Ingrid Koshofer zeigt ihr ZuhauseSchildgen - Das zweigeteilte Dorf am Stadtrand

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Freundin Resi Hembach (l.) kümmert sich um die Pflege des Dorfplatzes und sucht dringend Unterstützung. Wer helfen möchte, kann sich telefonisch bei ihr melden unter (02202) 82600.

Freundin Resi Hembach (l.) kümmert sich um die Pflege des Dorfplatzes und sucht dringend Unterstützung. Wer helfen möchte, kann sich telefonisch bei ihr melden unter (02202) 82600.

Bergisch Gladbach – Unter dem Motto „Das ist mein Zuhause“ stellen prominente Bürger den Stadtteil oder das Dorf vor, in dem sie leben. Sie nehmen uns mit auf einen Rundgang zu ihren Lieblingsplätzen und zu kritischen Punkten.

Vor 40 Jahren war Schildgen ein richtiges Dorf

Als Ingrid Koshofer vor über 40 Jahren aus Mülheim an der Ruhr nach Schildgen zog, sagten ihre Freunde: „O Gott, aufs Land!“ Tatsächlich war Schildgen in den 70er Jahren noch ein richtiges Dorf, das zu Odenthal gehörte.

Heute ist es ein Stadtteil von Bergisch Gladbach, Ingrid Koshofer ist immer noch da und möchte nicht mehr weg. In der Zwischenzeit ist die FDP-Politikerin und langjährige Vize-Bürgermeisterin sogar so etwas wie die Patin von Schildgen geworden.

Der Dorfplatz zum Beispiel ist ein Ort, der für sie eine Bedeutung hat. „Hier war früher die Hinrichtungsstätte“, berichtet Koshofer, die als neugierige Zugezogene schnell mehr über die Historie wusste als mancher Einheimische.

Jahrzehntelang war der Hinterhof der Herz-Jesu-Kirche eine Brache. Doch steter Tropfen höhlte den Stein, so dass die Stadt vor zwei Jahren den frisch geputzten Auguste-und-Fritz-Fuchs-Platz an die Schildgener übergeben konnte, benannt nach einem einheimischen Ehepaar, das jüdische Mitbürger versteckt hatte.

„Der Weiden” ist der Nahversorger des Orts

„Jetzt hat Schildgen endlich eine Mitte“, jubelt „die Ingrid“, wie ihre Freundin Resi Hembach sie begrüßt. Die Gärtnerin mäht freiwillig den Rasen, Ingrid rupft Unkraut, „aber schreiben Sie, dass wir dringend Unterstützung suchen“, ruft Resi Hembach noch, als wir uns auf den Weg „zum Weiden“ machen, am Bürgerzentrum vorbei.

„Der Weiden“ ist der Nahversorger des Orts, Dreh- und Angelpunkt für Einkauf und Kommunikation – wie in vielen dörflich geprägten Stadtteilen, die zumindest einen Teil ihrer Struktur ins Heute herüberretten konnten.

Bevor Ingrid Koshofer in ihr grünes Cabrio steigt, deutet sie auf die gegenüberliegende Straßenseite: „Ins Café Himmel un Ääd gehe ich gern, die servieren tolle Drinks und Kuchen.“ Auch Konzerte, Ausstellungen und vieles mehr stehen auf dem Programm. Das Café wird betrieben von einem ökumenischen Verein – in dem Ingrid Koshofer selbstverständlich Mitglied ist.

Ausgehtipps in Schildgen: Gertrude Steffens verkauft Biogemüse und Saatgut in ihrem kleinen Laden – laut Ingrid Koshofer „der Knaller“. Im Café Himmel un Ääd bewirten Ehrenamtler ihre Gäste mit Leckerem, Herz und Kultur – „ein echter Gewinn“. Im Elisenhof gibt es „Essen wie zu Ommas Zeiten“. In den Dessous-Laden Ferk „kommen die Leute aus der ganzen Gegend“.

