LaurentiusviertelIm Stundentakt durch dunkle Kanäle

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Bei Rundgängen durch die neuen Regenwasserkanäle werden den Besuchern die technischen Details erklärt.

Bei Rundgängen durch die neuen Regenwasserkanäle werden den Besuchern die technischen Details erklärt.

Bergisch Gladbach – Der Schritt in den Untergrund fällt nicht jedem leicht. Gähnende Schwärze empfängt den Besucher in dem neuen Kanal unter dem Buchmühlengelände, ein leichter Geruch von Abwasser steigt in die Nase. Wenn es regnet, ist das hier der Vorhof zur Hölle.

Zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde können durch die Betonröhren abgeleitet werden, erklärt Martin Reddemann und bemüht angesichts der hohen Anzahl weiblicher Interessenten einen Vergleich aus dem Haushalt: „Stellen Sie sich 10 000 Milchpacks pro Sekunde vor.“ Das macht die Aussicht auch nicht verlockender.

Nach einem richtigen Sommergewitter jedenfalls ist die Riesenröhre zu 90 Prozent gefüllt – bei der Baustellenführung ist es zum Glück trocken. Nur das unaufhörliche Gurgeln irritiert einige Besucher.

Projekt für Hochwasserschutz

Das kommt von der freigelegten Strunde, die umgepumpt und in Feuerwehrschläuchen über die Baustelle gelegt wird. „Strunde hoch vier“ nennt sich die Baumaßnahme, die Autofahrer in der Innenstadt zuweilen auf 180 bringt und einigen Geschäftsleuten, vor allem im Laurentiusviertel, auch ohne einen Tropfen Regen das Wasser bis zum Hals stehen lässt, weil die Kunden ausbleiben.

Für 25 Millionen Euro wird der Hochwasserschutz verbessert, und dass dies dringend notwendig ist, sehen alle ein. Von der oberen Hauptstraße aus zieht es sich über das Buchmühlengelände durch den Forum-Park bis aufs Zanders-Gelände.

Mitte 2018 soll alles fertig sein; für die Händler sei aber schon in einem Jahr das Schlimmste geschafft, versichert Daniela Reuscher im Baubüro. Am Ende sind 1,4 Kilometer Kanal verlegt; 15 000 Tonnen wiegt das unterirdische Bauwerk.

Sind die Kraterlandschaften wieder zugeschüttet, folgt die Oberflächengestaltung durch das Förderprogramm Regionale 2010.

Um die Baustelle einen Tag lang für die Öffentlichkeit begehbar zu machen, wurde extra eine stabile Treppe gezimmert. Stündlich gab es Führungen. „Alle Achtung, dass die Baufirma und der Strundeverband das ermöglicht haben. Das ist schon sehr ungewöhnlich“, lobt Tessa Hahn.

Tunnelführung durch die Kanäle

Die Regionaldirektorin der Kreissparkasse Köln kommt gerade mit Bauhelm aus dem Untergrund. Auch Bürgermeister Lutz Urbach nutzt die Gelegenheit, sich seine Stadt einmal von unten anzusehen. Im Baubüro ist Tag der offenen Tür.

Es gibt Imbiss und Getränke und jede Menge Informationen von Projektsteuerer Ralf Müller-Knöchelmann, Strundeverbandsvorsteher, und Fachbereichsleiter Michael Kremer sowie von den „Kanalführern“, zu denen auch Sebastian Höller gehört.

Hundesitting gehört zum Service. Marianne Weckert hat sich entschieden, Labi-Mops-Mix Elly (5) im Baubüro zu lassen, während sie den Kanal inspiziert. Nach 50 Metern in der Tiefe hindert eine Mauer die Gruppe am Weiterkommen. Die Mauer soll das Wasser zurück- und den Rest der Baustelle trockenhalten wenn es regnet.

Wie hoch es hier schon gestanden hat, lässt sich an den Rückständen an den Wänden ablesen. Die Aussicht, dass es hier Licht am Ende des Tunnels und einen Not-Ausgang nach oben gibt, beruhigt irgendwie.

Der Rückweg führt trotzdem durch den Kanal – ein bisschen zu langsam für den Zeitplan, aber Peter Weckert weiß, wie man motiviert: „Es fängt an zu regnen“, ruft der Baufachmann schmunzelnd. Jetzt haben es alle plötzlich eilig.

Händler mit Zweckoptimismus

Die Händler ergehen sich derweil in Zweckoptimismus. Aus dem Bausand wurde kurzerhand ein Sandstrand geformt, Tessa Hahn besorgte Liegestühle. „Shoppen und Chillen“ war angesagt im Laurentiusviertel mit Late-Night-Shopping und außergewöhnlicher Möblierung mit Sofa und Sandkasten in der Fußgängerzone. Am City-Strand gab’s Live-Musik und Cocktails.

„Wir wollen zeigen, dass es hier immer noch liebenswert ist und man hier gut einkaufen kann“, sagt Ulrich Lenz vom Schuhhaus Werheit. Auch rund um die VHS ist viel los. Besucher können mit dem Baustellenbagger Eimer versetzen oder beim Technischen Hilfswerk mit dem Kran per Joystick Reifen stapeln.

Das THW demonstriert zudem, wie Keller ausgepumpt werden. Vor dem VHS-Haus ist der Tisch gedeckt mit Obst und Getränken; Kurse locken zum Mitmachen. Fotografin Simone Ebers hat mit Assistentin Tanja spontan ein Outdoorstudio aufgebaut.

Ulrich Lenz bringt die Aktion nebenbei noch eine wichtige Erkenntnis: „Als um 21 Uhr die Schaufensterbeleuchtung ausging, ist uns erst aufgefallen, dass wir vergessen hatten, den Timer auf Sommerzeit zu stellen.“

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