KalkbahnLokomotive vor dem Bergischen Museum erinnert an Industriegeschichte

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Die letzte Fahrt: Am 11. Januar 1979 – es lag noch Schnee – wurde die Kalkbahn ein letztes Mal eingesetzt.

Die letzte Fahrt: Am 11. Januar 1979 – es lag noch Schnee – wurde die Kalkbahn ein letztes Mal eingesetzt.

Bergisch Gladbach – Wer in den 60er- und 70er-Jahren als auswärtiger Schüler das Gladbacher Cusanus-Gymnasium besuchte, musste vom Busbahnhof 20 Minuten den Berg hochlaufen. Der Busbahnhof befand sich dort, wo sich jetzt der Verkehr im Kreisel Schnabelsmühle dreht. Die Paffrather Straße, die die Schülerprozession allmorgendlich entlang zog, sah erheblich anders aus als heute: Vor allem die linke Seite war von drei Fabrikfronten geprägt. Dort lagen die Firmen Berger, Cox und Köttgen, die sich bis zum Stadion erstreckten.

Die Maschinenfabrik Berger, auf Höhe der jetzigen Rhein-Berg-Passage, stellte sich als eine grau eingestaubte hohe Ziegelwand ohne Tore dar, die Rückseite der Fabrikhalle, deren Eingänge sich unten am Bahnhof befanden.

Gleise am Schulweg

Das Köttgengelände, auf dem Hebefahrzeuge gebaut wurden, war ebenfalls von einer grauen Umfassungsmauer eingefriedet, über die man nur die Dächer niedriger Gebäude erkennen konnte. Auch hier lag der Eingang auf der anderen Seite. Zwischen den beiden Metallverarbeitern befand sich das Kalkwerk Cox, letzter Vertreter einer in Gladbach alteingesessenen Industrie, von Bäumen abgeschirmt, von Berger durch die Jakobsstraße getrennt, die hier steil den Berg hinaufführte. Über die Baumwipfel ragte nur die Spitze eines turmartigen Schüttgutbunkers oder Silos für Dolomit heraus.

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Auf der rechten Seite der Paffrather Straße gegenüber zog sich eine Zeile von kleinen, damals schon baufälligen Fachwerkhäusern die Straße entlang, gefolgt von einem Kiosk, der für die Schüler von größtem Interesse war, denn da gab es Süßigkeiten und Comics. Dahinter kam das ehemalige Maschinenhaus der Firma Cox, deren Betriebsgelände durch die Paffrather Straße geteilt wurde: ein kleines Haus aus der Jugendstilära, 1989 abgebrochen.

Und endlich kam eine Baulücke, kurz vor der Einmündung der Reuterstraße, die etwa der Grenze zwischen Köttgen und Cox gegenüberlag. Hier querten die Gleise eine Schmalspurbahn den Schulweg. Die Spurweite betrug 60 Zentimeter, die Schienen kamen von rechts aus dem Steinbruch Marienhöhe und führten ins Kalkwerk hinein.

Ursprünglich transportierte die Bahn Kalksteinbrocken aus dem Steinbruch zu den Kalköfen an der Jakobstraße. Zuerst hatte man dafür eine Seilbahn eingesetzt, aber um 1910 wurde diese durch eine Feldbahn ersetzt. Solche Industriebähnchen waren damals in Gladbach und Umgebung nicht selten, vor allem auf den Gruben wie Berzelius und Weiß waren sie Usus. Aber Mitte der 50er-Jahre wurde der Steinbruch Marienhöhe geschlossen, und 1958 wurden die Kalköfen an der Jakobstraße zum letzten Mal angefeuert.

Danach war das Kalkwerk nur noch eine Dolomitaufbereitungsanlage. Dolomit, ein Kalkgestein wechselnder Qualität, wurde in Gladbach zum Teil (und in der Grube Krämer in Hebborn bis in die Gegenwart) als Schotter für den Straßenbau gewonnen, in reinerer Güteklasse aus dem Tagebau am Lerbacher Wald in Lückerath auch für die Glasherstellung. Die Dolomitaufbereitung an der Paffrather Straße war noch bis 1987 in Betrieb. Da hatte das Bähnchen seien letzte Tour aber schon lange hinter sich. Die fand am 11. Januar 1979 bei nasskaltem Schneewetter statt. Damals transportierte die Bahn hauptsächlich Dolomit von der Aufbereitungsanlage zum Bahnhof. Die Gleisstrecke lief am Rand der neuen Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße entlang, die nach Schließung der Jakobstraße beim Bau des Busbahnhofs und des Parkhauses Paffrather Straße zwischen Cox und Köttgen zur Reuterstraße durchgebaut worden war.

