Zu wenig BrauchtumKein Steuerprivileg für „Nacht der Nächte“ – das sagt die KG

Lesezeit 5 Minuten
Auch die Band Hanak trat bei der „Nacht der Nächte“ auf. Für die Richter in München war dies kein klassisches Brauchtum.

Auch die Band Hanak trat bei der „Nacht der Nächte“ auf. Für die Richter in München war dies kein klassisches Brauchtum.

Bergisch Gladbach/München – Die Nachricht aus München war am Dienstag für viele Karnevalisten ein Schock: Eine Kostümnacht mit Auftritten von Dreigestirn, Prinzengarde, Tanzgruppen und Bands am Karnevalssamstag im Rheinland zählt nicht zum Brauchtum. Zumindest steuerlich nicht.

Der Bundesfinanzhof in München hat der „Nacht der Nächte“ der KG Alt-Paffrath in Bergisch Gladbach das für die Brauchtumspflege geltende Steuerprivileg entzogen.

Verhandelt worden war die Auflage der Veranstaltung aus dem Jahr 2009. Anstelle von sieben Prozent Umsatzsteuer ist für die seit 1978 jeweils am Karnevalssamstag stattfindende „Nacht der Nächte“ der Regelsatz von 19 Prozent fällig.

Begründung der Richter: Die „Nacht der Nächte“ sei „nicht traditionell“ genug. Mit seiner Entscheidung hob der Bundesfinanzhof ein früheres Urteil des Finanzgerichts Köln auf, das die „Nacht der Nächte“ noch als Brauchtum eingestuft hatte.

Ausgelöst hatte den Rechtsstreit eine Entscheidung des Finanzamts Bergisch Gladbach. Dieses hatte der von der KG Alt-Paffrath veranstalteten „Nacht der Nächte“ im Jahr 2011 rückwirkend ab 2009 die Steuerbegünstigung aberkannt und Steuern nachgefordert. Begründung: Bei der „Nacht der Nächte“ handele es sich nicht um eine typische Karnevalssitzung, sondern um eine Musik- und Tanzveranstaltung.

Die KG Alt-Paffrath hatte vehement widersprochen: Rund drei Viertel der Veranstaltung hätten Karnevalsbands auf der Bühne gestanden, das Dreigestirn, die Prinzengarde und Tanzgruppen seien aufgetreten und die Besucher kostümiert gewesen.

Karnevalisten reichten Einspruch ein

Die Karnevalisten reichten Einspruch gegen die Steuerbescheide ein, schalteten den Petitionsausschuss des Landtags ein und klagten schließlich vor dem Kölner Finanzgericht.

Dieses gab der KG Alt-Paffrath in erster Instanz Recht. Seine Einschätzung: „Auch Kostümpartys von Karnevalsvereinen gehören in der Karnevalswoche zum steuerbegünstigten Brauchtum.“ Das Finanzamt war danach in Revision gegangen.

50 Minuten dauerte am 30. November die mündliche Verhandlung vor dem fünften Senat am Bundesfinanzhof in München, verfolgt auch von Brauchtumsvertretern etwa aus dem Schützenwesen, die von der Entscheidung in Sachen Karneval gegebenenfalls steuerliche Konsequenzen für eigene Veranstaltungen erwarteten.

Unter anderem hätten die Richter sich erkundigt, ob ein und dasselbe Dreigestirn in Köln und Bergisch Gladbach unterwegs sei, sagte der Prozessbevollmächtigte der KG Alt-Paffrath, Ulrich Hermanns.

Wie schon vor dem Kölner Finanzgericht war es auch in München um die Frage gegangen, was den rheinischen Karneval als Brauchtum ausmacht.

Zwar ist der Rheinische Karneval 2014 in die Liste der Unesco für besonders schützenswerte Bräuche und Künste aufgenommen worden. Im Fall der „Nacht der Nächte“ allerdings ging die Einschätzung des Finanzamts Bergisch Gladbach und der Karnevalisten im Detail darüber auseinander, welche Programmpunkte dem Karneval zuzuordnen sind und welche nicht (siehe „Brauchtum oder nicht?“).

Aus Sicht des Bundesfinanzhofs reichte die Zahl anerkennungswürdiger Karnevalsauftritte bei der verhandelten „Nacht der Nächte“ 2009 nicht aus. Laut dem gestern – mehr als zwei Monate nach der mündlichen Verhandlung – veröffentlichten Urteil verdient eine Karnevalsparty den Steuervorteil nämlich nur dann, wenn sie durch „Elemente des Karnevals in seiner traditionellen Form“ geprägt ist. Wie groß der Anteil dieser Elemente sein muss, ließen die Münchener Richter offen.

