Eklat im RatKleine Fraktion, großer Verdienstausfall – fünfstellige Summe gefordert

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Sitzung im Ratssaal Bensberg: Die Fraktion Linke/Bürgerpartei GL machte besonders hohe Entschädigungsforderungen geltend.

Sitzung im Ratssaal Bensberg: Die Fraktion Linke/Bürgerpartei GL machte besonders hohe Entschädigungsforderungen geltend.

Bergisch Gladbach – Die Mitglieder der Fraktion Linke/Bürgerpartei GL sind bei den Entschädigungs- und Ausfallzahlungen für ihre politische Arbeit absoluter Spitzenreiter (siehe Tabelle). Insbesondere beim Verdienstausfall spielen die Mitglieder dieser Fraktion eine Sonderrolle.

38 960,80 Euro wurden von der kleinsten – dreiköpfigen – Fraktion in der Zeit von Dezember 2015 bis November 2016 an Sitzungsgeld angefordert. Alle anderen der insgesamt 62 Ratsmitglieder zusammen machten 8352 Euro geltend.

Die Gladbacher Verwaltung machte diese Tabelle nach einer Anfrage der Grünen öffentlich. Die Politiker aller Parteien zeigten sich fassungslos: Was als Ehrenamt gedacht sei, werde – so der Vorwurf – als Geschäftsmodell benutzt.

Der Streit um die offengelegten Zahlungen der Fraktion Linke/Bürgerpartei GL ist der derzeitige Höhepunkt einer Dauerfehde. Die Fronten sind dabei klar: auf der einen Seite die drei Mann starke Fraktion, auf der anderen Seite der komplette Rat und die Stadtverwaltung.

Bürgermeister Lutz Urbach (CDU) bezeichnet die Fraktion Linke/Bürgerpartei GL als „Zumutung“. Derzeit stelle die Fraktion vier bis fünf Anfragen pro Woche. Die Verwaltung hat schon im Juni 2015 vorgerechnet, dass durch die Flut der Anträge eine Arbeitskraft für mehrere Wochen gebunden sei.

Frank Samirae, Vorsitzender der Bürgerpartei GL, hat außerdem mehrere Prozesse gegen die Stadt geführt. So hat er sich zum Beispiel im Dezember 2015 das Recht erstritten, eine Haushaltsrede zu halten.

Damals gab es noch nicht die Fraktion Linke/Bürgerpartei GL, und Samirae kämpfte erfolgreich dafür, auch als Fraktionsloser diese Rede zu halten. Er prozessierte zudem für einen „zeitgemäßen“ Internetzugang, Schallschutz oder eine abzuschließende Tür.

Die Politiker der anderen Parteien zeigen sich hilflos. Dr. Johannes Bernhäuser, langjähriges CDU-Ratsmitglied und für seine auf Ausgleich bekannten Wortbeiträge bekannt: „Noch nie hat es im Bergisch Gladbacher Rat eine vergleichsweise Situation gegeben.“

Schlammschlachten im Internet

Im Rat und in den Ausschüssen schwanken die Kommentare zwischen wütenden Beschimpfungen und demonstrativem Schweigen. Immer wieder heißt es: „Es ist eine Schande, dass ihre Wähler nicht sehen, was sie hier treiben.“ Und im Internet werden in verschiedenen Foren wahre Schlammschlachten veranstaltet.

Hauptsatzung geändert

Nach Bekanntgabe der in Anspruch genommen Verdienstausfälle hat die Stadt Bergisch Gladbach ihre Hauptsatzung geändert. Nun soll es den Ratsmitgliedern der Fraktion sowie deren sachkundigen Bürgern – das sind Mitarbeiter für die Ausschüsse – zumindest erschwert werden, Geld aus der Stadtkasse zu beziehen.

Selbstständige müssen zum Beispiel in Zukunft „unaufgefordert und unverzüglich“ ihren Einkommensteuerbescheid schriftlich vorlegen und so ihre Einkünfte aus selbstständiger Arbeit glaubhaft machen. Die neue Satzung wurde mit den Stimmen aller Faktionen angenommen – nur die Linke/Bürgerpartei stimmte dagegen.

Auf die Anfrage dieser Zeitung, wie es zu den hohen Verdienstausfällen komme, antwortete der Pressesprecher der Bürgerpartei GL, Dr. Alfons Adler, schriftlich: „Wir sind die einzige kleine Fraktion, die mit zahlreichen Initiativanträgen die Gladbacher Politik aktiv mitgestaltet und die Verwaltung kritisch kontrolliert. Gerade bei kleinen Fraktionen und besonders bei unserer Fraktion beschränkt sich die Arbeit auf wenige Personen.

In unserer Fraktion liegt der Anteil selbstständiger Fraktionsmitglieder bei fast 60 Prozent, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit ihrem persönlichen Einsatz verdienen. Wir können zudem nicht wie die großen Parteien auf Ressourcen in Verwaltung und Wirtschaft zurückgreifen. Dieses Defizit können wir nur durch zeitintensivere Arbeit ausgleichen.“

Die Bürgerpartei GL errang 2014 mit 818 Stimmen ein Ratsmandat. Die Linken kamen auf drei Sitze – zwei von ihnen arbeiten mit der Bürgerpartei zusammen und bilden mit dieser Partei eine Fraktion.  Samirae hat inzwischen Bürgermeister Lutz Urbach aufgefordert, die Änderung der Hauptsatzung zu beanstanden, weil sie rechtswidrig sei.

Hinweis: In einer früheren Form berichteten wir fälschlich, dass Samirae gegen die Änderung der Hauptsatzung eine Klage eingereicht habe. Eine Ungenauigkeit, die wir bedauern.

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