Bürokratie angeprangertChristian Lindner fordert mehr Freiheit für die Betriebe

Lesezeit 3 Minuten
In der Backstube des Großvaters hielt sich Christian Lindner nach eigenen Worten oft auf. Als Gastredner betonte der Wermelskirchener seine Wurzeln im bergischen Handwerk.

In der Backstube des Großvaters hielt sich Christian Lindner nach eigenen Worten oft auf. Als Gastredner betonte der Wermelskirchener seine Wurzeln im bergischen Handwerk.

Rhein-Berg – Was den Bundesvorsitzenden der FDP mit dem Handwerk verbindet?

„Ich bin in der Backstube meines Großvaters groß geworden, stamme selbst aus einer Handwerker-Familie“, bekannte der in Wermelskirchen aufgewachsene Christian Lindner am Dienstagabend beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land.

Zwar habe sein Großvater in den 80er-Jahren irgendwann auch einen großen Audi gehabt, „aber er ist auch morgens um 3.30 Uhr aufgestanden und hat nach der Produktion noch im Laden verkauft, damit es sich rechnete“, erinnerte sich Lindner vor Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden, öffentlichen Verwaltungen und Politik.

Alles zum Thema Christian Lindner

Lindners fünf Punkte

1. Flexibilität und Freiheit: Die wichtigsten Ressourcen sind laut Lindner in Deutschland besonders knapp: „Nicht der Sozialismus ist die größte Bedrohung unseres Wohlstands, sondern ein Bürokratismus, der seine Tentakeln in jeden Winkel des Lebens steckt.“

2. Ausbildung und Qualifikation: 50 000 junge Menschen, die die Schulen in Deutschland ohne Abschluss verlassen, zeugten von der Bildungsarmut in Deutschland, so Lindner. Auch diese Talente müssten zum Klingen gebracht werden. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit und des zivilisatorischen Anspruchs. Auch Flüchtlinge seien keine Antwort auf den Fachkräftemangel.

3. Infrastruktur: Dass Deutschland bei der digitalen Infrastruktur in Europa auf Platz neun rangiere, reiche bei weitem nicht. Lindners „Deal“-Vorschlag: „Tauschen wir die Staatsbeteiligung an der Deutschen Post AG gegen ein auch im ländlichen Raum gutes Glasfasernetz (etwas mehr als zehn Milliarden Euro).“

4. Finanzpolitische Situation: Die Steuerquote steige seit zwölf Jahren beinahe stetig an, der Staat „schwimme im Geld“, gebe es falsch aus, trotzdem werde über eine neue Vermögenssteuer nachgedacht. Der Staat solle sich lieber an die „Googles, Apples, Starbucks und Ikeas dieser Welt“ halten, die nichts zur Finanzierung des Gemeinwesens beitrügen.

5. Deutschland habe keine Garantie, dass es wirtschaftlich so gut weitergehe, so Lindner. Es sei nicht das letzte verbliebene Problem, den bestehenden Wohlstand zu verteilen. „Wir müssen uns auch wieder neue Gedanken machen, wovon wir zukünftig leben wollen.“ (wg)

Das Handwerk habe nicht nur eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung, sondern verbinde für ihn auch die „besten Tugenden der sozialen Marktwirtschaft“ wie Fleiß, Bereitschaft zur Veränderung, die Loyalität zum Standort und das Band zwischen den Generationen, zwischen dem Meister und dem ihm anvertrauten Lehrling, sagte Lindner.

„Das ist ein starkes Stück Deutschland. Und deshalb braucht Deutschland auch eine handwerkfreundlichere Politik“, konstatierte der Politiker, der die FDP bei der Wahl im Herbst zurück in den Bundestag bringen möchte. Entsprechend brachte sich Lindner mit Forderungen in Position, die von der Politik angegangen werden müssten, damit das Handwerk seine wichtige Bedeutung angesichts von Digitalisierung und demografischem Wandel festigen und ausbauen könne (siehe „Lindners fünf Punkte“).

Bessere Breitbandversorgung

Betriebe wie der seines Großvaters würden heute nicht mehr von Hungrigen gestürmt, sondern von Bewaffneten, nämlich Mitarbeitern des Zolls, die die Verkäuferinnen peinlich nach der Arbeitszeit befragten wegen der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung, kritisierte Lindner überbordenden Bürokratismus und Staatsgewalt an falschen Stellen. Stattdessen forderte er unter anderem mehr Freiheit und Flexibilität – und das nicht nur beim Übergang in den Ruhestand.

Dass der Gastredner den Gästen gute Geschäfte wünschte („Denn wenn Ihre Geschäfte gut laufen, dann läuft auch dieses Land“), freute auch Kreishandwerksmeister Willi Reitz. Zu Beginn des Superwahljahrs 2017 unterstrich er die Bedeutung einer besseren Breitbandversorgung, auch im Bergischen. „Wenn wir in der vernetzten Zukunft mitspielen wollen, dann müssen wir heute dafür arbeiten und investieren“, appellierte der Kreishandwerksmeister an Politik und Wirtschaft, „gemeinsam nach Konzepten zu suchen, die das Land nach vorne bringen“.

Um dem Nachwuchsmangel im Handwerk zu begegnen, empfahl Reitz, noch positiver über die eigenen Berufe zu sprechen: Bei einem Event-Anbieter dürfe man für viel Geld 45 Minuten Bagger fahren, bei einem Bauunternehmen könne man das jeden Tag und verdiene damit auch noch sein Geld. Reitz: „Handwerker zu sein, ist etwas Besonderes, etwas besonders Schönes.“

KStA abonnieren