Böller-AttackenBewohner der Bockenberg-Siedlung leben in Angst vor Silvester

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Feuerwehreinsätze sind auch zu Silvester an der Reginharstraße keine Seltenheit.

Feuerwehreinsätze sind auch zu Silvester an der Reginharstraße keine Seltenheit.

Bergisch Gladbach – Seit rund einem Jahr ist die Bensbergerin Christiane Bertram in therapeutischer Behandlung. „Man hat mir in der Silvesternacht 2015 mein Leben gestohlen. 1900 Bücher sind in Flammen aufgegangen, und ein Zimmer ist komplett ausgebrannt“, sagt Bertram. Vor einem Jahr traf eine Silvesterrakete ihren Balkon im 15. Stockwerk einer Wohnanlage in der Reginharstraße.Sekunden später brannte ihre Wohnung. Die Ermittlungsakte der Polizei wurde später geschlossen, ein Schuldiger war nicht zu ermitteln.

Angst krieche in ihr hoch, wenn sie an den bevorstehenden Silvesterabend denke. Je näher der Jahreswechsel rücke, umso stärker komme die Erinnerung zurück. „Zweimal pro Nacht werde ich wach, denke an die furchtbaren Stunden vor einem Jahr“, sagt Bertram die sich seit Jahren in einer Friedensinitiative für Serbien ehrenamtlich engagiert.

Schwere Vorwürfe

Bertram, ihr Nachbar Dr. Bernd Röhlig und Nachbarin Noor Hameed erheben schwere Vorwürfe: Anwohner der Giselbertstraße und der Reginharstraße schlössen sich am Silvesterabend zu kleinen Gruppen zusammen und gezielt Raketen und Böller auf Balkone abfeuern und werfen. Hameed bestätigt dies.

Schon seit zehn Jahren habe die Hausgemeinschaft Angst vor der Silvesternacht. Röhlig: „Selbst wenn man den Personen, die Raketen abfeuern, keine Absicht unterstellt, ist es bei der engen Bebauung nicht zu verhindern, dass brennende Raketen auf Balkons landen.“ Gezielte Ansprache der Gruppe habe am Silvesterabend 2015 nicht dazu geführt, dass diese ihr Verhalten änderten. Sie hätten mutwillig weiter geböllert. Auch als die Wohnung im 15. Stockwerk schon gebrannt habe, habe die Gruppe weiter gezielt mit Raketen geschossen. Christiane Bertram: „Das sind keine harmlosen Jugendstreiche mehr, das sind kriminelle Aktionen.“

Die Rentnerin startete eine Unterschriftenaktion im Haus Reginharstraße 28 und den Nachbarhäusern. Ihre Forderung: Die Stadt solle das Abschießen von Raketen in dem eng bewohnten Hochhausgebiet verbieten. Falls dies nicht durchsetzbar sei, beantragen die Anwohner mehr Präsenz von Polizei oder Ordnungskräften. Wenn eine öffentliche Gefährdung absehbar sei, müsse Kommune und Kreispolizeibehörde reagieren. Nach 160 gesammelten Unterschrift brach Bertram die Sammlung ab: „Immer wieder war ich gezwungen, über die furchtbaren Erlebnisse zu sprechen. Das war für mich einfach zu viel.“

Hilferuf an Bürgermeister Lutz Urbach und Landrat Dr. Hermann-Josef Tebroke

Vor wenigen Tagen schickte Bertram, im Namen vieler Hausbewohner, die Unterschriften und einen Hilferuf mit den Forderungen der Bewohner an den Bergisch Gladbacher Bürgermeister Lutz Urbach und Landrat Dr. Hermann-Josef Tebroke. „Wir werden die Wünsche der Bewohner der Siedlung Bockenberg natürlich prüfen. Aktuell haben wir den Brief allerdings noch nicht erhalten und können noch nichts zum Inhalt sagen“, erklärte Stadtsprecher Martin Rölen am Dienstagnachmittag. Die Stadtverwaltung empfiehlt den Bewohnern der Wohnanlage, alle brennbaren Materialien in der Silvesternacht von den Balkons zu nehmen. Auch die Polizei rät, alles Brennbare vom Balkon zu schaffen und Fenster und Türen zu schließen. „Bei dem Brand in der Silvesternacht 2015 handelte es sich um einen bedauerlichen Einzelfall. Das Wohngebiet im Stadtteil Bockenberg ist kein krimineller Schwerpunkt“, sagt Polizeisprecher Richard Barz. Allerdings werde die Polizei die Situation am kommenden Silvesterabend mit verstärkten Kräften im Auge behalten.

Ein Einzelfall sei dies keineswegs, erklärt Bernd Röhlig. Er wohne seit rund 20 Jahren in der Anlage und könne sich an mindestens vier Brände in den Silvesternächten erinnern. In der Wohnanlage kursiert hartnäckig das Gerücht, ein Anwohner habe aus lauter Not vor Jahren zur Selbstjustiz gegriffen. Mit einem starken Wasserstrahl soll er die mutwilligen Feuerwerker von der Straße vertrieben haben.

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