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Verlängerung der Straßenbahnlinie 1Der Zug ist noch nicht abgefahren

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Kürten – Bitte einsteigen, Vorsicht an der Bahnsteigkante, der Zug fährt sofort ab. Langsam schaukelt die rote Stadtbahn ihre Passagiere vom Bensberger Busbahnhof zur Wohnsiedlung Bockenberg. Kurz hinter der Hauptkreuzung Overather Straße kommt die Bahn aus dem Tunnel ans Tageslicht, wenig später geht es bergauf, der Technologiepark naht. An Wiesen und Weiden entlang erreicht die Bahn am Pkw-Stau vorbei zügig Herkenrath. Immer weiter ins Bergische werden die Fahrgäste nun kutschiert, die Alleenstraße wird gekreuzt, Brücken gleichen den Höhenunterschied aus. Schließlich kommt Kürten-Spitze in Blick, der Endpunkt. Ein großer Park-and-Ride-Platz mit Busanbindung ins Bergische macht den Umstieg leicht.

Visionär und kühn war dieser Plan. In den 1960er-Jahren wollte der Bensberger Stadtdirektor Wilhelm Wagener den ganz großen Wurf wagen: eine Verlängerung der Straßenbahn über Bensberg hinaus nach Moitzfeld und Herkenrath weiter bis Spitze und sogar bis Dürscheid; beide Orte gehörten damals zu Bensberg. Aufgegeben worden sind die Pläne nie. Auf den Plankarten des Regionalrats Köln findet sich die Bahn nach Spitze auch ein halbes Jahrhundert später noch.

Allerdings: Das Uralt-Projekt nach Spitze ist nicht gelistet in den vordringlichen ÖPNV-Maßnahmen, Mittel gibt es nicht. „Ich werde es in meiner politischen Laufbahn nicht mehr erleben“, prognostiziert Rainer Deppe, Kreisvorsitzender der CDU Rhein-Berg. Das Bahnprojekt Spitze sei für ihn ein Merkposten, an dem festgehalten werden sollte. Wichtiger seien Verbesserungen der Buslinien, mehr Taktungen, Umstiegsorte und Busspuren.

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Strecke gilt als unwirtschaftlich

SPD-Kreischef Gerhard Zorn sagt, er werde für eine Verlängerung bis Moitzfeld kämpfen. Auch ein Park-and-Ride-Platz an der Autobahnauffahrt am Bockenberg sei für ihn eine realistische Option. Zorn, Jahrgang 1965, sagt es wie Deppe: „Während meiner politischen Laufbahn wird da nichts draus.“ Die Wirtschaftlichkeit einer Strecke ins Bergische sei „nicht darstellbar“.

„Eine Verlängerung der Linie bis nach Spitze wäre ideal“, erklärt Kürtens Bürgermeister Willi Heider. So eine Sache müsse interkommunal angegangen werden, gemeinsam mit der Nachbarkommune Bergisch Gladbach. Und es sei zu prüfen, ob eine Realisierung überhaupt noch sinnvoll sei. Taktausbau bei den Bussen und die Park-and-Ride-Idee seien konkretere Ziele. Eine Finanzierung stehe sowieso in den Sternen.

Selbst in den damaligen Flächennutzungsplan der Stadt Bensberg hatte es das ambitionierte Projekt geschafft. Exakte Trassenführung und Wendeschleife kurz vor Dürscheid sind zu erkennen auf der kolorierten Skizze. Die Bensberger waren tatsächlich wild entschlossen zu bauen. So wie bei ihrem neuen Rathaus wollten sie mit Extravagantem punkten.

Als im Jahr 2000 die Kölner Verkehrsbetriebe KVB ihre Stadtbahnlinie unterirdisch um 487 Meter zum Endpunkt Busbahnhof Bensberg verlängerten, planten sie weitsichtig. „Es gibt die Möglichkeit, dass die Gleise verlängert werden“, erinnert sich Zorn. Ein kleiner Stumpf am Gleis führt tatsächlich weiter in den Bensberger Untergrund. Genau hier könnte der Weiterbau entstehen. Kostenpunkt: mindestens ein zweistelliger Millionenbetrag. Die Mini-U-Bahn zum Busbahnhof kostete vor 15 Jahren 64 Millionen D-Mark.

Für die Kürtener wäre eine Straßenbahn eine interessante Sache: Sie könnten mit der Bahn schneller nach Köln gelangen, der Stau vor der Auffahrt Herkenrath wäre umgangen. Und ihre Gemeinde würde als Wohnort attraktiver. Jede Minute weniger ist ein wichtiges Kriterium für einen Umzug nach Kürten. Im Kürtener Zukunftsausschuss war dieses Verkehrsproblem in diesem Frühjahr ein Thema, zunächst in Gestalt eines geplanten Park-and-Ride-Platzes bei Spitze. Der Gedanke: Wenn der Umsteigeknoten bei den Buslinien da ist, kommt auch die Bahn. Im noch zu verabschiedenden Rahmenplan für Kürten-Spitze wird konkret auf den Pendlerparkplatz hingewiesen; es müsse nach einem geeigneten Standort gesucht werden. Im Ausschuss hatte der in Kürten lebende Stadtplaner Dieter Prinz schon eine Idee dafür: auf der alten Hausmülldeponie von Spitze. Spuren des Projekts finden sich auch in Gladbach regelmäßig. Etwa im vergangenen Herbst im Ausschuss für Beschwerden und Anregungen. Die Bürgervereinigung Köln-Holweide hatte wegen des aus Bergisch Gladbach nach Köln schwappenden Verkehrs nachgefragt.

Wiese für Parkplatz freigehalten

Hinsichtlich der Verlängerung der Linie 1, antwortet die Stadt, „wäre eine Einzelfallprüfung des Bedarfs mit Kosten-Nutzen-Relation nötig“. Die Finanzierung sei aus den bestehenden Töpfen derzeit nicht möglich. Und die Stadt merkt an, dass eine ehemals diskutierte Trassenverlängerung bis zum Wohnplatz Bockenberg „auch deshalb nicht verfolgt wurde, weil das dort geplante Pendlerparkhaus am schon heute ausgelasteten Knotenpunkt Friedrich-Ebert-Straße/Overather Straße/Bundesautobahn zu nicht minder lösbaren Problemen geführt hätte“. Heißt: Der Verkehr zum zentralen Umstieg wäre nicht mehr zu bändigen gewesen.

Viele Jahre hatte die Stadt tatsächlich eine große Wiese am Verkehrsknoten vor der Vinzenz-Pallotti-Straße freigehalten: für einen Pendlerparkplatz an einem möglichen neuen Endhaltepunkt der Stadtbahn. „Die Verlängerung ist mit dicken Fragezeichen zu sehen. Deswegen können wir die Fläche nicht blockieren“, hatte 2006 der damalige Bürgermeister Klaus Orth ausgeführt. Keine gute Aussicht für die Bahn: Derzeit wird dort Gewerbeland entwickelt.

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