Votum in der HeimatBriten aus Rhein-Berg sind entsetzt über den Brexit

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Hartmut Last  betreibt in der Grünen Ladenstraße in Bergisch Gladbach das Geschäft „Big Ben“ –  und egal, ob die Briten  aus der EU austreten, der Name wird nicht geändert.  

Rhein-Berg – England hat abgestimmt und Rhein-Berg trauert.  Jedenfalls die meisten Menschen aus dem Vereinigten Königreich, die im Rheinisch-Bergischen Kreis wohnen. So wie Kate Antoine. Die Mitarbeiterin der Firma Spiggle & Theis aus Overath  ist bestürzt.

„In der Nacht  um 2 Uhr war die Welt noch in Ordnung. Heute Morgen ist alles anders“, sagt die Engländerin am Freitag. Nach den ersten Hochrechnungen  sah es noch so aus, als ob die Briten für einen Verbleib in der EU gestimmt hätten. Antoine war erleichtert, bis in den frühen Morgenstunden das gegenteilige Ergebnis feststand. „Ich konnte die hässliche Fratze von Nigel Farage im Fernsehen kaum ertragen“, sagt die  überzeugte Europäerin.  Der Europaabgeordnete Farage trieb mit seiner Partei UKIP den Austritt der Briten aus der EU voran.

„Es ist eine Entscheidung gegen die jungen Engländer, eine Entscheidung gegen deren Zukunft“, glaubt die Britin. Einen Tag vor der Abstimmung habe sie noch mit ihrer Schwester in England gesprochen. Vor einigen Wochen  habe  die mit dem Gedanken gespielt, für einen EU-Austritt zu stimmen. Dann sei sie umgeschwenkt. Antoine: „Wenn wir nicht drinbleiben, können wir auch nichts verändern, hat meine Schwester gesagt.“

Schlecht informiert

Ihr Chef, David Spiggle, geboren in Swansea in Süd-Wales, ist ebenfalls nicht erfreut über das Abstimmungsergebnis.  Er glaubt, dass die Menschen im Königreich schlecht informiert wurden. Die politischen Gegner hätten nur persönliche Vorteile aus der Abstimmung ziehen wollen. Finanzielle Nachteile sieht Spiggle für sein Unternehmen aktuell noch nicht.

„Wir generieren nur einen kleinen Anteil unseres Umsatzes mit Kunden im Vereinten Königreich.“ Mehr Sorgen macht sich der Waliser um den Frieden in Europa. „Wir haben seit langem echten Frieden. Heute kann sich niemand mehr vorstellen, dass England oder Frankreich   gegen Deutschland in den Krieg ziehen.“ Der langwährende Friede ist für ihn auch ein Resultat der engen Zusammenarbeit der Länder in der EU.   Seine zweite Sorge gilt einer möglichen Austrittswelle: „Andere wollen jetzt vielleicht auch raus“, befürchtet der Kaufmann. 

Persönliche Konsequenzen

„Das ist so schrecklich.“ Paul Mundy, gebürtig aus Essex südlich von London und seit 20 Jahren im bergischen Kürten zu Hause, ist  fassungslos. „Nur die Nationalisten freuen sich, die AfD, Putin und Trump. Das Vereinigte Königreich wird  auseinanderfallen“, fürchtet er. Seine Landsleute hätten „die Fakten ignoriert“ und emotional entschieden. Der Austritt könne auch für ihn persönlich Konsequenzen haben. „Ich überlege, ob ich nicht eine doppelte Staatsangehörigkeit annehmen soll.“

Als Entwicklungshelfer ist Mundy weltweit unterwegs. „Im Augenblick habe ich als EU-Bürger keine Probleme, was als Brite sein wird, weiß ich nicht.“ Seine Schwiegertochter, eine Deutsche, arbeite in London, sein Sohn, mit britischem Pass, lebe in Italien. „Gar nicht vorzustellen, was das alles bedeuten kann.“

Um 4 Uhr morgens ist Lis Liesicke aufgestanden, um die ersten Hochrechnungen aus ihrem Heimatland mitzubekommen. Die Dozentin am b.i.b.-College in Bergisch Gladbach  hatte da noch gehofft, dass sich die  Zahlen zugunsten der EU drehen.  Bis zuletzt habe sie nicht  an eine Mehrheit für einen Austritt geglaubt.   Auch  Liesicke fürchtet, dass das Vereinigte Königreich auseinanderfallen wird. „Die Schotten haben mehrheitlich für Europa gestimmt, das wird Folgen haben.“

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