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Künstlerduo molitor & kuzminLicht als Brückenschlag

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Geometrie in Licht: Eine der beiden Wandinstallationen des Künstlerduos in Moskau

Geometrie in Licht: Eine der beiden Wandinstallationen des Künstlerduos in Moskau

Rösrath – Magisch zieht der Lichtkranz den Blick an. Die gleißend leuchtenden Neonröhren, die in einer geordneten Unordnung ringförmig auf dem Boden liegen, haben eine besondere Wirkung auf den Betrachter. Dünne weiße Drähte führen von dieser Lichtquelle viele Meter hoch in den kreuzförmigen Transformator unter der Decke. Im vorigen Jahr hatte die mächtige Lichtinstallation des Künstlerduos molitor & kuzmin Generalprobe im Kölner Kunsthaus Rhenania im Rheinauhafen.

Vor kurzem, im März, waren Ursula Molitor und Vladimir Kuzmin mit zwei weiteren Lichtinstallationen der Hauptanziehungspunkt für viele Tausend Besucher im Nationalen Zentrum für zeitgenössische Kunst in Moskau (NCCA). Eine 600 Quadratmeter große Halle widmete das Museum allein dem international renommierten Duo, dessen weibliche Hälfte in Rösrath beheimatet ist. In der Ausstellung „Prostanstvo Lucida“ (Lichtraum) waren in der erlesenen Schar der Lichtkünstler auch Erik Blulatov (Paris), Ilya Kabakov (USA) und John Cage (USA) vertreten. Fach- und Tagespresse begleitete die Präsentation mit begeisterten, feurigen Kommentaren und Artikeln – vielleicht ein Ausgleich zu den 20 bis 30 Grad Minustemperaturen in der russischen Hauptstadt.

Schon oft haben molitor & kuzmin in Moskau ausgestellt. Ein Galerist vermittelt ihre Werke an Sammler – man kennt sie in Fachkreisen. Für Vladimir Kuzmin bedeutet der Aufenthalt in die Stadt an der Newa immer wieder auch ein Rückblick auf die Vergangenheit, auf die Zeit in Russland. Aufgewachsen ist er in Saporoshe in der Ukraine, studierte in Moskau Architektur, wandte sich der „Kashirka“, der freien Kunstszene im Undergrund, zu. Die etablierten Staatskünstler malten damals wie heute im konventionellen Stil. Ab 1983 stellte er seine avantgardistischen Werke nicht nur in Moskau, sondern auch in Warschau, Hamburg, Amsterdam, New York und Berlin aus.

Anfänge der künstlerischen Beziehung

Etwa zeitgleich begann Ursula Molitor, die in Hamburg Grafikdesign studiert und sich bald der freien Malerei zugewandt hatte, in Köln, Bergisch Gladbach, Warschau, und eben auch in der Kashirka in Moskau auszustellen. „Über diese Ausstellung in Moskau haben wir uns kennengelernt“, erinnert sich Ursula Molitor, die mit ihrer Familie in Rösrath-Forsbach lebt, an die Anfänge der künstlerischen Beziehung.

Der deutsch-russische Kunstaustausch begann: 1991 gab es in Bergisch Gladbach ein Forum mit russischen Künstlern. In der Galerie Schröder und Dörr hatte Vladimir Kuzmin eine viel beachtete Einzelausstellung. „Ich habe die Gelegenheit gehabt, als Künstler hier Fuß zu fassen“, erinnert er sich an die erste Zeit im Westen. Die Weichen für die Zusammenarbeit mit Ursula Molitor waren gestellt. Noch spielte die Malerei die dominante Rolle im Kunstschaffen bei beiden Künstler. Doch irgendwann wurde Kuzmin die Malerei zu eng, er integrierte das Licht in die zweidimensionale Ebene. „Das Licht war stärker als die Malerei.“

Zum ersten Mal kooperierte das Künstlerduo im Sommer 1996 mit dem Projekt „Lichtzeit“. Es wurde vom AdK, Arbeitskreis der Künstler Bergisch Gladbach, und Pfarrer Thomas Werner unterstützt. „Es war ein groß angelegtes Projekt“, erklärt Molitor die richtungsweisende Gemeinschaftsproduktion mit einer Laserinstallation und einer Lichtarbeit. Von der Turmspitze der Gnadenkirche richtete sich der gleißende Lichtstrahl 20 Kilometer weit auf den Kölner Dom – wie ein Brückenschlag. In der Kirche hing im Altarraum ein Neon-Eisenkreuz, das sich auf großen Metallplatten spiegelte, im Vorraum stand das Objekt „Zeit“. „Wir haben Licht und Zeit auf Reise geschickt – das war unser Start zu gemeinsamen Lichtinstallationen“, erklärt Molitor.

„Beide gleich stark“

Fast 20 Jahre ist das her. Seit langem haben molitor & kuzmin ein gemeinsames großes Atelier in der Dhünnwalder Art Factory. Ihre Familien pflegen eine herzliche Freundschaft miteinander. Bei der Entwicklung neuer Konzepte geht das Künstlerduo gemeinsam auf die Gedankenreise, die sich zu einem konzeptuellen Ergebnis formt. „Durch gemeinsame Projekte haben wir festgestellt, dass wir uns fantastisch ergänzen – es ist die optimale künstlerische Symbiose“, sagt Molitor. „Wir sind nicht sofort über ein Konzept einig, werfen aber in der Diskussion unsere Meinung in die Waagschale und arbeiten daran – wir sind beide gleich stark.“ Doch es spiele keine Rolle, wer was gesagt oder umgesetzt habe: „Es gibt einen Lichtpunkt – da führt die Entwicklung hin.“ Die großen räumlichen Arbeiten seien immer wieder eine große Aufgabe für zwei Künstler.

Längst ist Vladimir Kuzmin deutscher Staatsbürger geworden. „Mental bin ich ein Russe geblieben, aber ich bin mir sehr den Möglichkeiten bewusst, hier künstlerische Arbeiten frei zu entwickeln“, sagt er. „Ich bin geprägt von russischer Kunst. Ursula ist anders, offener geprägt. Zusammen sind wir Träger zweier Kulturen, die wir miteinander in der Kunst verschmelzen.“

Mit Lichtinstallationen wie dem Lichtturm in Palermo, dem großen Lichtkubus vor der Münchener Herz-Jesu-Kirche und vielen anderen Installationen haben sie sich international als Lichtkünstler etabliert, sind vertreten in Museen und in Sammlungen – auch in der Städtischen Galerie Villa Zanders in Bergisch Gladbach.

www.molitor-kuzmin-art.de

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