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MusikKräftige Stimmen in der Fußgängerzone

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Straßenmusik als Hobby: Christina Balsam hat es in der Bergisch Gladbacher Fußgängerzone ausprobiert.

Straßenmusik als Hobby: Christina Balsam hat es in der Bergisch Gladbacher Fußgängerzone ausprobiert.

Bergisch Gladbach – Wenn zarte Gitarrenklänge und kräftige Stimmen durch die Gladbacher Innenstadt wehen, dann sind es fast immer Annina Walter (18) und Melina Boemer (17), denn Straßenmusik ist ihr größtes Hobby. Seit 2008 spielen die beiden zusammen und das fast immer zweistimmig. An diesem Tag jedoch haben sie noch eine Stimme mehr im Gepäck: Als langjährige Chorsängerin möchte auch ich einmal mit den beiden losziehen, um herauszufinden, was sie an diesem Hobby so fasziniert.

Meine Begleiterinnen spielen lieber in Gladbach als auf den Kölner Straßen. „Hier ist es ruhiger, die Leute bleiben länger stehen, weil sie Zeit haben und hören uns auch wirklich zu“, erzählt Annina glücklich. Etwas aufgeregt bin ich schon, schließlich wimmelt es an diesem Tag in der Stadt nur so von Leuten: Das Wetter ist toll und es ist Markttag. Um uns einzustimmen spielen wir „Motivation Proclamation“, ein fröhliches Lied von Good Charlotte.

Und unsere Theorie geht auf: Die positiv geladene Melodie und unsere ausgelassene Stimmung lockt die ersten Zuschauer heran. Ein kleines Mädchen tanzt fröhlich vor ihrem Kinderwagen. Zwar gibt es auch die, die schnell an uns vorbeihuschen, aber viele bleiben stehen und lauschen: Kenner, die uns mit scharfen Augen und gespitzten Ohren zuhören, Mütter mit Kindern und auch ältere Menschen, die einen Moment innehalten und sich an unserer Musik erfreuen.

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„Es ist wie Zuhause zu spielen, nur schöner, weil uns hier auch jemand zuhört“, lächelt Melina. Es mache Spaß, ermutigt zu werden, zu hören, dass man schöne Lieder spielt und seine Stimme oder sein Instrument gut beherrscht.

Vor allem ältere Menschen bewundern, was wir hier tun. „Das ist für den Mut“, sagt ein verschmitzter Mann, lässt etwas Geld in unseren Korb fallen und tippt sich zum Abschied an seinen Hut. Für mich ist das eine sehr schöne Erfahrung. Annina und Melina haben schon viele solcher Momente erlebt. An einen erinnern sie sich noch ganz genau. „Da war einmal eine Frau, die hat bei einem Lied geweint“, so Annina. Wie sehr sie das berührt hat, merken sie noch immer, wenn sie Avril Lavigne’s „Tomorrow“ spielen: „Ich werde oft etwas traurig und denke an sie.“

Ermutigt und beschwingt von unserem Publikum traue auch ich mich so langsam aus mir heraus und singe lauter. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich in einer Kirche singe, in der die Stimme durch den Raum getragen wird, oder auf der Straße, wo man aus dem Stimmengewirr und den Stadtgeräuschen herausstechen muss, um gehört zu werden. Das ist auch für unsere Stimmen anstrengend und so machen wir eine Pause, in der wir auf Olga und Pavel aus Russland treffen. Ausgerüstet mit einer großen Balalaika und einem Akkordeon sitzen die beiden in der Nähe vom Früchtehaus. Besonders Pavels großes Instrument lockt die Leute. Anders als wir scheinen die beiden schon etwas professioneller Musik zu machen und bieten den Zuhörern ihre CDs an.

Meine Freundinnen sind etwas erstaunt, da man unter Straßenmusikern meist die gleichen Leute wiedertrifft. Wir wünschen ihnen noch viel Erfolg und nehmen an einer anderen Stelle Platz. Denn auch für Straßenmusiker gibt es Regeln, an die man sich zu halten hat: Nach 30 Minuten muss in Gladbach eine andere Stelle aufgesucht werden.

Nach etwa zwei Stunden packen wir unsere Sachen zusammen. So langsam kratzen die Hälse und auch die Finger schmerzen vom Saiten drücken. Gelohnt hat es sich: Wir hatten Spaß, haben neue Leute kennen gelernt, mit denen wir sonst nicht ins Gespräch gekommen wären und haben nebenbei etwas Geld verdient. Das Schönste war aber definitiv, den anderen Menschen eine Freude zu machen. „Es macht einfach so gute Laune, die Leute anzulächeln“, bringt es Melina auf den Punkt.

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