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Urenkelin von Marg MollEine Familie von Künstlerinnen

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Bergisch Gladbach/Köln – Graziös streckt „Die Tänzerin“ ihren glänzenden Körper dem Betrachter entgegen. Die in Messing gegossene Skulptur begeistert derzeit viele Besucher im Römisch-Germanischen Museum in Köln. Doch für Jana Filmer ist die Begegnung mit der markant gearbeiteten Dame von besonderer Art: Die Bergisch Gladbacherin hat das Werk ihrer Urgroßmutter wiedergefunden.

Marg(arethe) Moll galt als eine der hoffnungsvollen Avantgarde-Künstlerinnen der 30er-Jahre, deren „Tänzerin“ von den Nazis für die Ausstellung „Entartete Kunst“ beschlagnahmt worden war. Jahrzehntelang galt sie als verschollen, wie viele andere Arbeiten Marg Molls, die im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen in Berlin zerstört worden waren. Doch mit einem Paukenschlag tauchten 16 „entartete“ Skulpturen bei Baggerarbeiten am Roten Rathaus im Jahr 2010 wieder auf. Unter ihnen die Tänzerin.

Wenn Jana Filmer jetzt emporblickt zur Botschafterin aus großen Zeiten, schließt sich für sie ein familiärer Kreis. „Seit meiner Urgroßmutter sind die Frauen in unserer Familie alle Künstlerinnen geworden“, berichtet sie schmunzelnd. Auch sie selbst, obwohl sie eigentlich gelernte Juristin ist. Doch seit mehreren Jahren entwirft die Anwältin Charaktere für Animationsfilme, die sie als Computer-Apps produziert. Im virtuellen Zauberreich Merlantis – das dem Bergischen Land verblüffend ähnlich sieht – tummeln sich Zwerge und Zauberer, die Kindern die Natur nahe bringen (siehe „Auf »Zauberpfaden« durch die Wälder“).

Mit „Rapunzel“-Ruf aufgewachsen

„Ich bin in Blecher aufgewachsen“, ist Jana Filmers selbstironische Erklärung für ihre Vorliebe. „Direkt oben am Altenberger Märchenwald, über der Rapunzel. Dauernd habe ich den Ruf »Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter« vom Band gehört.“

Janas Mutter Iris Filmer wiederum formt Figuren, skurrile, filigrane Kobolde aus Pappmaché, Federn und Stofffetzen. Meist lebt sie in Südfrankreich, doch auch im Familienhaus in Schildgen werden die Objekte an allen Ecken und Enden lebendig. Damit ist Jana aufgewachsen – ebenso wie mit den Dokumentarfilmen ihres Vaters, des Kameramanns und Autors Werner Filmer. „Mein Bruder Silvan und ich haben aber davon gar nicht so viel mitbekommen, als wir klein waren“, erinnert sich Jana Filmer. „Aber offenbar ist doch einiges an Kunstsinn hängen geblieben . . .“

Populäre Porträtmalerin

Umso mehr hat sie von den Arbeiten ihrer Großmutter mitbekommen. Brigitte Würtz galt in den 70er- und 80er -Jahren als populäre Porträtmalerin. Fotografien zeigen sie mit Politikern wie dem früheren Bundespräsidenten Karl Carstens oder dem ehemaligen britischen Premier Edward Heath, mit Künstlern wie dem französischen Pantomimen Marcel Marceau oder dem amerikanischen Musiker Duke Ellington, mit dem japanischen Schauspieler Toshiro Mifume oder der deutschen Tänzerin Margot Werner.

Über 90 Jahre alt war Brigitte Würtz, als die verschollenen Skulpturen in Berlin gefunden wurden. Erst konnte sie es gar nicht glauben, doch dann kamen die Anrufe aus aller Welt. In ihren Unterlagen suchte sie nach den vergessenen Erinnerungen ihrer Mutter Marg Moll, Fotos, schriftliche Aufzeichnungen. Die Bilder ihrer Kindheit in Breslau kamen dabei wieder hoch, erzählte sie kurz darauf. Die Bilder von den großen impressionistischen Gemälden ihres Vaters Oskar Moll, der an der Kunstakademie in Breslau unterrichtete und diese später leitete. Von den kühnen, kubistischen Skulpturen ihrer Mutter, die überall im Haus standen. Werke von Fernand Léger und Picasso hingen an den Wänden, die Porträts, die Lovis Corinth oder Henri Matisse von Marg Moll malten. Werner Filmer hat dies in der Biografie „Marg Moll – Eine deutsche Bildhauerin“ festgehalten.

Wenn Jana Filmer heute vor den Skulpturen im Römisch-Germanischen steht, ist sie begeistert von deren zeitloser Schönheit. Und stolz auf ihre Vorfahrinnen.

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