BienensticheSanftmütig, aber sehr giftig

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Bienenstiche kommen seltener vor als Wespenstiche.

Bienenstiche kommen seltener vor als Wespenstiche.

Bergisch Gladbach – Es ist wunderbar, ein, zwei Meter neben dem Bienenstock auf unserem Redaktionsbalkon zu stehen und dem Treiben zuzusehen. Auf mich wirkt das beruhigend. Doch bei vielen Mitmenschen lösen die Immen eine gegenteilige Empfindung aus, sie fühlen sich von den summenden Insekten bedroht. „Ich bin allergisch“, ist ein Satz, den ich in diesem Zusammenhang schon oft zu hören bekommen habe. Als Allergie wird allgemein eine körperliche Abwehrreaktion des Körpers bezeichnet. Doch manchmal frage ich mich, ob diese Aussage nicht eher Ausdruck einer undefinierbaren psychischen Abwehrreaktion ist – einer Angst vor Bienen.

Bienen werden seit Jahrzehnten gezüchtet. Ihre hervorstechendsten Eigenschaften: Sie geben viel Honig – und sie sind sanft. Deshalb ist es für viele Imker inzwischen selbstverständlich, ohne Schutzkleidung an den Bienenstöcken zu arbeiten. Verlässt eine Biene ihren Stock, hat sie nämlich nur ein Ziel: Nektar oder Pollen sammeln. Wir Menschen sind ihr egal. Nur wenn sie sich bedrängt oder angegriffen fühlt, sticht sie. Mein erster Stich kam völlig unerwartet. Ich arbeitete ohne besonderen Schutz an meinen Bienen. Auf einmal fühlte ich einen kurzen stechenden Schmerz zwischen Daumen und Zeigefinger. Ich hatte nicht bemerkt, dass dort eine Biene saß. Als ich den Daumen an die Hand legte, stach sie zu.

Es gibt für diese Fälle unzählige Hausmittel. Wichtig ist es, zunächst einmal den Stachel zu entfernen. Denn durch einen Widerhaken bleibt er stecken, meist mit dem Hinterteil der Biene, das das Gift weiter in die Haut pumpt. Die Biene bezahlt den Angriff auf die weiche menschliche Haut mit dem Leben. Manch einer versucht das Gift auszusaugen, andere streichen mit einer durchgeschnittenen rohen Zwiebel darüber, diverse homöopathische Mittel werden empfohlen oder Salben aus der Apotheke. Doch dass der Stich anschwillt, kann man dadurch meist nicht vermeiden.

Gestochen wurde ich nachmittags. Bis abends war die Hand dick. Am nächsten Morgen traute ich meinen Augen nicht. Die Schwellung ging bis zum Ellbogen hinauf, die Finger glichen dicken Würstchen und ließen sich fast gar nicht mehr beugen. Die Haut spannte. Das war unangenehm, doch diese Reaktion bewegte sich noch im Rahmen des Normalen, denn das Bienengift gehört zu den stärksten Giften in unseren Breiten. Das der Wespen ist dagegen noch lange nicht so giftig. Das ist auch besser so, denn sie sind wesentlich aggressiver als Bienen und stechen schneller zu. Das liegt auch daran, dass ihr Stachel keinen Widerhaken hat und der Angriff nicht tödlich für sie ist. Und obwohl Hornissen, die großen Schwestern der Wespen, durch ihre Größe und das laute Summen beängstigend wirken, ist ihr Gift am wenigsten stark. Zudem sind sie auch nicht angriffslustig.

„Mit der Zeit wirst du die Stiche nicht mehr spüren, und es wird danach auch nichts mehr anschwellen“, versprach mir ein Mitimker, als ich ihm meinen geschwollenen Arm zeigte. Im Verlauf meines ersten Imkerjahrs wurde ich noch zwei weitere Male gestochen. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass die Schwellungen nicht mehr so stark waren und auch die Wirkung nicht mehr so lange anhielt. Der erste Stich im zweiten Imkerjahr ging in die Fingerspitze des linken Mittelfingers. Ich hatte eine Biene übersehen, als ich ein Rähmchen aus der Beute zog. Die Schwellung war minimal und war innerhalb von zwei Tagen weg. „Jetzt bin ich aus dem Gröbsten raus“, dachte ich mir noch. Doch das war ein Trugschluss.

