Bau-Ministerium NRWSchwarzbauten können legalisiert werden

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Schwarzbau_Kuerten_01062016

Dieses Haus in Kürten sollte abgebrochen werden, weil keine Baugenehmigung vorlag.

  • Das Bauministerium NRW hat dem Rheinisch-Bergischen Kreis im Fall eines Schwarzbaus freie Hand gegeben.
  • Der Fall um das Haus von Christine Liedke hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt.
  • Die Entscheidung des Ministeriums soll weit über diesen Einzelfall hinausgehen.

Rhein-Berg – Das Bau-Ministerium NRW gibt dem Rheinisch-Bergischen Kreis im Fall von Christa Liedtke freie Hand.  Nicht nur für die Kürtenerin, die  fünf Jahre   vor Gericht für den Erhalt ihres Fachwerkhauses gekämpft hat, wendet sich nun doch noch alles zum Guten. Für den gesamten Kreis sei eine Stichtagsregelung geplant, kündigt Landrat Hermann-Josef Tebroke an. Auch das Land NRW denkt darüber nach, eine landesweite Regelung für Häuser zu finden, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit  entstanden sind, als vielfach Akten verloren gingen.

Schwarzbau Kürten_Christa Liedtke hat gewonnen

Martin Masurat (l.) und Ulf Jörres gratulieren Christa Liedtke zum Sieg vor Gericht. Sie darf ihr Haus behalten.

Diese Nachricht muss wie ein Befreiungsschlag wirken  für alle Eigentümer im Kreis, die  in Schwarzbauten ohne Baugenehmigung leben, die im Krieg oder kurz danach in Notzeiten errichtet wurden.  Das Oberverwaltungsgericht in Münster hatte im Februar in seinem Urteil in zweiter Instanz entschieden, dass die Anordnung des Kreises rechtswidrig ist, das vor Kriegsende errichtete Fachwerkhaus von Christa Liedtke in Kürten-Breibach abzubrechen.

Die Begründung lautete, der Kreis habe seinen Ermessensspielraum nicht angemessen ausgeschöpft. Der Fall aus Kürten hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht.

In der Diskussion um die Auswirkungen des Urteils hat das Ministerium dem Kreis nun die Möglichkeit eingeräumt, über die weitere Vorgehensweise selbst zu entscheiden. „Wir freuen uns sehr über den Spielraum und sind zuversichtlich, eine endgültige Lösung für die dauerhafte Duldung zu finden“, sagt Landrat Tebroke.

Darüber hinaus sind mit dem Ministerium aber auch Vereinbarungen getroffen worden, die weit über den Einzelfall Liedtke hinausgehen.

Demnach wird das  Urteil des Oberverwaltungsgerichts  als Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung gesehen. „Das möchten wir aufgreifen“, sagt Tebroke. Deshalb soll eine Stichtagsregelung für das gesamte Kreisgebiet erarbeitet werden,  unter Beteiligung aller kreisangehörigen Kommunen.

Eine solche Stichtagsregelung solle zur Rechtssicherheit und Gleichbehandlung aller Hausbesitzer in vergleichbaren Fällen beitragen. Durch die Berücksichtigung des Entstehungszeitpunktes der Häuser könne eine Duldungsmöglichkeit für illegale Bauten geschaffen werden, die vor einem festgelegten Datum errichtet wurden – auch wenn Unterlagen fehlen.

Tebroke nennt sogar schon ein Datum, das in Frage kommen könnte: 1. Januar 1960. In diesem Jahr trat das Baugesetzbuch in Kraft, der Vorläufer des heutigen Baugesetzbuches. Wie Tebroke mitteilt, denke das Land NRW ebenfalls über die Einführung einer Stichtagsregelung  in der Landesbauordnung nach.

Die Bauamnestie beträfe somit Schwarzbauten wie das Haus von Christa Liedtke: Es besteht kein Bestandsschutz, weil keine Baugenehmigung vorliegt. Sie sind nach bestehender Rechtslage nachträglich nicht genehmigungsfähig. Sie haben zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens den Bauvorschriften entsprochen.

Wenn solche illegalen Bauten nachweislich vor dem festgelegten Stichtag errichtet wurden und keine anderen dringenden Gründe dagegen sprechen, könnte die Bauaufsicht zukünftig vom Erlass einer Beseitigungsverfügung absehen. „Diese Aspekte müssen aber in jedem Einzelfall geprüft werden“, betont der Landrat.

Das Schicksal der 77 Jahre alten  Christa Liedtke hat viele Menschen empört. Sie sollte ihr mehr als 70 Jahre altes Fachwerkhaus auf eigene Kosten abreißen lassen, weil die Baugenehmigung nicht mehr auffindbar ist. Als vierte Besitzer hatten sie und ihre Tochter keine Ahnung , dass das Haus illegal im Außenbereich stand. Denn beim Hauskauf ist die Vorlage einer Baugenehmigung nicht erforderlich. Bei Unterschriftenaktionen hat die Kürtenerin  10 402 Unterstützer im Kampf um ihr  Häuschen gefunden.

Der Kreis als zuständige Bauaufsicht begründete sein striktes Vorgehen  mit dem Grundsatz  der Gleichbehandlung. Für das Objekt  müsse Baurecht angewandt werden, alles andere sei Willkür, berief sich der Kreis auf die gesetzlichen Vorgaben. Als Kompromiss hatte der Kreis eine Duldung angeboten, solange Christa Liedtke lebe, erst danach sollte die Abrissverfügung gültig werden. Für viele Hauseigentümer im Kreis kommt die Stichtagsregelung allerdings zu spät.  Allein in der Gemeinde Kürten sind   fünf Häuser in den vergangenen Jahren aus diesem Grund abgebrochen worden.  

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