Ein weiteres Argument der Richter gegen eine Steuerbevorteilung der „Nacht der Nächte“: Auch kommerzielle Veranstalter könnten Kostümpartys anbieten, mit denen die Karnevalsgesellschaft dann konkurriere – die kommerziellen Partys sind jedoch nicht steuerbegünstigt.

Dass es der KG Alt-Paffrath mit der „Nacht der Nächte“ nicht vornehmlich um die Brauchtumspflege gehe, wie die Münchener Richter gefolgert hatten, ist für KG-Präsident Ulrich Hermanns nicht nachvollziehbar. „Der Karneval ist deshalb lebendig, weil sich in ihm alte und neue Elemente verbinden. Die »Nacht der Nächte« ist Brauchtum in etwas modernerer Form.“

Mit den Erlösen würden weniger rentierliche Veranstaltungen wie die Kostümsitzung oder der Unterhalt von Karnevalswagen finanziert. Der Kartenverkauf für Traditionssitzungen werde ohnehin immer schwieriger, so Hermanns. „Es ist traurig, dass keiner der Richter in München aus dem Rheinland war.“

Da die KG Alt-Paffrath sämtliche Steuerforderungen des Finanzamts seit 2009 unter Vorbehalt gezahlt hat, kommen auf sie mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs ausschließlich die Prozesskosten von rund 1000 Euro hinzu. Da es bei dem jetzt verlorenen Prozess allein um die „Nacht der Nächte“ des Jahres 2009 ging und das Programm der Veranstaltung spätestens seit 2011 ausschließlich mit zweifelsfrei aus dem Karneval stammenden Kräften bestritten wurde, wie Hermanns sagt, will der KG-Präsident mit dem Finanzamt über die Steuerbescheide der Folgejahre nochmals sprechen.

Hermanns, der selbst Steuerberater ist, hält es aber nicht für unwahrscheinlich, dass auch bislang steuerbegünstigte Partys anderer Brauchtumsvereine – etwa im Schützenwesen – nach dem Münchener Urteil künftig vom Finanzamt anders bewertet werden könnten. „Da geht es um mehr als unsere »Nacht der Nächte«.“

Der Präsident des Regionalverbands Rhein-Berg im Bund Deutscher Karneval, Harry Schülgen, wollte sich gestern zum Urteil aus München noch nicht äußern. Die Details der richterlichen Entscheidung müssten erst am Mittwochabend im Regionalvorstand besprochen werden.

Brauchtum oder nicht?

Das Finanzamt Bergisch Gladbach wollte die Auftritte der Cheerleader des 1. FC Köln und von Sänger Olaf Henning bei der als Brauchtumsveranstaltung nicht mehr anerkannten „Nacht der Nächte“ 2009 nicht als Karnevalsauftritte durchgehen lassen.

Dagegen wiesen die Veranstalter der KG Alt-Paffrath darauf hin, dass heute zahlreiche Künstler sowohl im Karneval als auch außerhalb der Session aufträten. Insbesondere die Cheerleader des 1. FC Köln könne man nicht allein als „Teil eines Fußballvereins“ sehen, vielmehr seien ihre Auftritte seit Jahren fester Bestandteil von Karnevalssitzungen und sie selbst einer Karnevalsgesellschaft angeschlossen.

Wichtig sind solche Zuordnungen für die Frage, ob die Veranstaltung „Nacht der Nächte“ – wie es das Finanzamt bewertet – nicht dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb der KG Alt-Paffrath zuzuordnen, sondern als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln ist. Neben einem höheren Steuersatz bei den Eintrittskarten hatte das Finanzamt Bergisch Gladbach deshalb Körperschafts- und Gewerbesteuer nachgefordert. Insgesamt geht es seit 2009 um einen Betrag von mehreren Zehntausend Euro. (wg)

Das sind die Auswirkungen des Urteils

Das Urteil dürfte Auswirkungen auf andere Veranstaltungen haben. Ulrich Hermanns kennt zwei weitere Gesellschaften im Bergischen, die sich gegen Steuerbescheide für ähnliche Veranstaltungen juristisch zur Wehr gesetzt haben. Nach dem Urteil aus München könnte nach Einschätzung von Szenekennern die Entwicklung des Karnevals gefährdet sein. Schließlich setzen viele Vereine auf neue Formen des Sitzungskarnevals, um das Brauchtum lebendig zu halten. Die „Stehsitzung“ als Weiterentwicklung der klassischen Sitzung war jüngst auch beim 50. Geburtstag der Gladbacher Prinzengarde ein Thema. (wg)

KStA abonnieren