SegelfliegerBeim Tag der offenen Tür in Paffendorf staunten die Besucher

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Gyrocopter, Flugmodelle und Propellermaschinen rundeten das Ensemble der Fluggeräte ab.

Gyrocopter, Flugmodelle und Propellermaschinen rundeten das Ensemble der Fluggeräte ab.

Bergheim-Paffendorf – „Wenn es keine Flügel hat, steige ich nicht ein“, habe einmal sein Wahlspruch gelautet, bekennt Moderator Frank Thies auf dem Fluggelände des LSC Erftland über die Lautsprecher. Bis er dann kürzlich doch eingestiegen sei, in einen Gyrokopter, ein Fluggerät, getrieben von nur einem Propeller im Heck und Rotorblättern wie beim Hubschrauber, diese freilich ohne eigenen Antrieb.

Die hohen Temperaturen bei einem Besuch eines Flugtages hätten ihn dann doch verleitet, diesem „Gammelfleischdrehspieß für Fortgeschrittene“ zu vertrauen, sagt der Segelflieger am Samstag. Und siehe da, der Fahrtwind im Gesicht des offenen Fluggerätes sei sehr erfrischend gewesen.

Der Besucher Dieter Colling aus Berrendorf will es dann doch genau wissen und tut es dem Segelflieger nach. „Es ist wunderbar und sehr windig“, sagt Colling nach rund 20 Minuten Flug als Copilot von Horst Zimni, der wie in den Jahren zuvor anlässlich des Flugplatzfestes des LSC Erftland zum Mitfliegen in sein Fluggerät einlädt.

Colling rühmt die Aussicht „von oben“, bis zur Sophienhöhe und den Rand des Tagebaues Hambach habe ihn der Flug getragen.

Einziges Manko: Er habe seinen Fotoapparat nicht mit einer Schlaufe am Handgelenk sichern können, also Fotografierverbot erhalten. Dennoch ist Colling einsichtig. Nicht auszudenken, wenn bei 130 Stundenkilometern Geschwindigkeit und 500 Metern Höhe der Apparat in den Heckpropeller fallen würde.

Kunstflug in Perfektion

Wenn es um erste und fortgesetzte Flugerfahrungen jenseits der Reise im Ferienflieger geht, ist das Flugplatzfest auf der Wiedenfelder Höhe die Anreise wert. Empfangen die Segelflieger mittels Ausnahmegenehmigung am Wochenende auch kleine Motorflugzeuge wie eine russische YAK und demonstrieren Modellflieger wie Marcel Flier vom Elsdorfer Modellsportclub Condor Kunstflug mit unbemannten Flugzeugen in Perfektion, steht im Zentrum des Festes doch die Segelfliegerei.

Wer möchte, kann an diesem warmen Spätsommertag mit einem fachkundigen Piloten in einem der modernen Zweisitzer mitfliegen oder selbst in einer Schulungsmaschine einmal Pedale und Steuerknüppel bedienen, das aber freilich am Boden. Nicole Lauer macht Neugierige hier mit den Instrumenten vertraut und weiß das Feuer für die Segelfliegerei mit eigenen Geschichten und solchen der sportlich ambitionierten Segelflieger des Vereins zu entfachen.

Wer glaubt, mit drei Runden über den Platz die Segelfliegerei schon ausgelotet zu haben, dem erzählt sie von jungen Piloten wie Jan Knischewski, der zum Streckenrekord rund zehn Stunden am Stück in der Luft gewesen sei. Am Nachmittag sieht man Nicole Lauer selbst in einen Flieger einsteigen, einen echten Oldie von 1955, dem „Grunau Baby 3“ des Düreners Christoph Kroll.

„Das ist wirklich eine Ehre für mich, dass ich das Flugzeug fliegen darf“, freut sie sich und schickt dem Ehegatten, der leider das Bett hüten müsse, noch kurz vor dem Start ein stolzes Selfie im Oldtimer.

Als Schulungsflugzeug für das belgische Militär sei das Segelflugzeug ganz aus Holz und Segeltuchbespannung vom Hersteller Alexander Schleicher von der Hessischen Wasserkuppe an die Belgier am Flughafen Butzweilerhof nach Köln geliefert worden.

„Ganz klein“ habe man dort die Ausbildung zu Fallschirmjägern und Piloten angefangen, weiß Christoph Kroll. Mit etwas Pflege halte er den Oldtimer mit 50 Euro im Jahr in Schuss, freilich mache er die Wartungen selbst, als Beschäftigter in einem Betrieb für Luftfahrttechnik.

Sein Vater Christian Kroll erinnert sich gut. Das Grunau-Baby und ein weiteres mit einem fehlenden Flügel hatte er 1964 als Leistung für eine Schweißarbeit an einem Flugzeug aus einer Halle mitnehmen können.

Einen weiteren Oldtimer in Holzbauweise, eine „Kumulus“ hatte er vor 38 Jahren für 2000 Mark kaufen können, auch dieses Flugzeug zeigten die Krolls in einem flugtauglichen Zustand.

Moderator Thies, gleichzeitig der Vorsitzende des Oldtimer Segelflugklubs an der hessischen Wasserkuppe, zeigt den Nachbau eines alten Habichts, nach Bauplänen, die eigens restauriert und teilweise neu berechnet wurden. Bei den jungen Leuten findet die Liebe zu den Oldtimern breite Zustimmung. Der 21-jährige Pilot Dennis Esser entschied sich gar für eine Mitgliedschaft im Oldtimerclub: „Es macht Spaß ein Stück Geschichte zu erleben. Da weiß man, wo die Fliegerei herkommt.“

Umgang mit Segeltuch

Als „Prüfer für Luftfahrgerät“, also dem TÜV für Flugzeuge, taucht Kroll alljährlich auf dem Flugplatz zur Prüfung der Segler auf. Die Wartung und Reparatur der Maschinen leisteten die Mitglieder des Vereins ja selbst, sagt Kroll. Wie das geht, lernen sie bei Kroll.

Sieben junge Leute unter 20 Jahren hätten sich zum Lehrgang in der Aachener Werkstatt Krolls für diesen Winter angemeldet, sagt Werkstattleiter Michael Lenz. Die Zeit ab November nutzten die Mitglieder zum Fetten von Seilzügen, Beheben von kleineren Schäden an Achsen oder der Bespannung.

Bei Kroll lernten sie Lackierarbeiten, den Umgang mit Holz, Segeltuch, aber auch die Reparatur moderner Verbundstoffe und Glasfaser. „Wir wollen Wissen über Generationen hinweg weitergeben“, sagt Lenz, nur so könne der Verein in tausenden Arbeitsstunden das Funktionieren der Flugzeuge kostengünstig leisten.

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