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RestaurantKulturgut Hungenbach feiert drei Jahre nach Brand Wiedereröffnung

Lesezeit 5 Minuten
Hungenbach_30062016

Nach dem Brand wird das Kulturgut wieder eröffnet.

  • Das Kulturgut Hungenbach in Kürten war vor drei Jahren abgebrannt, nachdem es gerade erst eröffnet wurde.
  • Nun ist die Leidenszeit vorbei und das Haus wird wieder eröffnet.

Kürten – Die Sonne blinzelt aus den Wolkentürmen über Hungenbach, als Marcel Vlach die gläserne Eingangstüre aufdrückt. Mal kein Regen in diesem Schlechtwettersommer, ein gutes Zeichen für die neue, die zweite Wiedereröffnung.

Vlach, der Pächter und Geschäftsführer des Kulturguts Hungenbach, hat in diesen Tagen positiven Stress: Alles soll blitzen und glänzen für die bevorstehende Feier. Für diesen Sonntag, 3. Juli, lädt er zum Kennenlernen des neuen, wiederaufgebauten Hauses Hungenbach.

Das historische Gutshaus, erbaut 1756, war vor drei Jahren nach einem Schwelbrand im Reetdach abgebrannt. Tragisch: Zehn Tage nach der ersten Wiedereröffnung nach sechsjähriger Schließung.

Das Restaurant im Erdgeschoss des wiederaufgebauten Hauses und die in der oberen Etage liegenden Hotelräume, in mehr als einjähriger Bauzeit entstanden, sind nun neu zu entdecken. Die Provisorien mit mobiler Küche und Ersatz-Gastronomie sind vorbei. Vlach, der studierte Hotelmanager aus der Slowakei, kann endlich durchstarten. Die drei Jahre der Leiden sind vorüber.

Tradition bewahren

„Es ist ein neues Haus“, sagt Vlach, der im Dezember 2012 das Gut übernahm. „Aber es bewahrt die Tradition von Hungenbach.“ Gebaut wurde es als Massivhaus, dunkel eingetöntes Lärchenholz lässt die Außenfassade an eine wettergegerbte Scheune erinnern. „Wir wollten kein Disneyland, deshalb haben wir auf Fachwerk verzichtet“, sagt Vlach.

Das alte Landhaus war im bergischen Fachwerkstil gehalten. Die Erinnerung bleibe, meint Vlach, aber er hoffe, dass das neue Haus von den Kürtenern angenommen werde. Geblieben ist der U-förmige Eingang, zu dem man vom Gelände talwärts schreitet, die Silhouette des Hauses, das wuchtige bergische Turmzimmer über zwei Geschosse, der aufgemauerte Ziehbrunnen, der schon zu Zeiten eine Augenweide war, als Eigentümerin Dr. Hildegard von Fragstein (heute 90) auf Hungenbach lebte.

Über ihren Rechtsbeistand Dr. Udo Degener-Hencke aus Königswinter hält die berühmte Ideengeberin und Trägerin des Rheinland-Talers (1977) heute ein aufmerksames Auge auf ihre Anlage, auf das neue Landhaus, auf das Jung-Stilling-Haus, auf das ins 15. Jahrhundert zurückreichende Haus Varresbeck, auf den Backes, auf Scheune und Futterkrippe.

Neben Vlach und Degener-Hencke ist der Kürtener Architekt Georg Häck der dritte, der entscheidend den Wiederaufbau geprägt hat. Etwas Neues habe entstehen sollen, sagt er, etwas, das in die bergische Landschaft und zum Charakter von Hungenbach passe. Der Grat war schmal, er ist gekonnt beschritten worden. Ein „Remake“ des Fachwerks sei aus architektonischer Sicht inakzeptabel gewesen, fügt der Experte hinzu. Häck kennt Frau von Fragstein und das Hungenbacher Ensemble seit vielen Jahren. Herzblut hat er hineingesteckt in die Pläne des Wiederaufbaus.

Tische aus Obstholz gerettet

Die schweren Tische sind aus Obstholz, im Furnier sind Astknoten und Zweige zu erkennen. Die Tische waren schon da, als Hildegard von Fragstein in den späten 1960er-Jahren mit der Überführung der ersten Gebäude begann. Die Obsttische waren auch da, als vor drei Jahren das Feuer wütete. Marcel Vlach hat sie gerettet.

