Benedikt Brauers aus FrechenUnternehmensberater wirft seinen Job hin und investiert in eine Destilliere

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Zutaten für einen neuen Gin in Benedikt Brauers Gindestillerie.

Zutaten für einen neuen Gin in Benedikt Brauers Gindestillerie.

Frechen – Er hängt an der Flasche, aber nicht, weil er trinkt. Er ist dem Gin verfallen und stellt seinen eigenen her. Benedikt Brauers hat alles auf eine Karte gesetzt für seine Leidenschaft für Hochprozentiges. Er hat seinen Job als Unternehmensberater gekündigt, all sein Erspartes genommen, einen Kredit aufgenommen, um jetzt genau hier zu sein. In seiner eigenen Gin-Destillerie in Frechen. Denn er liebt Gin. Nicht als Rauschmittel, sondern als Genussmittel. Er liebt seine Geschichte, seinen Geschmack, vor allem aber, wie er den Geschmack schier endlos variieren kann. Wie eine Collage aus sinnlichen Eindrücken. Und nun destilliert er seinen ersten eigenen Gin, der Urlaubserinnerungen weckt an sein erstes Mal in der Provence.

Sein Faible für hochprozentigen Alkohol begann, als Brauers Anfang 20 war und Volkswirtschaft in Bonn studierte. Beim Feiern mit seinen Freunden trank er „billige Spirituosen oder Fusel-Wodka mit Discounter-Säften“, wie der 29-Jährige heute sagt. Er schüttelt sich: „Das ist ja eher Wirkungstrinken, möglichst günstig, um sich abzuschießen, darum geht’s.“

Er fing an, Cocktails aus guten Spirituosen und frischen Säften zu mischen. Schnell war er zum Genusstrinker bekehrt. Gin avancierte zu seinem Favoriten. „Er ist einfach sehr facettenreich.“

Beim Destillieren von Gin müssen Wacholderbeeren verwendet werden, die ihm den trockenen Charakter verleihen. Alle anderen pflanzlichen Rohstoffe sind frei kombinierbar. „Irgendwann träumte ich davon, eine eigene Destillieranlage zu haben“, erzählt er. Doch zunächst absolvierte Brauers sein Studium, fing in einer Unternehmensberatung an und zog in die Kölner Südstadt. Doch die Zeiten wurden rauer, die Auftragslage schlechter. Brauers spielte mit dem Gedanken, den Arbeitgeber zu wechseln. Da tauchte die Schnapsidee wieder auf. „Warum die Gin-Idee nicht in die Realität umsetzen?“

Der Frechener trotzte aller Skepsis. „Man darf sich nicht selbstständig machen, um Geld zu verdienen. Die kompromisslose Leidenschaft für das eigene Produkt ist die beste Motivation.“ Er riskierte es und kündigte.

Das war vor einem Jahr. Nun steht er stolz vor seiner eigenen kupfernen Destillieranlage, so groß wie ein Auto und drei Meter hoch. „Das entspricht dem Wert eines Mittelklassewagens.“ Aus Edelstahl wäre es nur ein Kleinwagen. Aber Kupfer mache den Geschmack des Gins samtener. Mit dem Geschmack nimmt er es genau, gerade bei seinem ersten Produkt – „l’hommage à la Provence“.

Dieser Gin soll die sinnlichen Erfahrungen und persönlichen Erlebnisse aus den Tagen kondensieren, die er frisch verliebt in dem französischen, von Lavendelfeldern durchzogenen Landstrich verbrachte. „Mich hat die Art zu leben beeindruckt, das Savoir-vivre, und die atemberaubende Landschaft und Vegetation.“

Als er das erste Mal Lavendeleis probierte, stand die wichtigste Zutat fest. „Ich kannte es nur als Duft im Parfum und war erstaunt, wie gut es schmeckt.“ Den Lavendel kombiniert er mit rund 20 weiteren Zutaten, meist frischen Gewürzen, darunter Rosmarin, Thymian, Salbei, Basilikum, Oregano, Lorbeerblätter, Verbene und Minze. Zuletzt kam noch Wacholder hinzu. Die Dosierung bleibt geheim.

Brauers schält hauchdünne Scheiben von Bio-Zitronen. „Das Aroma kommt allein aus der Schale, weil dort die ätherischen Öle sitzen.“ Anschließend kümmert er sich um die frischen Kräuter, die er bei regionalen Familienbetrieben kauft. „Die müssen vor Ort angebaut werden, weil auf dem Transport Aromen verloren gehen.“

Nachdem er alle Zutaten akribisch abgewogen hat, füllt er sie in Siebkörbe, die in die Destillieranlage kommen, um Alkoholdampf durchzuleiten. „Das ist das filigranere Verfahren, um auch die flüchtigeren und subtileren Aromen zu lösen.“ Nach neun Stunden probiert Brauers seinen Gin, der noch drei Monate reifen muss.

Tatsächlich fällt beim ersten Schluck die frische zitronige Note auf, die bald vom satten Lavendel überlagert wird. Noch vor Jahresende soll er verkauft werden unter der Marke Wayfarer, ein Wort aus dem spätmittelalterlichen England, das für Reisender steht. Der Gin soll nach Orten schmecken, die Brauers bereist hat.

Seine nächste Geschmacksreise führt nach Australien. Als Hauptzutat schwebt ihm tasmanischer Bergpfeffer vor. „Der ist abenteuerlich, hat die Schärfe von Chili und eine liebliche Note.“ Das Erlebnis, das er damit assoziiert, ist eine Nacht mit „unfassbarem Sternenhimmel“, die er am Lagerfeuer im Outback verbrachte. „Wenn mein erster Gin eher der filigranere, leichtere, frische ist, den ich mit Savoir-vivre verbinde, ist der australische sein kräftiger, herber Bruder.“

Wayfarer Distillery, Dr.-Gottfried-Cremer-Allee 32 in Frechen, 02234/4359877. www.wayfarerdistillery.com

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