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NaafbachtalDer ewige Plan der Talsperre und warum sie trotzdem nicht gebaut wurde

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Rhein-Berg – Das Naafbachtal. Mehr Idylle geht nicht – zumindest nicht nahe der Rheinschiene. Das Naturschutzgebiet zwischen Overath, Much und Neunkirchen-Seelscheid ist ein verwunschenes Fleckchen Erde, in dem sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen würden, wenn sie reden könnten. Weil sie nämlich wieder einmal einen tollen Tag erlebt hätten.

Wäre es nach den Plänen der Wasserversorger und Landesplaner gekommen, dann wären sie längst umgesiedelt worden. Und mit ihnen die Einwohner einer Handvoll kleinerer Ortschaften. Denn der Naafbach sollte aufgestaut werden zur Talsperre, um die Wasserversorgung der Bevölkerung in der Region zu sichern.

Aggerverband kaufte 90 Prozent der Fläche auf

Vage Pläne gab es schon in den 1930er Jahren. Aber erst 1973 wurde daraus eine konkrete Bauplanung, die für Errichtung und Aufstau einen Zeitraum von zwölf Jahren auswies. Der Aggerverband, der die Talsperre betreiben sollte, kaufte in großem Umfang Grundstücke an. Am Ende gehörten ihm 90 Prozent der benötigten Flächen. Die verbliebenen Anrainer lebten seitdem in einer sehr konkreten Angst um ihre Heimat und ihre Häuser.

Doch 43 Jahre später kann man immer noch trockenen Fußes durch das Naafbachtal streifen – wenn es nicht gerade Bindfäden regnet. Die Idylle ist eher noch größer geworden, weil in der Schutzzone rund um die geplante Talsperre keine weitere Bautätigkeit mehr stattgefunden hat. Das Tal ist heute FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) und steht damit unter europäischen Schutz. Naturfreunde schwelgen in höchsten Tönen, wenn sie erklären, was für seltene Tier- und Pflanzenarten dort heimisch geworden sind.

Wasserverbrauch stieg nicht stark

Wer oder was hat denn jetzt die Talsperre (vorerst) verhindert? Es war wohl ein Zusammenspiel von mehreren Kräften. Da war einerseits eine Bürgerinitiative mit Sitz im hübschen Ingersauel, die für den Erhalt des Tals kämpfte. Und zwar durchaus mit harten Bandagen. Als die ersten aufgekauften Häuser abgerissen werden sollten, gab es wütende Demos und Blockaden bis hin zur Hausbesetzung. So mancher Abriss konnte dadurch verhindert werden.

Doch die Talsperren-Planer gerieten auch aufgrund einer veränderten Sachlage in Erklärungsnot. Der Wasserverbrauch entwickelte sich bei weitem nicht so, wie man es prognostiziert hatte. Die Menschen lebten umweltbewusster, zumal die Wasser- und Anschlusskosten ständig stiegen.

Es gab plötzlich ernste Zweifel an der Notwendigkeit der Naafbachtalsperre. Im April 2003 schien das amtliche Aus gekommen zu sein, als der Regionalrat in Köln die Streichung aus dem Gebietsentwicklungsplan forderte.

Doch gestrichen ist bis heute nichts. Die Naafbachtalsperre ist immer noch sowohl im Gebiets- als auch im Landesentwicklungsplan ausgewiesen. Wohl auch aus folgendem Grund: 36 Millionen Mark hätte der Bau seinerzeit kosten sollen. Ein Teil dieses Geldes ist bereits für den Grundstückserwerb draufgegangen. Vom Land NRW gab es dafür einen Zuschuss in Höhe von 18 Millionen Mark. Der müsste vom Aggerverband zurückgezahlt werden, wenn die Talsperren-Pläne endgültig im Papierkorb verschwinden.

Naafbach alleine kann eine Talsperre nicht füllen

Dort sollten sie aber landen, fordert der Rheinisch-Bergische Naturschutzverein (RBN). Deren Sprecher Mark vom Hofe: „Raus mit dem Ding! Wir haben auch ohne diese sinnlose Naafbachtalsperre genügend Wasserreserven in der Region, zumal dafür eine einmalig schöne Landschaft geopfert werden müsste.“

Und erst die Kosten, die natürlich heutzutage beim Gegenwert von 36 Millionen Mark – also bei rund 18 Millionen Euro – nicht Halt machen würden. Wasser-Experten haben mittlerweile herausgefunden, dass der Naafbach allein eine Talsperre gar nicht füllen könnte. Man müsste, so erläutert Mark von Hofe, eine unterirdische Fernleitung zur Agger schaffen. Und das Aggerwasser müsste, wegen der Rückstände aus dem ehemaligen Bergbau im Bergischen Land, auch erst noch gefiltert werden. Alles Argumente, die vom Hofe zu einem ziemlich eindeutigen Urteil bringen: „Die Naafbachtalsperre ist völliger Quatsch.“

Rainer Deppe, jetzt Vorsitzender des Regionalrates und als Landtagsabgeordneter auch Sprecher der CDU-Fraktion im Umweltausschuss, geht nicht ganz so weit: „Das Naafbachtal ist zweifellos zu einem tollen Biotop geworden. Die Talsperre sollte trotzdem in den Entwicklungsplänen drin bleiben. Auch wenn der Bedarf noch nicht da ist, müssen wir über Reserveflächen verfügen, um den möglichen Wasserverbrauch der Zukunft sicherstellen zu können.“

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