Aufwendig restauriert sind sie eine liebevolle Erinnerung an das zerstörte Landhaus. Wie die wuchtigen Bauernschränke und die einladenden Sessel, die den Charme des Hauses prägen. Dass die bergischen Fliesen, die den Fußboden des alten Hauses ausmachten, vom Löschwasser beschädigt wurden, bedauert der Gastronom. Nachdem die Bagger den Brandschutt abgeräumt hatten, im Sommer 2014, war klar: Neues musste her. Ein heller Eichenboden wurde gewählt. Holz prägt das Neue an Fassade, an Wänden, auch an der Decke, die mit besonderem Eigenschaften den Schall der Tischgespräche abfängt. Zweier, Vierer, Achtertische stehen im Gastraum, der an seiner Frontseite mit den Bildmotiven christlicher Symbolik eingerahmt ist; einst hatte Hildegard von Fragstein die Fenster aus dem Bonner Münster erhalten.

Der Charakter des Gastraums erinnert an seinen Vorgänger, manch anderes ist neu: die Küche, die elegante Bar, das moderne Entree mit Rezeption.

Draußen scheint die Sonne auf die Weiden und Wiesen. In der Ferne äst das Damwild von Hungenbach. Drei Hektar groß ist die gesamte Anlage, um deren Bestand sich der Geschäftsführer zu kümmern hat. Zu tun ist immer, um die bergische Kleinodien zu bewahren. „Viele Besucher verbinden den Aufenthalt mit einem Spaziergang über die Anlage“, bestätigt Vlach. Mit den Tourismusmanagern der Naturarena Bergisches Land kooperiert er eng. Der Gastronom hat eine Vision: Gut Hungenbach wieder zu einem bergischen Leuchtturm werden zu lassen, der weit über Kürten hinausstrahlt.

Facettenreiches Programm zur Eröffnung

Das Kulturgut Hungenbach ist das Lebenswerk zweier Idealisten: Dr. Hildegard von Fragstein (geboren 1925), Internistin aus Düsseldorf, und Hans Schwippert (1899-1973), einer der bedeutendsten Architekten der deutschen Nachkriegszeit. Ihre Vision, die sie seit Ende der 1960er-Jahre in Kürten verfolgten, war ein Miteinander der Generationen auf dem Gelände. Alt und Jung sollten miteinander in Kontakt komme. Heute würde man wohl Seniorenresidenz  dazu sagen.

Dieser soziale Aspekt begleitete das Paar mit architektonischen Visionen. Zu Haus Hungenbach kamen vom Abriss bedrohte bergische Gebäude, die von Fragstein und Schwippert nach Kürten überführt wurden. In den 1970er-Jahren war es das Jung-Stilling-Haus,  benannt nach dem Arzt und Schriftsteller     Johann Heinrich Jung.  Johann Wolfgang Goethe kam einst dort zu Besuch, übernachtete einmal im Jung-Stilling-Haus und machte es auf diese Weise berühmt.

Drumherum gesellte sich in Hungenbach Kutscherhaus und Backes, ebenfalls vor dem Verfall gerettet.  So entstand ein „Museumsdorf“, das kein Museum sein sollte. Erst ab 1999 ließ Hildegard von Fragstein das Sachsenhaus Haus Varresbeck wiederauferstehen, nach jahrelangem Bemühen um eine Baugenehmigung.

Als Restaurant lange geführt, trat Hildegard von Fragstein im Alter etwas kürzer, als Cafébetrieb wurde Hungenbach bis vor etwa zehn Jahren geführt. 2010 war ein letzter Tag der Offenen Tür. Im Dezember 2012 unterschrieb Marcel Vlach den Pachtvertrag.

Am Sonntag, 3. Juli, gibt es ab 15 Uhr ein Programm mit Kostproben aus der Küche. Es finden Führungen auf dem Gelände statt, im Backes wird zudem Brot gebacken und es gibt Musik sowie ein Quiz. Auch die Fütterung des Damwilds ist zu erleben. Zum Auftakt tanzen die Kinder der „Jecken Minis“ aus Kürten. (cbt)

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