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Tragisches UnglückKaum öffentliche Hilfe nach Hauseinsturz in Bergheim

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  • Am 6. August 2014 ist das Haus von Frank Muntz und Simone Gorning in Bergheim-Quadrath-Ichendorf eingestürzt.

Bergheim-Quadrath-Ichendorf – Wut, Trauer, Fassungslosigkeit: Frank Muntz und Simone  Gorning  können mit dem Unglück nicht abschließen, weil auch 20 Monate nach dem Einsturz ihres Hauses die Ruine nahezu unverändert an den Schicksalstag erinnert. 

Zum Glück waren beide bereits zur Arbeit aufgebrochen, als ihr Haus am 6. August 2014 wegen  Ausschachtungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück einstürzte. „Sonst wären wir vermutlich tot“, sagt Simone Gorning, deren Stimme immer noch bedrückt klingt, wenn sie zurückblickt.

„Wir hatten nichts mehr“, erinnert Muntz sich an die Tage nach dem plötzlichen Verlust seines Zuhauses. Von einem Freund, der auch eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt hatte, hat er für den ersten Tag Kleidung bekommen, dann begonnen, sich neu einzukleiden. Nur ein paar Sachen konnten geborgen werden, auch dank eines Nachbarn, der als Dachdecker seinen Hubsteiger zur Verfügung gestellt hatte, um einige Habseligkeiten aus dem Dachgeschoss von oben zu bergen.  Denn das Betreten des Hauses war und ist zu gefährlich. Öffentliche Hilfe sei ihnen dagegen kaum zuteilgeworden, bedauert  Gorning.

Statik unsicher

„Es geht nichts voran“, klagt ihr damaliger Lebensgefährte Frank Muntz (49), der   mit Unterbrechungen       von Geburt an in dem Haus gelebt hat, das seine Großeltern 1958 in der Straße Im Rauland gebaut haben.   Grund ist unter anderem die fragile Statik der Ruine. Gutachter, die die Ursache aufklären könnten, dürfen aus Sicherheitsgründen nicht in die Baugrube. Und für den Abriss, der rund 50 000 Euro kosten würde, hat Muntz kein Geld.

Auch die  private Seniorenpension Jagniatkowsi & Geray,  Bauherr auf dem Nachbargrundstück, beklagt den langen und kostspieligen Stillstand. Sie will  ihre Pension   erweitern und benötigt nach Umbau des bestehenden Gebäudes an der parallel verlaufenden Bertlingsgasse dringend den Neubau, der schon im vergangenen Jahr in Betrieb gehen sollte.   Edward Jagniatkowsi   würde gerne in Vorleistung gehen und die Ruine abreißen lassen. Er verhandelt zurzeit, bislang ohne Erfolg, mit den Banken über die entsprechende Finanzierung. „Außer uns hat offenbar niemand Interesse daran, dass es weitergeht“, klagt er. Erst nach Abriss könnten die Gutachter die Arbeit aufnehmen und die rechtliche Abwicklung weitergehen. Das im Ort kursierende Gerücht, dass der Abriss noch in diesem Monat beginne, sei haltlos. Leidgeprüft ist auch Kanagasabai Jenthra. Seine benachbarte Pizzeria, die er seit 25 Jahren betreibt,  wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Setzrisse im Haus, das Kühlhaus im Hof, ebenfalls teils eingestürzt und bis heute unbenutzbar, der Weg zum Hintereingang   weggeknickt.  Sechs Wochen lang blieb sein Pizzaofen von Amts wegen  kalt, weil das Haus zunächst unterfangen  werden musste.  Die Straße  war gesperrt, blieb anschließend Einbahnstraße.   Das habe auch die Laufkundschaft  abgehalten.  Seinen Verlust beziffert er sechsstellig.

Setzrisse gab es auch an dem eingestürzten Haus schon vorher, bei Beginn der Ausschachtungsarbeiten, wie Muntz sagt. Er  habe  sich damals mit Jagniatkowski darauf verständigt, nach Abschluss der Arbeiten Finanzausgleich und Reparatur zu regeln.

Bis heute „keinen Pfennig bekommen“

Bis heute hat Muntz nach seinen Angaben „keinen Pfennig bekommen“. Dafür stehen ihm allerdings Kosten ins Haus. „Wenn ich Geld bekomme, wird die Stadt sicher vorstellig“, fürchtet der Chemikant. Die Stadt kontrolliert wöchentlich die Statik des Hauses, hat die Straße unterfangen und die Grubenböschungen gesichert. Hinzu kämen Kosten für die von der Stadt beauftragte  Security, die in den ersten Tagen verhindert hat, dass das Haus geplündert oder von Unbefugten betreten wird. Eine städtische Ordnungsverfügung zum Abriss habe die Stadt jedoch wieder zurückgezogen, wie Bauamtsleiter Wilhelm Schumacher bestätigt. 

„Es hat Monate gedauert, bis die nervliche Anspannung etwas nachließ“, sagt Muntz.  Simone  Gorning hat rund 20 Jahre in dem Haus gelebt, „das wir geliebt haben“. Sie kennt bis heute „Phasen, in denen ich kraft- und mutlos bin. Gelegentlich fahre ich hin, um zu weinen und um gedanklich durch das Haus zu gehen.“ Am Jahrestag des Einsturzes hat sie Kerzen vor dem Haus aufgestellt, um die Geschehnisse zu verarbeiten. Der Tag des Einsturzes habe ihr Leben verändert. Klage liegt beim Amtsgericht

„Unsere Privatsphäre  liegt im Dreck der Baugrube“, klagt sie. Sie könne erst abschließen mit der Katastrophe, wenn das Haus endlich abgerissen sei.  Aber auch Wut kann sie nicht zurückhalten. „Die Verantwortlichen haben mit unserem und dem Leben der Arbeiter gespielt“,  klagt sie Fehler  bei der Sicherung der Ausschachtung an. „Die wollten Geld sparen“, vermutet sie als Ursache.  Aber auch dies: „Bis heute haben wir keine Entschuldigung  gehört.“ Einst gute Nachbarn, grüße man sich heute nicht mal mehr, sagt Muntz. Beim Amtsgericht  liegt die Akte der Klage von Muntz gegen Jagniatkowski zurzeit beim Richter, wie eine Gerichtssprecherin sagt. Ein Termin zur Verhandlung sei bislang nicht anberaumt. Die Ruine wird daher bis auf weiteres an den  Tag im August 2014 erinnern.

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