arbeitsräumen.

Eigene Arbeiten gestaltet Bettina Ballendat in der Küche, neben den Schüler-Arbeitsräumen.

Bergisch Gladbach – „Es ist ein offenes Haus“, sagt Künstlerin Bettina Ballendat zu ihrer Bergischen Kunstschule. In dem Gebäude in Heidkamp, das sie 1988 gekauft hat, sind auf vier Etagen viele Funktionen vereint: Neben Arbeitsräumen für die Schüler bietet es Wohnräume für Ballendat und ihre beiden Söhne, die in Aachen studieren und am Wochenende nach Bergisch Gladbach kommen, auch einer der Kunstschüler hat eigene Wohnräume im Haus.

Mittendrin gestaltet Ballendat auch noch eigene Kunst – in der Küche arbeitet sie gerade an einer Skulptur. „Das ist gewachsen“, sagt sie zu dem Miteinander von Leben und Arbeiten. Dass sie in der Küche nicht nur mit Wachs gestaltet, sondern auch mit Lebensmitteln hantiert, ist für sie Alltag: „Es ist eine Ateliersituation. Da ist das Kochen irgendwie integriert.“

Die Tür zwischen Ballendats Küchen-Atelier und einem Arbeitsraum der Schüler steht immer offen, auch die Wohnräume der Künstlerin sind nicht abgeschottet: Weil zwei Räume im Erdgeschoss ohne Fenster waren, hat Ballendat die Decken zum darüber liegenden Wohnbereich durchbrechen lassen. „Es ist schon eine sehr familiäre Atmosphäre“, sagt die Künstlerin und Kunstlehrerin. Auch das Wohngemeinschafts-Leben mit Schüler Jawad Philipps (20), der seit vier Monaten im Dachgeschoss wohnt und im Erdgeschoss in der Kunstschule arbeitet, hat sich eingespielt. „Das funktioniert“, sagt Ballendat. Nähe ist möglich, die Mitbewohner können sich aber auch mal zurückziehen.

Fließende Übergänge

Bei allen fließenden Übergängen zwischen Kunstschule und privatem Leben macht Ballendat keine Abstriche an dem hohen Anspruch, den sie an ihre Schüler stellt: „Ich will Leute, die nett sind, zuverlässig, ehrgeizig und auch gut in ihrer Arbeit. Die müssen Kunst machen wollen“, betont sie. „Ich will Leute haben, die für etwas brennen.“ 15 Schüler besuchen zurzeit die Bergische Kunstschule. Die meisten bereiten sich auf die Bewerbung für ein künstlerisches Studium vor. Zur Bandbreite der anvisierten Fächer gehören Design, Architektur, Lehramt Kunst, Mode- und Mediendesign, aber auch das Studium mit dem Berufsziel bildender Künstler. Ballendat nimmt Schüler nur dann an, wenn sie die Perspektive Studium für aussichtsreich hält: „Ich rate grundsätzlich ab, wenn ich merke, dass jemand nicht vernünftig arbeitet. Die Schüler kommen an jedem Werktag gegen 18 Uhr in die Kunstschule und beschäftigen sich vier Unterrichtsstunden mit ihren Projekten – bis 21 Uhr. Ballendat ist die ganze Zeit präsent, regt an, berät, informiert und ermutigt. Für diesen Einsatz nimmt die Künstlerin einen Monatspreis, den so mancher Musiker schon für zwei Klavierstunden erhält.

Bei diesem Preisniveau ist klar, dass Ballendat von der Kunstschule allein nicht leben kann. „Es ist eine Mischkalkulation“, sagt sie. Kunstschule und vermietete Wohnräume sind nur ein Standbein. Vormittags unterrichtet Ballendat als angestellte Kunstlehrerin, zurzeit an einem Gymnasium, nachmittags ruht sie aus oder widmet sich eigenen Projekten, abends unterrichtet sie die Schüler der Kunstschule.

