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„Gruppe 48“Wettbewerb mit großem Vorbild

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Die ersten Preisträger der Gruppe 48: Uta Oberkampf (Autorenname: Uta Harst) und Thomas Schmidt-Rocha. Die Vorsitzende des Vereins Hannelore Furch (Mitte) gratulierte.

Die ersten Preisträger der Gruppe 48: Uta Oberkampf (Autorenname: Uta Harst) und Thomas Schmidt-Rocha. Die Vorsitzende des Vereins Hannelore Furch (Mitte) gratulierte.

Rösrath – Der Mönch, der im Augustinushaus vom Leder zog, hatte das bigotte Leben im Kloster satt und rechnete ab mit den „Bettelmönchen, die wie die „Made im Speck gelebt haben“ und die „Obdachlose wie Schweine mit lieblos geschmierten Pennerstullen abspeisten“.

Hubert Michelis hatte den Ordensbruder Leo als Hauptfigur seines neuen Romans mit nach Rösrath gebracht. Der Mann aus Langen bei Offenbach war einer von vier Autoren, die am Samstag im ersten Wettbewerb der „Gruppe 48“ antraten.

„Hier geht es heute nur um Ruhm und Ehre“, sagte Jan Michaelis, „wir wollen unser Konzept erproben und haben erstmal nur eine interne Ausschreibung gemacht.“ Im kommenden Jahr, wenn die legendäre „Gruppe 47“, die die Rösrather sich zum Vorbild genommen haben, 70 wird, möchte man sich mit einer größeren Veranstaltung und Preisgeld-ambitionierten Autoren der literarischen Öffentlichkeit präsentieren. Eventuell soll zur Realisierung des Vorhabens ein Förderverein ins Leben gerufen werden.

„Wir folgen den Fußspuren der Gruppe 47 und schlagen die zeitgemäße Richtung ein“, lautet die Devise des Zusammenschlusses, der sich als lose Vereinigung deutschsprachiger Literaten versteht, und deren Mitstreiter sich größtenteils über soziale Netzwerke gefunden haben.

Initiiert und gegründet von der Rösratherin Dr. Hannelore Furch will die Gruppe 48 mit ihrem Wettbewerb auch eine „Alternative zu klassischen Literaturpreisen“ sein. Noch sind die Fußstapfen groß und der Andrang ist übersichtlich. Zwar gehören dem seit Februar existierenden Zusammenschluss bereits rund 50 Autoren aus ganz Deutschland an, aber weil parallel zum Rösrather Wettbewerb die Frankfurter Buchmesse stattfindet, ist Hannelore Furch die einzige Vertreterin der sechsköpfigen Jury, die die (allesamt noch unveröffentlichten) Wettbewerbstexte ausgewählt hat.

Engagiert sollen die Beiträge sein, sich einmischen in Themen der Zeit. Gewaltverherrlichung ist dabei ebenso tabu wie Sexismus oder „Schmunzelliteratur“. So setzte sich „Das Vermächtnis“ von Rohna Buehler aus Walberberg kritisch mit Veränderungen der Gesellschaft auseinander, und ging es dem Frankfurter Thomas Schmidt-Rocha in seinem „Pluto“-Manuskript um Ausbeutung und Unterdrückung in der Arbeitswelt.

„Im Garten der Worte“ hatte sich Uta Harst niedergelassen. Die Rösratherin hatte ein Heimspiel und erzählte in ebenso poetischen wie hintergründigen Worten vom Zusammentreffen einer Lehrerin und einer türkischen Mutter, bevor Hubert Michelis mit starken Worten seinen sinnsuchenden Bettelmönch auftreten ließ. „Bodhisattwa“ nennt sich der Roman (ein Name, der im Buddhismus einen erleuchteten Menschen beschreibt), Untertitel: „Erst das Fressen, dann die Moral“.

20 Minuten hatte jeder Autor Zeit für seinen Vortrag; danach machte sich im Saal eine Mischung aus Werkstattatmosphäre und Klassenzimmer breit. Es wurde weder mit Lob noch mit Kritik gegeizt. Dass ausgerechnet über dem Lesetisch die einzige defekte Lampe im Saal hing, störte niemanden. Es sollten schließlich die Texte glänzen und nicht die Autoren.

Kontakt zu den großen Vorbildern hatten die Initiatoren im Vorfeld ebenfalls gesucht, jedoch nur spärlich gefunden.

Zu den wenigen, die sich mit dem Engagement der Rösrather auseinandergesetzt haben, gehörte der Odenthaler Schriftsteller Jürgen Becker, der sein Mitwirken aber aus Zeitgründen ablehnte. Am Ende der Veranstaltung konnten zwei Autoren mit ihren Arbeiten die gleiche Stimmenzahl auf sich vereinigen: Uta Harst und Thomas Schmidt-Rocha sind die ersten Preisträger der Gruppe 48 und wandeln damit nun ein wenig auf den Spuren von Ingeborg Bachmann und Günter Grass, die einst von der „Gruppe 47“ ausgezeichnet wurden.

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