Heute steht die Lokomotive, die den Zug mit den Loren voll Dolomit und Kalksteinbrocken zum Kalkofen und zum Ladegleis schleppte, vor dem Bergischen Museum für Bergbau, Handwerk und Gewerbe in Bensberg. Die Lok ist wetterfest lackiert und fest im Boden verankert, damit sie sich nicht selbstständig macht und den Burggraben hinunterrollt. Und so steht sie dort seit Jahren und erinnert in Bensberg an die Gladbacher Kalkindustrie. Die meisten halten sie daher wohl auch irrtümlich für eine Grubenbahn aus dem Bensberger Bergbaurevier.

Historische Fotos

Doch jetzt wird auch in Alt-Gladbach an das Kalk-Bähnchen erinnert. Am Gladbacher S-Bahnhof, nicht weit von der Fußgängerzone entfernt neben dem Denkmal der historischen Kalköfen, kann man sich nun über das Kalkwerk Cox schlau machen, und zwar mittels einer neuen Informationstafel, die der Stadtentwicklungsbetrieb anbringen ließ. Illustriert ist die Tafel mit historischen Fotos der noch in Betrieb befindlichen Öfen sowie einem Lageplan mit den umliegenden Firmengebäuden aus dem Jahr 1903, außerdem mit einem Gruppenbild der Belegschaft von 1955. Die Gestaltung übernahm Stadtgrafiker Heiko Thurm, den Text steuerte Stadtarchivar Dr. Albert Eßer bei.

Für Gabriele Malek-Przemus vom SEB ist das ein Baustein zur Steigerung der Attraktivität der alten Kalkstadt Bergisch Gladbach: „Die Informationen sind auch für Gäste unserer Stadt interessant. Reisende, die mit der S-Bahn ankommen, stolpern förmlich über die auffälligen Bauwerke.“ Meistens werden sie für Festungsreste gehalten. Nun kann man sich aufklären, dass die grobgemauerten Bögen keine Fortifikation darstellen, sondern Gewerbefleiß verkörpern. Neben den Mühlen der Strunde und den Schächten der Zink- und Bleibergwerke stellt die Kalkindustrie die dritte Säule der heimischen Industriegeschichte dar.

Das Kalkwerk Cox

Jakob Cox gründete im 19. Jahrhundert einen Betrieb zur Kalkbrennerei, zunächst in Hand, später in der Stadtmitte. Cox, Tuchhändler in Köln-Mülheim, nahm 1832 die Kalköfen in Betrieb; die Öfen an der Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße stammen aus den 1850er-Jahren. Das Rohmaterial wurde unter anderem an der Marienhöhe abgebaut. 1895 beschäftigte der Betrieb 45 Mitarbeiter.

Die Familie Szymkowiak übernahm 1927 das Werk und führte es bis 1987. In diesem Jahr endet die Dolomitverarbeitung im Kalkwerk. Seitdem stehen die Kalköfen unter Denkmalschutz, 2007 wurden sie restauriert und seit Dezember 2016 sind sie abends beleuchtet. (gf)

Die Gleisanlage

Spurweite: 600 Millimeter

Strecke ab Bahnhof: Von der Werkbahn unterfahrene Verladeanlage neben einem normalspurigen Gleis des Bahnhofs Bergisch Gladbach (an dessen nordwestlichem Rand); nach Überquerung der Jakobstraße: Gleis in Seitenlage der Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße, dort auch eine weitere Zugbeladung (Schütteinrichtung mit hochgelegener LKW-Zufahrt); nach Kreuzung der Paffrather Straße: Einfahrt ins Cox-Areal zwsichen Marienhöhe, Reuterstraße, Im Aspert, Hornstraße, Friedhof, Röntgenstraße; 1978/79 Einstellung des Bahnbetriebs (wegen Straßenverbreiterung); 1983 Abbruch der Verladeanlage am Bahnhof. (gf)

Die Lokomotiven

Deutz Typ C XIV F, 1922 geliefert, um 1960 verschrottet.

KHD Typ MLH 220, Baujahr 1942, gebraucht gekauft von der Gelsenberg-Benzin AG, Gelsenkirchen, Gewicht: 4,5 Tonnen, Länge über Puffer 2,70 Meter, Breite über Rahmen 81 Zentimeter, Höhe über Schiene 1,30 Meter, Motor: Einzylinder-Viertakt-Diesel, Leistung 18 PS, Tempo: 7,6 Stundenkilometer, steht vor dem Bensberger Museum.

KHD Typ A2M514, gebraucht gekauft 1971 aus der Grube Peißenberg der Bayrischen Berg-, Hütten- und Salzwerke AG, Leistung 20 PS, Geschwindigkeit 13,2 Stundenkilometer, 1978 abgestellt, Seit 1990 in Privatsammlung. (gf)

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