Auch nach ihrer aktiven Zeit als Kommunalpolitikerin mischt sie sich ein. „Ich kann nicht anders“, sagt sie lachend. „Ich muss immer was tun.“ Wie am Concordiaplatz vor der Grundschule, der so verwildert war. Jetzt stehen Bänke am gepflegten Rasen, ein Findling erinnert an den gleichnamigen Männergesangverein des Ortes.

„Manchmal haben die Kinder hier Unterricht oder singen“, erzählt Koshofer stolz. An Fronleichnam gab es einen Festgottesdienst unter freiem Himmel.

Der Stadtteil ist seit jeher als Wohnviertel begehrt

„Schildgen ist größer als man denkt“, sagt Koshofer. Früher war das Gebiet ein Refugium für die wohlhabenden Städter aus Leverkusen und Köln, die auf den Erhebungen Villen bauten.

Auch die Koshofers kamen her, weil Ehemann Gerd bei Agfa arbeitete. Immer noch ist der Stadtteil als Wohnviertel begehrt. „Die Preise steigen weiter“, beobachtet Koshofer, die ein kleines Reihenhaus am Waldrand bewohnt. Nur wenige Meter entfernt beginnt der dichte Forst, in dem die alten Forellenteiche des Hoverhofs liegen.

Das Gut war um 1930 Landsitz des Braunkohle-Barons Paul Silverg, wo sich die wichtigen Unternehmer und Politiker der Region trafen, von Thyssen, Siemens bis Adenauer. „Früher sind meine Kinder hier Floß gefahren“, erinnert sich die dreifache Mutter. Die Teiche sind versumpft.

„Mein Mückenparadies“, sagt Ingrid Koshofer und überlegt schon, wie man die Gewässer wieder frei kriegen könnte. Trotzdem sitzt sie gerne hier auf „ihrer“ Bank und blickt den Golemich hinunter, einen dunklen Lehmpfad, der heute wie einst nach Odenthal führt. „Wunderbare Wildnis“ nennt die Familie ihre grüne Hölle vor der Haustür.

Der Schwerlastverkehr teilt den Ort in zwei Teile

Die andere Hölle herrscht an der Altenberger-Dom-Straße, wo seit der Schließung der Leverkusener Autobahnbrücke für Schwerlaster der Durchgangsverkehr weiter zunimmt.

Ingrid Koshofer sitzt auf der Terrasse der Eisdiele Pol und muss schreien, um die Lkw zu übertönen, die im Minutentakt über die Kreuzung die Leverkusener Straße donnern.

„Bermudadreieck“, ruft sie der nicht abreißenden Wagenkolonne zu und lobt die Verkehrsinitiave junger Familien, die sich gerade gegründet hat. „Wir sind durch diese gefährliche Achse ein geteilter Ort geworden.“ Doch was kann man tun? Untertunnelung, Umgehung, Kreisverkehr geistern durch die Debatte. Realistisch scheint nichts davon.

Dass Ingrid Koshofer dieses „an den Rand gedrängte Stückchen Stadt“ weiter liebt, liegt an den Menschen und Mitstreitern, die für Lebensqualität sorgen und dafür, „dass man hier alles bekommt, ohne in die City zu müssen“.

Zur Person Ingrid Koshofer ist in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen. 1973 kam sie mit ihrem Mann Gerd nach Schildgen, weil dieser bei Agfa in Leverkusen beschäftigt war. Das Paar hat drei Kinder. Seit 1989 ist Koshofer Mitglied der FDP und hat den Ortsverband Bergisch Gladbach 15 Jahre lang geführt. Bis 2014 war sie stellvertretende Bürgermeisterin. Sie engagierte sich unter anderem für die Benefizauktion „Kunst tut gut“, das Max-Bruch-Festival, die Initiative „Musik in den Häusern der Stadt“ und den Erhalt der Fossiliensammlung.

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