In Köln verunglücktDominik stirbt sechs Jahre nach Unfall – seine Organe retten Leben

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Zu jedem Heimspiel ging Winnie Müller mit seinem Sohn Dominik.

Zu jedem Heimspiel ging Winnie Müller mit seinem Sohn Dominik.

Frechen-Bachem – Vor sechseinhalb Jahren verunglückt Dominik Müller im Alter von 17 Jahren nach einer Public-Viewing-Veranstaltung in Köln. Seitdem ist er schwerstbehindert. Nach einer Urlaubsreise sackt der Junge vor neun Tagen am Flughafen in Düsseldorf zusammen und wird ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte machen den Eltern keine Hoffnung mehr. Doch seine Organe sind wertvoll – die Ärzte bitten die Eltern um die Zustimmung zur Entnahme.

Dominik Müller war ein guter Torwart. Der Bachemer spielte für mehrere Vereine im Kreis. Sein Talent wurde schnell erkannt und der Schüler stand alsbald für den 1.FC Köln und später für Fortuna Köln zwischen den Pfosten. Fußballexperten prophezeiten dem Teenager eine gute Zukunft.

Bis zum 3. Juli 2010. WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien. Die ganze Nation ist im Fußballrausch. Dominik, gerade einmal 17 Jahre alt, hat sich das Spiel gemeinsam mit Freunden in der Lanxess-Arena auf der Leinwand angeschaut. 4:0 gewinnt die Mannschaft von Bundestrainer Jogi Löw. Die Stimmung beim Public Viewing ist prächtig. Auch auf der Rückfahrt in der KVB-Linie 4 wird der Sieg ausgelassen gefeiert. Doch für Dominik, seine Eltern Winnie und Manuela, seine Verwandten und viele Freunde ändert sich dann das Leben von der einen auf die andere Sekunde.

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Ein Schlag, der sein Leben verändert

Bei der Drängelei in der Bahn geht eine Scheibe zu Bruch. Im Übermut steckt Dominik den Kopf heraus. Der Schaltkasten kommt schneller näher als Dominik reagieren kann. Ein Schlag, der sein Leben verändert. Schädelhirntrauma, Blaulicht, Rettungswagen, Uniklinik, Notoperation, Intensivstation. Von dem Gegröle in der Bahn ist nur das Piepen der Maschinen auf der Intensivstation übrig geblieben, die Dominik in der Anfangszeit am Leben halten. Wochen am Krankenbett vergehen. Die Eltern wissen nicht, was ihr schwerstbehinderter Sohn von seiner Umwelt mitbekommt.

Dominik wird aus der Klinik entlassen, sitzt im Rollstuhl. Die Hilfsbereitschaft ist groß: Spendensammlungen, Benefizspiele, selbst Lukas Podolski schaltet sich ein und lässt die Nationalmannschaft auf einem Trikot unterschreiben, das anschließend versteigert wird. Das Haus in Bachem wird umgebaut. Dominiks Zimmer ist jetzt im Erdgeschoss. Der Vater streicht es in den FC-Farben. Poster der Profis zieren die Wände. Es folgen Monate und Jahre, die von Therapien und Reha-Maßnahmen geprägt sind. Dominik macht kleine Fortschritte. Was bleibt, ist die Liebe zum FC. Kaum ein Heimspiel lässt Vater Winnie aus, um seinen Sohn im Rollstuhl in den Block zu schieben. Dort lacht Dominik. Und wenn das Lächeln zu sehen ist, dann lächeln auch die Eltern.

Das Leben hat sich für die Müllers grundsätzlich verändert. Doch sie haben sich darauf eingestellt. Bis Montag vor einer Woche, die Familie der nächste Schicksalsschlag ereilt.

Letzter gemeinsamer Urlaub

Winnie und Manuela landen mit Dominik am Flughafen in Düsseldorf. Zweieinhalb schöne Wochen in Ägypten liegen hinter ihnen. „Wir waren schon etwa zehnmal dort. In Hotel haben sich alle super um Dominik gekümmert“, berichten die Müllers. Dass es der letzte gemeinsame Urlaub mit ihrem Sohn ist, ahnt das Paar zu diesem Zeitpunkt nicht. Dominik war auf dem Flug schon etwas unruhig. Als sein Vater am Gepäckband steht hört er plötzlich Hilfeschreie. Dominik schnappt nach Luft, sackt in seinem Rollstuhl zusammen. Den Müllers kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis die Rettungskräfte da sind. Der Junge muss reanimiert werden. Die Uni-Klinik Düsseldorf kann nicht aufnehmen. Dominik wird nach Benrath ins Hospital gebracht. Im Krankenhaus machen die Ärzte dem Paar keine Hoffnung mehr. Was Dominik bis dahin geistig noch erlebt hat, weiß niemand so genau. Doch jetzt sagen die Ärzte: „Dominik ist hirntot“. Nur Maschinen halten seine Organe noch am Leben.

Lange Warteliste

857 Menschen haben 2016 in Deutschland nach ihrem Tod Organe für schwer kranke Patienten gespendet. Diese Zahl hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) veröffentlicht. Der Bundesdurchschnitt lag bei 10,4 Spendern pro eine Million Einwohner. Mehr als 10 000 Patienten warten allerdings auf ein Spenderorgan. Die Anzahl der postmortal – also nach dem Tod – gespendeten Organe lag 2016 laut DSO bei insgesamt 2867 gegenüber 2901 Organen in 2015.

Insgesamt konnten 2016 bundesweit 3049 Organe transplantiert werden, 2015 waren es 3084 Transplantationen. Die Differenz zur Zahl der jeweils gespendeten Organe ergibt sich aus dem internationalen Organaustausch über die Vermittlungsstelle Eurotransplant. (rj)

Die Mediziner fragen die Müllers nach Organentnahmen. Mehr als 10 000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Dominik könnte einigen helfen. Bis zu sieben Leben kann der Junge retten, wenn seine Eltern einwilligen. Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm und die beiden Nieren kann grundsätzlich jeder Spender hergeben. „Wir mussten uns schnell entscheiden. Es war eine schwere Entscheidung“, erklärt Winnie Müller im Gespräch mit dieser Zeitung.

Am nächsten Tag willigt das Paar ein. Doch dann messen die Mediziner nochmals leichte Hirnströme; ein Wechselbad der Gefühle für die Familie. Doch der kleine Hoffnungsschimmer vergeht. Dominik stirbt am vergangenen Samstag. „Er war immer ein hilfsbereiter Junge, wir glauben in seinem Sinne gehandelt zu haben“, berichtet sein Vater mit Tränen in den Augen. Wer die Organe des Bachemers erhält, wissen die Müllers nicht. „Wir erfahren nur, ob die Transplantation erfolgreich war“, sagt Manuela Müller.

Am 1. Februar soll Dominik in Bachem um 14 Uhr beigesetzt werden.

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