Kriegsende in Rhein-ErftElsdorfer Trümmerfrau Hermine Seffern erinnert sich an Fliegerangriffe

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Elsdorf – Der 29. November 1944 und die folgenden Tage sind Hermine Seffern (89) unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt. Es war der Tag, an dem viele Elsdorfer durch einen Fliegerangriff ums Leben kamen und große Teile des Ortes zerstört wurden. Anschließend musste die damals 18-Jährige mithelfen, als „Trümmerfrau“ die Gehwege und Straßen von Mauersteinen zu befreien. Elsdorf war Ziel amerikanischer Bomber geworden, „weil auf dem Bahnhof Truppen von Lastwagen auf die Bahn umstiegen, um an die Front zu gelangen“, erinnert sich Hermine Seffern. Der Aufenthalt eines deutschen Fallschirmregiments in der Gemeinde war den Amerikanern offenbar bekanntgeworden.

Luftminen ließen Lungen platzen

Und die Bilder erscheinen klar vor ihren Augen. „Durch die Luftminen sahen viele Tote so aus, als wenn sie schliefen. Aber die Lungen waren geplatzt“, beschreibt sie die Katastrophe. 360 Menschen seien zu Tode gekommen, „ganze Familien wurden ausgelöscht“, und viele zerstörte Häuser habe es gegeben, besonders rund um Bahnhof, Köln-Aachener Straße, damals noch Hauptstraße, und Gladbacher Straße.

Eigentlich hätte Hermine Seffern in Köln sein müssen, wo sie bei der Stadt beschäftigt war. Wegen der schwierigen Zugverbindungen „habe ich blau gemacht“, gesteht sie. „Am nächsten Tag gab es meinen Arbeitsplatz nicht mehr.“ Das Gebäude der Stadthauptkasse, unweit des Doms neben der Früh-Brauerei, war zerstört, der Chef und weitere zwölf Mitarbeiter tot.

Am Tag des Angriffs hielt Hermine Seffern sich Auf dem Driesch im Haus der Großmutter auf. „Als am Mittag die Sirenen gingen, kam die Oma gerade mit einem Topf Kartoffeln an den Esstisch“, berichtet sie. Am Haus sei nach dem Angriff das Dach kaputt gewesen, an anderen Häusern dagegen ganze Fassaden zerstört.

Erst 1943 war die Familie Bender – Hermine Sefferns Vater war der spätere Bürgermeister Josef Bender – von Köln zurück nach Elsdorf gezogen, um den Bombenangriffen auf die Rheinmetropole zu entkommen.

Mit Bollerwagen nach Köln-Rodenkirchen geflüchtet

Unmittelbar nach dem Angriff sei die Familie mit einem Bollerwagen zu Fuß zu Verwandten nach Rodenkirchen geflüchtet. Vater und Tochter kehrten jedoch bald zurück. Dort wurden sie mit Dutzenden von Frauen von Bürgermeister Dervenich, der in der Eisenbahnstraße eine Metzgerei betrieb, eingeteilt, die Bürgersteige der Gladbacher Straße vom Trümmerschutt zu befreien. „Da lagen sogar noch Tote drunter, auch welche, die ich kannte“, berichtet Hermine Seffern, auch über 70 Jahre später noch mit Entsetzen im Blick. „Da konnte ich zunächst nicht mehr weiterarbeiten.“

Über mehrere Tage habe sich der Arbeitseinsatz hingezogen, erinnert sich die Seniorin. Wieder in Erinnerung gekommen sind ihr die Tage durch einen Artikel in der Zeitungsbeilage „Prisma“. Dort wurde eine wissenschaftliche Publikation vorgestellt mit dem Titel „Mythos Trümmerfrauen“, in dem die Arbeitseinsätze als russische Propaganda und Legende abgetan wurden. „Das stimmt nicht, es gab die Trümmerfrauen wirklich, vielleicht nicht so viele, wie immer angenommen wurde, aber ich war eine von ihnen“, fasst Hermine Seffern leicht empört ihr Unverständnis zusammen.

Auch im eigenen Haus gab es einiges zu reparieren. „Die Amerikaner haben Möbel und Klavier ausgeräumt. Die Kleider hatten wir zum Glück bei Bekannten an der Sieg eingelagert“, berichtet Hermine Seffern. So habe der Vater im schwarzen Anzug das Dach reparieren müssen. Das fehlende Klavier konnte Hermine Seffern dagegen leicht verschmerzen. Bei Küster und Organist Hermann Dervenich hatte sie Unterricht gehabt. „Aber da hatte ich nie Spaß dran“, gesteht sie.

In den 50er-Jahren hat Hermine Seffern zusammen mit den Eltern das Haus am Birkenweg gebaut, in dem sie bis heute wohnt. 1963 heiratete sie den inzwischen verstorbenen Elsdorfer Polizeibeamten Gustav Seffern. Nach dem Krieg arbeitete Hermine Seffern viele Jahre bis zur Pensionierung beim Landratsamt in Bergheim und bei der Wohnungsgesellschaft Erftland.

Ihre Kriegserinnerungen würde sie gerne zu Papier bringen. „Aber dazu bräuchte ich jemanden, dem ich das diktieren kann“, sagt die Seniorin, der trotz geistiger Frische das Schreiben wegen zunehmender Arthrose etwas schwer fällt.

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