Sternekoch Dieter Müller aus OdenthalEine Oase für den Weltenbummler

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Odenthal – Wer den Namen Dieter Müller hört, denkt vermutlich zuerst an das Restaurant des Schlosshotels Lerbach. Dort hat der Koch sich seinen dritten Michelin-Stern geholt, dort gab er als einer der ersten seiner Zunft Kurse für ambitionierte Hobbyköche. Wer die Küche des kreativen Küchenmeisters erst vor kurzem kennengelernt hat, der verbindet mit ihm wohl die MS Europa. Jenes Luxusschiff, auf dem Müller heute sein eigenes Restaurant hat, mit dem er an 70 Tagen im Jahr um die Welt schippert. „Mein Lehrer hat mir früher immer prophezeit, ich werde mal Schiffskoch“, sagt Dieter Müller schmunzelnd, als er die Anekdote mit leicht badischen Singsang in der Stimme erzählt.

An Odenthal denkt im Zusammenhang mit Dieter Müller hingegen kaum jemand. Dabei lebt er mit seiner Familie seit mehr als 20 Jahren in Glöbusch. „Hier fühlen wir uns einfach zu Hause, von hier aus kann man schnell in die Welt hinaus, und hier hat man seine Oase der Ruhe, wenn man heimkehrt“, umreißt Müller das Spannungsfeld, in dem er sich auch mit 66 Jahren noch fast täglich bewegt. Dabei deutet er auf die Kölner Bucht, die ihm vom Bolzplatz an der Bergstraße aus gesehen zu Füßen liegt. Ein Flugzeug schwebt gerade ein. „Ich bin viel unterwegs, da ist die Nähe zu Flughäfen, Bahn oder eine gute Autobahnanbindung einfach wichtig“, sagt der bescheiden auftretende Weltenbummler.

In Glöbusch haben wir uns mit ihm zum Spaziergang verabredet. Tägliche Rundgänge mit Jack-Russell-Hündin Jackie gehören für Dieter und seine Frau Birgit Müller zum Fitnessprogramm. „Das ist das Schöne, man kann alles zu Fuß machen, muss nicht erst ins Auto steigen“, sagt Müller und nimmt die Leine für den Vierbeiner. Freudig schnuppernd rennt Jackie neben ihrem Herrchen her, man bleibt mal kurz stehen, um andere Hundebesitzer zu begrüßen, dann geht es über den Erbericher Kirchweg in den Wald. Am Kotbeutelspender zupft Müller eine Plastiktüte heraus, steckt sie in die Tasche. „Das ist ein toller Service“, findet er. Seine liebste Spazierstrecke führt ihn durch den Wald hinunter nach Altenberg, manchmal auf der anderen Seite des Tals im Schöllerhof wieder hinauf bis zur Dhünntalsperre.

Mit uns wird die Runde etwas kürzer, an einer Lichtung bleiben wir stehen und genießen den Blick hinunter zum Altenberger Dom. „Vor ein paar Tagen war hier ein Luftschiff im Tal unterwegs, das sah schon grandios aus, so ein kleiner Zeppelin vor dem Dom“, erinnert sich der dreifache Vater und zückt sein Handy, mit dem er den seltenen Anblick festgehalten hat. Der Altenberger Dom ist für Müller „immer wieder ein erhabener Anblick, dort gehen wir auch Weihnachten hin. Auch wenn es darin furchtbar kalt ist und man Ewigkeiten vorher dort sein muss“. Dass einmal in Odenthal ihr Haus stehen würde, war für die Familie keineswegs vorgezeichnet. „Wir hatten in Süddeutschland gebaut, als das Angebot aus Lerbach kam, die Jungs hatten dort ihre Freunde, meine Eltern lebten dort“, erinnert sich Birgit Müller. Sie hat ihren Mann „mit nicht ganz 17 Jahren“ kennengelernt, kam durch ihn zur Gastronomie und hat ihn bis heute auf allen Stationen begleitet. Inzwischen sind die beiden seit 34 Jahren glücklich verheiratet. Bis heute ist sie seine rechte Hand und kümmert sich um alles hinter den Kulissen. Auch bei den Kochkursen, die Müller seit ein paar Jahren im Odenthaler Eigenheim gibt. Ihr Glücksgeheimnis? „Mein Mann ist pflegeleicht. Wir können gut zusammenarbeiten, weil jeder seins hat – er die Küche, ich den Rest. Und privat, da freut er sich über einfache Dinge, wir essen ganz selten Fleisch“, erklärt die charmante Gastgeberin.