Wie so oft, begann es ganz harmlos. Eine Biene verfing sich in meinen Haaren, wurde panisch und stach zu. Ich ärgerte mich kurz, denn mit einer Kappe auf dem Kopf wäre das nicht passiert. Dann vergaß ich den Vorfall. Kurze Zeit später wunderte ich mich darüber, dass ich heiße Füße bekam. Auch die Hände fingen an zu glühen. Kaltes Wasser brachte keine Linderung. Zudem bekam ich quaddelartigen Ausschlag an Armen und Beinen, und der Puls stieg. Das war mir nicht geheuer. Doch wegen eines Bienenstichs einen Krankenwagen zu rufen, schien mir übertrieben. Deshalb bat ich eine Nachbarin, mich zur Notaufnahme zu bringen, denn fahrtüchtig fühlte ich mich auch nicht mehr. Als wir im Krankenhaus ankamen, sackte der Kreislauf weg. Dann ging alles ganz schnell. Sofort wurden mir zwei Zugänge gelegt, ich wurde an den Tropf gehängt und irgendetwas wurde in mich hineingespritzt. Daraufhin berappelt sich der Kreislauf relativ schnell, es folgte ein nicht zu kontrollierender Schüttelfrost. Nach zwei Stunden war der Spuk vorbei, als wäre nichts gewesen.

Ich hatte einen so genannten anaphylaktischen Schock als Reaktion auf das Bienengift erlebt. Infolge dessen weiten sich die Blutgefäße, wodurch lebenswichtige Organe schlechter durchblutet werden, und der Kreislauf zusammenbricht. Das kann im schlimmsten Fall zum Tode führen. „Sind Sie sicher, dass das kein Wespenstich war?“, wollte einer der Ärzte von mir wissen, denn damit haben die Mediziner im Sommer häufig zu tun. Allergische Reaktionen auf Bienenstiche sind dagegen nicht so häufig.

„Das liegt wahrscheinlich daran, dass Bienen seltener stechen“, sagte ein Dermatologe. Seiner Erfahrung nach handelt es sich bei den meisten Bienengiftallergikern um Imker. „Der Körper hat eine gewisse Toleranz gegenüber dem Gift. Meist wird nur bei Imkern, die häufiger gestochen werden, diese Menge überschritten, und damit wird die Allergie ausgelöst“, lautete seine Erklärung. Ich war schockiert. Und verunsichert. Sollte ich unter diesen Umständen noch weiter imkern? Unabhängig davon entschloss ich mich zu einer Desensibilisierung. Schließlich kann man ja überall gestochen werden, nicht nur am Bienenstock. Während einer Woche Krankenhausaufenthalt wurden mit täglich immer größere Dosen Bienengift gespritzt, um den Körper langsam an das Gift zu gewöhnen. Allerdings erst, nachdem ich ein Antiallergikum genommen hatte. Trotzdem schwollen die Oberarme auf die doppelte Dicke an. Damit der Körper diese erlernte Toleranz behält, bekomme ich in den nächsten vier Jahren alle sechs Wochen eine Dosis Bienengift gespritzt. Vorher muss ich immer noch eine Allergietablette einnehmen. Vielleicht werden die Ärzte in diesem Jahr testen, wie mein Körper auf das Gift reagiert, wenn ich kein Medikament genommen habe, das die körperliche Reaktion abpuffert. Auf jeden Fall werde wohl noch länger in den Sommermonaten ein Notfallset mit Spritze und Medikamenten bei mir haben müssen – für alle Fälle, denn schließlich nehme ich das Antiallergikum nicht täglich ein.

Aber trotz Allergie wolle ich schließlich doch nicht auf die Arbeit mit den Bienen verzichten. Nun steige ich also immer in einen extra angeschafften Imkeranzug, bevor ich an die Stöcke gehe. Das ist sehr lästig. Zudem sind die behandschuhten Finger nicht so sensibel. Und durch den Imkerhut mit Schleier kann ich auch keinen Honig aus den Waben naschen. Schade. Aber wenn ich ehrlich bin: Seit ich so geschützt zu den Bienen gehe, arbeite ich viel entspannter und ruhiger am Stock.

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