MangelNachmittags-Betreuung in Rhein-Berg stößt an ihre Grenzen

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Symbolbild

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Bergisch Gladbach – Städte und Gemeinden im Rheinisch-Bergischen Kreis stoßen beim Thema Nachmittags-Betreuung in Grundschulen an ihre Grenzen. Besonders groß ist der Mangel in Bergisch Gladbach. Wir haben mit einer verzweifelten Mutter aus Schildgen gesprochen. Für sie ist das Betreuungsplatz-Problem doppelt groß: Sie hat Zwillinge.

Simone Menzel, 43 Jahre alt, ist von Beruf seit 25 Jahren Polizeibeamtin, arbeitet im Schichtdienst, lebt vom Vater ihrer drei Kinder getrennt.

Die beiden Jüngsten, die Zwillinge Levi und Linus, freuen sich darauf, im Sommer auf der Concordia-Schule eingeschult zu werden. „Bei mir ist die Vorfreude in pures Entsetzen und Wut umgeschlagen“, sagt Menzel. Denn beim Roulette um einen Betreuungsplatz ist sie leer ausgegangen: Ihre Kinder sind beim Losverfahren der Offenen Ganztagsschule (OGS ) nicht gezogen worden.

Für Simone Menzel, Polizeibeamtin im Schichtdienst, ist das Betreuungsproblem doppelt so groß: Für ihre Zwillinge braucht sie zwei Plätze an einer Offenen Ganztagsschule.

Für Simone Menzel, Polizeibeamtin im Schichtdienst, ist das Betreuungsproblem doppelt so groß: Für ihre Zwillinge braucht sie zwei Plätze an einer Offenen Ganztagsschule.

„Ich weiß absolut nicht, wie ich das Problem lösen soll“, schildert sie ihre ausweglose Situation. Die Polizistin arbeitet im Streifendienst. Der Vater, selbstständiger Handwerker, kann seine Söhne auch nicht um 13.30 Uhr von der Schule abholen. Großeltern in der Nähe, die Levi und Linus betreuen könnten, gibt es nicht. Simone Menzel fühlt sich im Stich gelassen. „Was soll ich denn noch für Härtepunkte anführen?“, fragt sie. Sie sei so naiv gewesen, zu glauben, dass man als berufstätige, alleinerziehende Mutter im Schichtdienst auf jeden Fall einen OGS-Platz erhalte. „Jedes Mal, wenn ich die Uniform anziehe, riskiere ich mein Leben für dieses Land,“ sagt sie – auch wenn das ein bisschen pathetisch klinge. „Und dann muss ich trotzdem darum kämpfen, alles unter einen Hut zu bringen.“

Ihrer Enttäuschung über die Absage hat sie sich Luft gemacht: in einem Brief an Bürgermeister Lutz Urbach und NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Eine Reaktion liegt noch nicht vor. Simone Menzel hat, betont sie nachdrücklich, sich nicht für sich allein beschwert. Sondern ebenso für alle anderen Betroffenen: „Hier werden Existenzen aufs Spiel gesetzt.“ Eltern stünden plötzlich wieder vor der Frage, wer von ihnen zu Hause bleibe, um die Kinder zu versorgen. Für Menzel stimmt grundsätzlich etwas nicht am System: „Es gibt einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, und dann kommt das große Loch.“

„Mir sind die Hände gebunden“

„Klar, ich verstehe die Situation der Eltern sehr gut. Ich würde gerne helfen, aber mir sind die Hände gebunden“, bedauert Jörg Schwagereit, Leiter der OGS an der Concordia-Schule. Träger ist die Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen. Aber er habe Vorgaben. Zum einen sind das die Kriterien, nach denen in Gladbach Plätze für ein außerschulisches Angebot vergeben werden. Zum Beispiel, ob das Kind auf die dazugehörige Grundschule geht, ob ein Geschwister die OGS besucht, ob beide Eltern berufstätig sind oder die soziale familiäre Situation.

Nach jetzigem Stand hat Schwagereit für elf Kinder keinen Platz. Obwohl sie alle wie Simone Menzel die Kriterien erfüllen. Insgesamt können 120 Mädchen und Jungen aufgenommen werden. „Mehr geht nicht, sonst würde das pädagogische Konzept leiden.“ Weil es so schwierig sei, auszuwählen, wer einen Platz bekomme, habe seine OGS sich für das Losverfahren entschieden. „Wir wollten nicht eine Notlage gegen die andere abwägen.“ Die OGS in Katterbach hingegen, zweite Grundschule in Schildgen, prüft im Team die jeweilige individuelle Situation. Um die Not zu lindern, bekommen dort diesmal sogar 125 Kinder einen Platz, fünf mehr als vorgesehen. „Nur noch ein Kind steht auf der Warteliste“, sagt OGS-Leiterin Michaela Bohlmann.

Die Stadtverwaltung führt an, dass die die Versorgungsquote bei guten 64 Prozent liege. Simone Menzel sind die Zahlen egal. Sie ist eine Mutter, die sich fragt, wann sie jemals ihre Zwillinge gut betreut haben wird, während sie arbeitet. Denn bekommt man in diesem Jahr keinen Platz, muss man sich für 2017 neu anmelden – und dann werden die Erstklässler bevorzugt: „Die Chance, einen Platz zu bekommen, geht dann gegen null.“

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