Zehn Jahre leitete Ballendat die Museumspädagogik am Museum Siegburg, sie beteiligt sich auch an interdisziplinären Projekten, die Brücken zwischen Kunst und Theater schlagen. Außerdem gehören soziale Bildungsprojekte zu ihrem Aktionsradius – zum Beispiel eine Kunstwoche mit Roma-Kindern in Meschenich im letzten Sommer. „Sie arbeiten schon sehr intensiv und sehr gut“, sagt Ballendat über ihre Schüler in der Kunstschule. Wenn nötig, mahnt sie auch zur Konzentration: „Ihr müsst arbeiten. Mir ist wichtig, dass ihr nicht die ganze Zeit Smalltalk macht.“ Kirstin Stojadinovic (19) kommt aus Köln-Dellbrück täglich in die Bergische Kunstschule, wie die meisten Schüler wurde sie durch Mundpropaganda auf Ballendat aufmerksam. Sie bereitet sich auf ein Studium der Illustration vor – die Gestaltung von Zeitschriften und Plakaten gehört ebenso zum Berufsbild wie Webdesign. Wie die meisten in der Kunstschule arbeitet sie an einer Mappe mit Arbeitsproben für eine Bewerbung. Bei Ballendat sieht sie sich in guten Händen: „Sie weiß genau, was in die Mappe muss“, berichtet Stojadinovic. Durch die Anleitung komme sie künstlerisch weiter: „Ich merke, dass ich viel mehr Spaß am Zeichnen habe.“ Ballendat habe sie auch motiviert, zu experimentieren.

Marlene Fritsch (20), die ein Lehramtsstudium für Kunst anstrebt, besucht die Bergische Kunstschule schon ein knappes Jahr und hat ihre Mappe soeben an der Universität Essen eingereicht. Die Refratherin schätzt die guten Arbeitsmöglichkeiten bei Ballendat. Ein Lichttisch steht zur Verfügung, sie kann Linoldrucke fertigen und mit Ton arbeiten. Unfertige Arbeiten können tagelang stehenbleiben wie in einem Atelier. „Ich hätte das zu Hause gar nicht so machen können“, sagt Fritsch. „Es hat mir auch persönlich sehr viel gebracht“, stellt sie mit Blick auf das zurückliegende Jahr fest.

Ausdrucksformen getestet

Auch Carla Ruthmann (19) aus Bensberg, die Lehramt für Sonderpädagogik mit den Fächern Deutsch und Kunst studieren will, ist fast am Ende ihrer Zeit in der Bergischen Kunstschule angelangt. Ballendat habe ihr „Mut gemacht“ und ihr geholfen, nicht aufzugeben, berichtet sie. „Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch“, sagt Ruthmann. Mit Ballendats Anleitung habe sie auch Ausdrucksformen genutzt, die ihr nicht liegen, zum Beispiel das Zeichnen. Gerade dadurch habe sie sich fortentwickelt. Bei Jawad Philipps (20) war zunächst nicht klar, wohin sein künstlerischer Weg führen sollte. Jetzt will er bildender Künstler werden und hat eine Bewerbungsmappe eingereicht. „Ich wollte technisch und zeichnerisch weiterkommen“, sagt er zu seinem Ausgangspunkt, die Studienperspektive habe sich nach und nach herauskristallisiert.

Neben dem Gros der Schüler, die ein Studium anstreben, gibt es auch ein paar Freunde der Kunstschule, die Kunst als Hobby betreiben. Maria Pich aus Rösrath kommt seit 15 Jahren einmal wöchentlich nach Bergisch Gladbach, um künstlerisch zu arbeiten. Sie hat immer wieder neue Techniken ausprobiert, auch Angebote wie das Aktzeichnen mit Modell. Brigitte Vatter, ebenfalls aus Rösrath, ist der Kunstschule schon 20 Jahre treu. Zurzeit gestaltet sie mit Papier Strukturen auf einer Leinwand. Die Atmosphäre in der Bergischen Kunstschule sei „wesentlich spontaner und experimenteller“ als in einem Volkshochschulkurs, findet Musikerin Barbara Ruthmann, die seit einem halben Jahr die Kunstschule besucht.

Malerei und skulpturale Werke

Erstaunlich ist, dass Ballendat bei den vielen pädagogischen Impulsen noch Kraft zu eigener Kunst findet. 1976 machte sie Abitur, bis 1985 studierte sie an der Düsseldorfer Kunstakademie, seit 1988 betreibt sie die Bergische Kunstschule. Sie blickt auf zahlreiche Einzelausstellungen in vielen Städten zurück, auch die Villa Zanders widmete ihr 2006 eine Einzelausstellung. Seit langem verzichtet sie in ihren Arbeiten auf starke Farben, Flächen sind nicht voneinander abgegrenzt, sondern schälen sich auseinander heraus. Ballendat arbeitet mit Schichtungen – in Malerei und skulpturalen Werken. Dabei setzt sie oft Wachs, Papier oder Zellstoff ein. Auch Collagen sind in ihrem Schaffen häufig zu finden. Immer wieder dreht sich die Arbeit um Bilder von Menschen. Ballendat beschäftigt sich mit Alleinsein und Zusammensein, sie versucht, charakteristische Momente einzufangen.

www.bergische-kunstschule.de

KStA abonnieren