Ins Bergische kam Müller auf der Suche nach einer Küche, mit der er sich den dritten Stern im Gourmethimmel erkochen konnte. „Ich hatte in Wertheim zwei Sterne und wollte gerne den dritten, das war dort kaum möglich. Als ich ein Angebot von Max Grundig erhielt, in der Bühlerhöhe das neu zu eröffnende Restaurant zu leiten, war ich sehr neugierig. Er bot mir eine halbe Million Mark pro Jahr, was eine unvorstellbar hohe Summe war. Aber nach den Gesprächen lud uns der designierte Hotelchef auf ein Stück Pflaumenkuchen und Kaffee ein, das empfand ich als Beleidigung. Meine Frau und ich wussten schon auf dem Rückweg, dass wir dort niemals hingehen. Das war stillos“, erinnert sich Müller an den Beginn der 90er Jahre.

Kurz darauf erhielt er ein Angebot, für die Ritz-Carlton-Gruppe in Amerika zu arbeiten. „Aber nachdem man uns das beeindruckende Hotel in New York gezeigt hatte, drückte jemand auf den Liftknopf nach unten. Die Küche lag im Keller, zwölf bis 14 Stunden ohne Tageslicht, da koche ich nicht.“ Damit war Ritz Carlton erledigt. Letztlich trat Thomas C. Althoff an ihn heran und gewann ihn für die Idee, im damaligen Tagungshaus Lerbach ein Luxushotel mit Sternerestaurant zu eröffnen. Die fünfköpfige Familie Müller zog dafür zuerst nach Bergisch Gladbach. Aber schon bald wollte man das Reihenhäuschen gegen ein geräumigeres Haus tauschen.

„Letztlich war es auf einem Geburtstag des Architekten Bernd Zimmermann, auf dem ich mit einem Odenthaler ins Gespräch kam, der mir von einem ungewöhnlichen Haus erzählte, das in Glöbusch zu verkaufen sei. Wir sind hingefahren und haben uns sofort in die individuelle Architektur und den großen Wohnraum verliebt“, schwärmt Birgit Müller und deutet auf die große Glasfront, die den Blick in einen liebevoll gestalteten Garten freigibt. Hier sind die drei Kinder Oliver, Sebastian und Sophie aufgewachsen.

„Althoff ist ein guter Manager und Kaufmann, er hat immer sehr aufs Geld geachtet“, attestiert Müller seinem ehemaligen Chef Geschäftssinn. Letztlich kam es aber doch zum Bruch. „Ich wollte nach meinem 60. Geburtstag kürzer treten, schlug vor, mich auf die Rolle des Patron zurückzuziehen und Nils Henkel die Bühne zu überlassen.“ Aber diese Aufgabe füllte den Perfektionisten nicht aus, auch wenn „Nils Henkel einen guten Job macht“. Als Birgit und Dieter Müller schließlich aus dem Gault Millau erfuhren, dass ihr Restaurant künftig nur noch als Gourmetrestaurant Lerbach firmieren sollte, „war es an der Zeit zu gehen“.

Die Kochkurse, die in Lerbach durchgeführt wurden, bietet er seitdem in seiner heimischen Küche an. Im Frühjahr 2010 kam dann das Angebot, auf dem Luxusliner von Hapag Lloyd ein eigenes Restaurant zu eröffnen. „Alles vom Feinsten für den Gast, Geld spielt keine Rolle. Das war für mich eine völlig neue Erfahrung“, gibt Müller zu und strahlt. „Wenn ich mir neue Gerichte für das Schiff überlege, dann schicken die mir die gewünschten Lebensmittel erst mal nach Hause, damit ich sehe, ob die Qualität stimmt“, berichtet der Küchenmeister.

Das ist Terrierdame Jackie egal, sie bellt ihr Herrchen an, um ihn endlich dazu zu bewegen, dass er ihr ein paar Dhünnkiesel ins Wasser wirft, denen sie schwanzwedelnd hinterherjagt. Für sie ist die Gegend rund um das Zuhause ihrer Menschen ein großer Abenteuerspielplatz, den sie auch dann genießt, wenn das Ehepaar Müller an Bord geht. Sie bleibt bei einer Freundin der Familie. Eine Rückkehr ins Badische ist inzwischen auch für Birgit Müller unvorstellbar: „Hier fühlen wir uns zu Hause, hier wollen wir alt werden.“

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