Verzweiflung in Bergisch GladbachFlüchtlinge in Katterbach treten in den Hungerstreik

Lesezeit 4 Minuten
Hungerstreik_BG_II_24052016

Flüchtlinge der Unterkunft in Katterbach fordern eine schnellere Bearbeitung ihrer Verfahren.

Bergisch Gladbach – In Katterbach sind rund 60 Flüchtlinge in den Hungerstreik getreten. Die meisten der  Asylbewerber kommen aus Syrien und dem Irak, einige auch aus Ägypten, Algerien und Eritrea. Sie verweigern seit Sonntag die Nahrung, weil sich ihre Asylverfahren verzögern. Um eine schnellere Bearbeitung zu erreichen, planen sie am Montag außerdem einen Protestmarsch durch die Stadt.

Hungerstreik_BG_I_24052016

Ein Mann aus Syrien wird am Abend mit Magenkrämpfen ins Krankenhaus gebracht.

Keine Schlangen an der Essensausgabe, kein Tellerklappern ist zu hören. Rund 60 Männer sitzen vor leeren Tischen. Die Stimmung ist bedrückend. Schon drei Tage lang geht das so. Hungerstreik. Die Asylbewerber   fühlen sich vom Land übergangen. Viele warten seit vier, sechs, acht, manche sogar  schon seit neun Monaten auf eine erste Anhörung durch das Bundesamt für Integration und Flüchtlinge (BAMF), die Voraussetzung für die Ausstellung eines provisorischen Ausweises ist.

Nichtstun trübt die Stimmung

„Wir können nichts tun, keine Wohnung mieten und keine Arbeit suchen“, sagt ein 21-jähriger Syrier in fließendem Englisch. Wie die anderen, die sich zur Abendbrotzeit  im Gemeinschaftsraum  versammelt haben, will er nicht mit seinem Namen in der Zeitung erscheinen – aus Angst, dann vielleicht noch länger warten zu müssen. Er lebt seit acht Monaten hier. „Ich verliere einfach nur Zeit“, bedauert er. Zum Beispiel, um richtig Deutsch zu lernen.   Damit er studieren könne.

Ein syrischer Freund (37), Agraringenieur, sagt: „Wir sind nicht hierhergekommen, um Geld oder Essen zu bekommen, sondern um zu arbeiten.“ Seit neun Monaten harre er jetzt schon in dem Camp aus: „Nichts ist passiert.“ Er warte immer noch auf sein Interview beim BAMF. Andere Flüchtlinge, die viel später in die Einrichtung gekommen seien, hätten diese längst verlassen und wohnten schon in einer eigenen Wohnung. „Am Anfang waren wir alle nur froh, in Sicherheit zu sein“, sagt ein Mann aus Ägypten, ebenfalls auf Englisch. Aber das lange Nichtstun schlage sehr auf die Stimmung: „Wir  fühlen uns alleingelassen.“

Immer wieder betonen  die Flüchtlinge, sie seien den Deutschen sehr dankbar für die Aufnahme und die Betreuung. Aber das Leben in den großen Leichtbauzelten sei nicht einfach. Im Winter sei es kalt gewesen, im Sommer zu warm. Der eine knipse das Licht früher aus, der andere später. 

„Wir wollen eine schnelle Lösung für unseren Aufenthalt“, heißt es deshalb in einer Erklärung an die Stadtverwaltung. Es gelte in Deutschland ein Asyl- und Aufenthaltsgesetz, „das uns einen Aufenthaltsstatus binnen drei bis sechs Monaten zusichert“, heißt es weiter in der Erklärung.   Nur ist die Stadt nicht der richtige Ansprechpartner. „Wir haben keinen Einfluss auf die Asylverfahren“, bedauert Stadtsprecherin Marion Linnenbrink.

Von 195 Flüchtlingen, die am 30. April in Katterbach lebten, seien 176 bislang lediglich registriert, hätten aber noch keinen Antrag zur Registrierung gestellt. Das BAMF habe  inzwischen den Rheinisch-Bergischen Kreis aufgefordert, bis zum 31. Mai eine Übersichtsliste zu erstellen mit den Namen von allen Flüchtlingen, die noch keinen Asylantrag gestellt haben. Das städtische Sozialamt versuche, vorrangig Familien in Wohnungen unterzubringen.  Es sei  gelungen, inzwischen 97 Wohnungen zu akquirieren.

Aus Sicht des BAMF ist der Hungerstreik kein geeignetes Mittel, um eine bevorzugte oder schnellere Antragstellung zu erreichen. „Die Teilnahme an einem Hungerstreik hat keine Auswirkung auf das Asylverfahren“, sagt eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage. Derzeit liege die Zahl der Asylsuchenden, die noch keinen Antrag gestellt haben, bei unter 300.000. Ziel sei es, bis zum Ende des Jahres diese Fälle zu bearbeiten. Die durchschnittliche Verfahrensdauer in NRW liege zurzeit bei 7,6 Monaten.

„Wir machen solange weiter, bis uns einer vom Amt erklärt, wann und wie es mit uns weitergeht“, sagt ein junger Mann. Er kündigt an: „Wenn niemand vom Amt mit uns redet, werden wir demnächst auch auf Flüssigkeit verzichten.“ Während er das sagt, fährt ein Krankenwagen vor. Ein Syrer, der  schon vor ein paar Tagen Magenprobleme gehabt habe,  habe jetzt Krämpfe bekommen, erzählt ein Mitbewohner.  Möglicherweise, weil er nichts  gegessen habe.   

Matthias Burghardt vom Deutschen Roten Kreuz, Leiter der Einrichtung, betont, dass auch außerhalb der Essenszeiten Lebensmittel vor Ort seien – damit jeder, der es sich anders überlege, etwas zu essen vorfinde. 

KStA abonnieren