Lebenscoach aus BergheimDie Grenzen der Männer

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„Männer reden lieber mit Frauen“, sagt Katharina Bertulat. Das sei ihr Vorteil. „Wenn sie mit männlichen Coaches reden, geht es ja wieder darum, wer besser ist und wer gewinnt.“

„Männer reden lieber mit Frauen“, sagt Katharina Bertulat. Das sei ihr Vorteil. „Wenn sie mit männlichen Coaches reden, geht es ja wieder darum, wer besser ist und wer gewinnt.“

Bergheim – Was ist eigentlich männlich? Die Frau an den Haaren in die Höhle schleifen? Mammuts mit der bloßen Hand erwürgen? Wie Superman mit flatterndem Umhang die Welt vor Bösewichten retten? Mit Zigarette im Mundwinkel in Richtung Sonnenuntergang reiten? Im Hochfinanzkapitalismus die Milliarden verheizen? Die Umwelt zerstören? Katharina Bertulat lacht. „Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Aber die in Jahrtausenden entwickelten Vorstellungen, was Männlichkeit ist, geistern wirklich immer noch in unseren Köpfen herum.“

Für die Frau aus Bergheim, die vor allem auch Männern in Krisenzeiten hilft, gehört der Umgang mit diesen Archetypen zum alltäglichen Geschäft. Denn die sind es, die Männern und Frauen in modernen Zeiten immer noch in die Quere kommen. Während Frauen jedoch dank Emanzipation und Mädchenförderung scheinbar in einer gleichberechtigten Welt angekommen sind, hinken Männer hinterher. Und straucheln bisweilen.

Zu der 48-jährigen Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, die ihre Praxis im ruhig gelegenen Privathaus betreibt, kommen vor allem Männer, die nicht mehr weiter wissen. Bertulat ist Wirtschaftsjuristin und Mediatorin und hat zudem ein Zertifikat erworben, um als Coach tätig sein zu können. Konflikte mit dem Vorgesetzten, Kommunikationsprobleme im Büro, eine im Alltag und Schweigen versunkene Ehe, stockende Karriere, Orientierungsschwierigkeiten nach Schule und Studium – wenn Männer an ihre Grenzen kommen, versucht Katharina Bertulat, sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg zu machen. Für Männer berge die Lebenskrise besonders große Gefahren, hat sie festgestellt.

Männer redeten nicht gern, verdrängten Gefühle und Probleme und würden überproportional häufig süchtig. „Außerdem begehen in Deutschland jährlich dreimal mehr Männer als Frauen Selbstmord. 7500 Männer schaffen das dann leider auch. Zehnmal mehr versuchen es.“ Auch das sei eine Form von Männlichkeit. „Wenn die nicht mehr wollen, machen sie ernst. Männer sind konsequent.“

Deswegen sei der Weg aus der Krise zu sich selbst mitunter besonders schwierig. Die Bewältigung sei aber auch immer eine Heldengeschichte. Mut sei gefragt. Und die Bereitschaft, sich durchzubeißen.

Sich mit brachialer Urgewalt und fäusteschwingend den Weg einfach frei zu schlagen, das war vielleicht in Zeiten der Säbelzahntiger und Mammuts noch ein probates Mittel. „Heute müssen Männer die Männlichkeit neu entdecken.“ Leichter werde das dadurch, dass offenbar in der Gesellschaft die Bereitschaft besteht, über dieses Thema zu diskutieren. In vielen Zeitungsartikeln wird den Frauen aber eine Mitschuld an der Misere attestiert. „Ich würde mich mit einseitigen Schuldzuweisungen zurückhalten“, sagt Bertulat. „Aber ganz von der Hand zu weisen ist das nicht.“ Frauen hätten zu Hause das Zepter meistens in der Hand. Sie erzögen die Kinder, verwalteten das Geld, richteten das Haus ein, hätten mitunter einen Beruf. Männer sollten sich an den häuslichen Dingen beteiligen, einfühlsam, aufmerksam, sanft und redselig sein. Doch wenn sie zu weich würden, sei das den Frauen auch nicht recht. Die wollten auch den männlichen Mann, der sich mit breiten Schultern vor die Familie stelle und immer stark sei. Was denn jetzt? „Ja, das fragen sich auch die Männer. Und irgendwann ist die Rollenkonfusion zu groß.“ Sie suchten sich männliche Kompensationsmechanismen, bildeten männliche Seilschaften im Büro, führen schnelle Autos und angelten sich junge Frauen.

Die Herausforderung sei, im Dschungel der Rollenkonflikte und Geschlechtermöglichkeiten den eigenen Weg zu finden. „Ich helfe den Klienten dabei, einen Kontakt zu den eigenen Gefühlen herzustellen. Sie sollen sich auf ihre Stärken besinnen und zwischen den Extremen ausgleichen.“ Auch Frauen müssten ein Problembewusstsein entwickeln und den Männern die Hand reichen, um sie vom Abgrund wegzuziehen. Eine Lösung für alle gebe es dabei nicht. Ein Mammut konnte mit einem Speer aufgespießt oder über die Klippe gejagt werden. Eine Krise kann auf unterschiedliche Weise bewältigt werden. Die Männer hatten die Wahl. Und sie haben sie auch heute noch.

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