StadtentwicklungBergisch Gladbacher Balanceakt zwischen Bebauung und Umweltauflagen

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Das Köttgen-Gelände am Bahnhof (l.) könnte Platz für Neubauten bieten, die Hardt ist als Naturschutzgebiet dafür tabu.

Das Köttgen-Gelände am Bahnhof (l.) könnte Platz für Neubauten bieten, die Hardt ist als Naturschutzgebiet dafür tabu.

Bergisch Gladbach – Lange Zeit hat die Kreisstadt mit dem Slogan geworben: „Wohnen im Grünen“. Inzwischen darf man sich an der Strunde als deutsche Großstadt mit dem drittgrößten Grünflächenanteil rühmen: Nur ein Drittel des Stadtgebietes ist bebaut oder steht überhaupt für Bebauung zur Verfügung (29,5 Prozent gleich 2452 Hektar, plus 16 Hektar für Ver- und Entsorgung und 158 Hektar Verkehrsfläche).

Doch für viele Stadtentwickler ist der enorme Waldanteil nicht nur Segen, sondern auch, zumindest teilweise, ein Fluch.

Beim Verkehr zeigt es sich schon deutlich, denn jeder Versuch, zur Autobahn durchzubrechen, prallt vor eine grüne Gummiwand: Ein Gürtel von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten riegelt Richtung Schluchter Heide/Mielenforst die Stadt ebenso ab wie entlang der Königsforst-Kante.

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Doch nicht nur beim Verkehr stellt sich die Frage, wie viel Wald eine Stadt unter heutigen Umweltauflagen verkraften kann. Auch die Möglichkeit, neue Gewerbegebiete auszuweisen, stößt an enge Grenzen.

Verdichtung geht vor Zersiedlung

Und selbst die Ausweisung zusätzlicher Siedlungsflächen für mehr „Häuschen im Grünen“ in Gladbach wird zum Balanceakt. Dort, wo der Wald im Osten der Stadt lockt, oder in ihrem grünen Herzen, der Hardt, darf nicht gebaut werden: Verdichtung des Innenbereiches geht vor Zersiedlung des Außenbereichs.

Mit der Konsequenz, dass Neubürger nicht mehr am Waldrand wie weiland die Bewohner der Waldkolonie Frankenforst, sondern auf der Industrieschneise des ehemaligen Köttgengeländes zwischen Bahnhof, Stadion, Baumarkt und Fabriken angesiedelt werden sollen.

Diese Flächenkonkurrenz bildete den Themenschwerpunkt des Flächennutzungsplan-Ausschusses, bevor im Herbst die Bürgeranhörungen und Öffentlichkeitsbeteiligungen zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplans (F-Plan) beginnen.

Allerdings soll es am 30. August eine Sondersitzung des F-Plan-Ausschusses mit den beiden Ausschüssen für Planung sowie Umwelt und Verkehr geben, die die heiße Phase der Planung einleitet (siehe „Öffentlichkeitsbeteiligung“).

Anders als beim Start des Verfahrens gehen die Stadtplaner inzwischen von einem Wachstumsszenario aus: Je nach angestrebter Siedlungsdichte müssen bis zum Jahr 2035 zwischen 118 und 312 Hektar neu für Wohnbebauung zur Verfügung gestellt werden, so dass die Stadt damit netto ein zehnprozentiges Bevölkerungswachstum – etwa 11 000 Menschen – verkraften könnte.

Bei der Gewerbeprognose wird ein Bedarf von rund 55 Hektar an neuer Gewerbefläche gesehen. Davon werden rund neun Hektar Gewerbebrachfläche abgezogen, die derzeit noch verfügbar sind, so dass sich der Gewerbegebietsanteil der Stadt um etwa 16 Prozent vergrößern würde.

Was die möglichen Standorte angeht, wurden inzwischen zwei Korridore für Gewerbezonen definiert, die sich aus den Vorgaben „Nähe zur Autobahn“ und „Orientierung am Lkw-Vorrangroutennetz“ ergeben: Der eine verläuft entlang der Autobahn 4 (Köln-Olpe), der andere entlang der Landstraße von der A 4 nach Spitze (L195/L289).

Aber auch diese Korridore unterliegen Vorgaben wie: keine bandartige Entwicklung entlang von Verkehrswegen, kein Zusammenwachsen von Ortsteilen, keine Eingriffe in Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) und andere ökologischen Schutzzonen.

360 Hektar neues Bauland

Alles in allem müssten für Wohnen und Gewerbe insgesamt 360 Hektar neues Bauland ausgewiesen werden, was drei Prozent der Fläche ausmacht.

Diese Fläche wollen CDU und Grüne jedoch nicht auf einen Schlag zur Verfügung stellen: Die beiden Fraktionen haben eine sogenannte Priorisierung beantragt, bei dem die Flächen stufenweise freigegeben werden sollen. So sollen bis zum Jahr 2025 nur 19 Hektar neu als Gewerbegebiet entwickelt werden, der Rest wird als Reserve aufgespart.

Bei Bedarf könnten bis 2030 nochmals 13 Hektar in Angriff genommen werden, der Rest stünde bis 2035 zur Verfügung. Die gleichen drei Zeitstufen sollen bei der Ausweisung von Wohngebiete gelten, wobei die Verteilung auf die 17-jährige Laufzeit des neuen F-Plans flexibel gehandhabt werden soll.

Ein solcher Stufenplan stellt auch eine Selbstbindung dar, wie die Verwaltung zu bedenken gibt: Die Planer müssen erst eine Prioritätsstufe abarbeiten, bevor sie die nächste aufrufen können.

Veränderte Rahmenbedingungen in Sachen Verkehr, Umwelt oder demografische Entwicklung können allerdings zu Verschiebungen führen, und auch die Frage der Verfügbarkeit . Denn nur weil etwas im Flächennutzungsplan steht, wird es noch lange nicht realisiert.

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