Projekt in OdenthalCarolin und das weiße Cello

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Odenthal – Kann ein Cello devot sein? Kann es erotisch, beängstigend oder zärtlich daher kommen, ohne jemals einen Ton von sich gegeben zu haben? Der Odenthaler Fotograf Cornel Krämer hat mit seinem Projekt „Musica sul Viaggio“ (Musik auf Reisen) den Beweis angetreten, dass das Instrument nicht nur klingen, sondern auch modeln kann. „Eigentlich wollte ich ein Model für ein Film-Noir-Shooting. Das berühmte Foto von Man Ray, das eine Frau von hinten zeigt, auf deren Rücken Attribute eines Cellos aufgemalt sind, hatte mich dazu inspiriert“, erinnert sich Krämer an die Anfänge des Projektes 2012.

Etwa zur gleichen Zeit hatte er außerdem ein weißes Cello im Internet erstanden, das als Requisit dienen sollte. „Als ich mich bei ihm für das Film-Noir-Shooting meldete, fragte er mich, ob ich auch Lust hätte, im Anschluss mit dem Cello fotografiert zu werden“, ergänzt Model Carolin, bekannt unter dem Künstlernamen Ravienne Art, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Als man sich im Studio traf, war die Neugier auf das Requisit bei Fotograf und Model so groß, dass man direkt ins Shooting mit dem Instrument einstieg. Seitdem haben 14 Shootings stattgefunden, die schönsten zwölf Bilder daraus haben Carolin und Krämer jetzt als Fotokalender herausgebracht. Ungewöhnlich: Die Bildbearbeitung und die Zusammenstellung der Kalendermotive hat nicht der Fotograf, sondern das Model übernommen.

Das war für Krämer ungewohnt: „Aber es ist toll, wenn ich die Ergebnisse sehe.“ Die Zusammenarbeit gehe weit über das Normale bei einem Shooting hinaus: „Carolin kommt immer mit eigenen Ideen. Hat Kostüme, ihre Schminke und andere Requisiten im Gepäck“, freut sich Krämer. „Das Shooting zum Thema Pierrot war vom Lied »Der Clown« von der Band Schandmaul inspiriert, Cornels Lieblingsband“, erzählt Carolin.

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Die Band bezeichnet sich als Mittelalter-Folk-Rock-Band, und dem Düsteren ist auch Carolin zugetan. „Früher war ich Grufti, heute nennt man es Gothic“, erklärt die zierliche Mutter eines neunjährigen Jungen. Krämers Bilder vom traurigen Clown gefielen den Musikern so gut, dass sie eine Slideshow davon auf ihrer Band-Homepage zeigen.

Die Erlebnisse der musikalischen Reise hat Carolin in einem Tagebuch festgehalten. Etwa ihre völlig eingefrorenen Gesichtszüge beim Wintershooting in Overath. Oder den Aufwand, den das Team treiben musste, um in der U-Bahn Bilder machen zu dürfen. „Letztlich gelang es in Bonn. Wir sind Sonntagmorgen ganz früh dort gewesen, in der Hoffnung, dass keine Leute in der U-Bahn sind. Aber natürlich waren schon ein paar Chinesen unterwegs, die uns ins Bild liefen“, erinnert sich Krämer.

Das Shooting im Punk-Rock-Stil brachte derart ausdrucksstarke Bilder, dass eines davon bei einem weltweiten Ranking von Google Plus auf Platz 3 landete. „Inspiration für mein Make-up und Outfit war Lisbeth Salander, die Protagonistin in Stieg Larssons Millennium-Trilogie“, erklärt Carolin, die sich immer selbst schminkt. „Sie ist enorm wandlungsfähig, das macht den Reiz aus, mit ihr zu arbeiten“, bestätigt Cornel Krämer.

Beide Kalender, sowohl der im Quer- als auch der im Hochformat, spiegeln diese Verwandelbarkeit wider. Mal ganz romantisch im weißen Hochzeitskleid, mal ganz verrückt im Waschsalon, mal als Hexe oder Domina zeigen die Bilder sehr unterschiedliche Facetten der 38-Jährigen. In einem Fall spielte eine Latexwand eine große Rolle, durch die Gesichts- und Handabdrücke fotografiert wurden, die dann später per Bildbearbeitung auf das Cello gelegt wurden. Das Resultat hat die Mühe gelohnt: In eine Zwangsjacke gehüllt, fürchtet sich Carolin auf dem Bild vor den augenscheinlich im Instrument wohnenden Dämonen.

„Perfektion ist mir nicht nur bei Kleidung und Make-up wichtig. Ich versuche die Emotionen, die für die Szene wichtig sind, zu fühlen. Beautyshootings sind nicht mein Ding“, erklärt Carolin. Wie witzig es aussehen kann, wenn ein Model keine Scheu vor übergroßen Lockenwicklern, schlabbriger Kleidung und einer riesigen Brille hat, zeigt eine Slideshow, die in einem Waschsalon entstanden ist. An deren Ende ist aus dem Cello eine Geige geworden, da das Instrument vermeintlich in der Wäsche eingelaufen ist.

„Wir haben so viele Ideen, die würden noch für Jahre reichen“, sagt Cornel Krämer. Aber das Ende der musikalischen Reise ist bereits festgelegt. Die beiden Instrumente sollen auf jeden Fall baden gehen. „Nach dem Unterwassershooting, das wir noch vorhaben, kann man sie wahrscheinlich nicht mehr einsetzen, deshalb soll der letzte Ort hier in Odenthal sein, wo wir sie in Flammen aufgehen lassen möchten“, umreißt Krämer die Idee des spektakulären Endes der Reise. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Ravienne Art wird damit auf keinen Fall vorbei sein, ein nächstes Projekt steht schon fest.

Die Kalender sind über jede Buchhandlung oder im Internet zu bestellen. Sie kosten je nach Größe zwischen 20 und 49 Euro.

www.cornels-photographie.de

ravienne-art.jimdo.com

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