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Erster WeltkriegDer Luftschiff-Angriff endet im Wald

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Keiner wurde verletzt, als der Zeppelin in den Bäumen am Schneeberg notlanden musste

Keiner wurde verletzt, als der Zeppelin in den Bäumen am Schneeberg notlanden musste

Walberberg – Tag fünf nach der Mobilmachung im Vorgebirge: Es ist der 5. August 1914. In Köln laufen die Vorbereitungen zum ersten Luftschiffangriff der Kriegsgeschichte auf Hochtouren. Um 22 Uhr hebt der in Köln beim Luftschiffer-Bataillon 3 stationierte Zeppelin „Z VI Cöln“ ab, beladen mit Sprengbomben und Granaten. Sein Ziel ist die Festung Lüttich im neutralen Belgien.

Doch schon kurz nachdem die Deutschen das Feuer auf Lüttich aus der Luft eröffnet haben, wehren sich die Lütticher – und treffen das Luftschiff so sehr, dass es seinen Angriff abbrechen und abdrehen muss, um sich in die Heimat zu retten. Zunehmend verliert das beschädigte Luftschiff auf seiner Rückfahrt durch die Nacht an Höhe. Der 150 Meter hohe Schneeberg in Walberberg wird ihm schließlich zum Verhängnis.

Der erste Luftschiffangriff der Kriegsgeschichte endet vor 100 Jahren im Morgengrauen des 6. August 1914 gegen 5.30 Uhr in den Baumwipfeln des Schneebergs in Bornheim-Walberberg, mitten im uralten Wald der Familie von Canstein.

Heute ist der Wald am Schneeberg Naturschutzgebiet. Und die meisten Bäume, die dort in den Himmel ragen, dürften laut Burgherr und Eigentümer des Waldes, Magnus Freiherr von Canstein, wesentlich älter als 100 Jahre alt sein. „Die wuchsen schon, als mein Urgroßvater Franz von Kempis 1914 auf der Kitzburg hier lebte“, erklärt der 42-Jährige.

Auch Freiherr von Canstein ist auf der Kitzburg groß geworden. Schon als Kind habe er die Schneise, die der Zeppelin im Wald hinterlassen hat, gesehen. Bis heute ist diese Stelle im Schneeberg auszumachen. Denn die Bäume die dort wachsen, sind merklich jünger als die uralten mächtigen Bäume drum herum.

Margarete Wirtz war eineinhalb Jahre alt, als der Zeppelin in Walberberg notlanden musste. Ihr Vater sei auch gucken gegangen. Später habe auch ihr Mann vom Zeppelin berichtet. „Dieser Zeppelin war sogar noch im Zweiten Weltkrieg Thema, als am Schneeberg am Kitzburger Waldrand auch noch ein Flugzeug abgestürzt ist“, erzählt die 101-Jährige.

Ihr Ehemann sei ein Walberberger Junge gewesen. „Und er hat mir die Absturzstelle gezeigt“, ergänzt ihr Schwiegersohn Karl-Heinz Laufenberg (74). Mit ihm und später auch alleine sei er öfter in den Schneeberg marschiert.

Aber nicht nur im Wald der Familie von Canstein hat der Zeppelin Spuren hinterlassen, auch im Archiv der Kitzburg hat der Zeppelin vom Schneeberg seinen festen Platz. Säuberlich hat der damalige Burgherr Franz von Kempis, der später Ehrenbürger der Stadt Bornheim wurde, den munteren Schriftverkehr aufbewahrt, den er mit dem Hauptmann und Führer des Luftschifftrupps Nummer vier in Köln-Bickendorf nach dem 6. August 1914 geführt hatte

Denn der Wald hatte bei dem Landemanöver des Zeppelins ordentlich Schaden genommen. Um das 148 Meter lange Luftschiff zu bergen, musste ein gutes Stück des Waldes abgeholzt werden. Um Schadenersatz bemühte sich damals von Kempis vergeblich. In einem Schreiben vom 18. November 1914 aus Köln-Bickendorf an den Burgherrn wird ihm sogar mitgeteilt, dass es dem Trupp während des Feldzuges unmöglich sei, den Flurschaden bei Walberberg zu erledigen.

Schaden im Wald belief sich auf 1282,74 Goldmark

Von Kempis wurde schriftlich gebeten, bis nach dem Kriege zu warten und dann den beanspruchten Schadenersatz erneut vorzulegen. „Mein Urgroßvater hat damals eine genaue Liste vom entstandenen Schaden erstellt“, erklärt Freiherr Magnus von Canstein und zeigt eine entsprechende Auflistung: So seien durch die Bergung des Zeppelins aus den Baumkronen etwa 10,42 Festmeter Eichenstammholz, 2,92 Eichengrubenholz, 8,74 Buchenstammholz, 2,61 Meter Schwellen und 30 Raummeter Brennholz angefallen. Die Aufarbeitung der Raummeter wurden damals mit einer Mark pro Raummeter berechnet.

In einem weiteren Schreiben an das Landratsamt des Landkreises Bonn schildert Franz von Kempis genau was sich am 6. August 1914 in seinem Wald ereignet hat, dass durch die Notlandung des Zeppelin „eine große Anzahl schönster Eichen und Buchen gefällt werden mussten“. „Das Holz, im belaubten Zustand gefällt, ist als Nutzholz unbrauchbar“, heißt es. Der angerichtete Schaden belaufe sich nach Berechnungen seines Försters auf 1282,74 Goldmark. Auch teilte von Kempis mit, dass er eine Herausschiebung der Feststellung des Schadens für unzweckmäßig und für nicht im Interesse des Staates liegend halte, da das Holz durch langes Liegen nicht besser wird. „Und ich auch für sein Liegenbleiben keine Garantie übernehmen kann“, heißt es weiter. Zudem würde ihm so die Möglichkeit genommen, die betreffende Parzelle neu zu kultivieren.

Doch beim Briefwechsel sei es dann geblieben, weiß Magnus Freiherr von Canstein. Nach dem Krieg habe niemand mehr mit seinem Urgroßvater über einen Schadensersatz gesprochen. „Und sicherlich ist die Angelegenheit inzwischen auch längst verjährt“, vermutet der Burgherr.

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