EnergiepolitikBraunkohlestreit mit Mahnwache und Straßenfest

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An die 800 Umweltschützer setzten zum Auftakt des Klimacamps ein friedliches Zeichen für einen schnellen Braunkohleausstieg.

An die 800 Umweltschützer setzten zum Auftakt des Klimacamps ein friedliches Zeichen für einen schnellen Braunkohleausstieg.

Erkelenz – Nach 40 Stunden ließen die Bergbau-Gewerkschafter die Holzfeuer in den Blechtonnen am Samstagmorgen gegen 9 Uhr allmählich verglimmen – aber nicht, ohne sich zum Abschluss ihrer dreitägigen „Schnauze-voll“-Mahnwache am Ortsrand von Erkelenz-Holzweiler noch einmal deutlich gegen einen allzu schnellen Braunkohleausstieg und gegen Gewalttaten radikaler Öko-Aktivisten auszusprechen. „Die Kollegen in den Kraftwerken und Tagebauen sind es leid, die Zeche für all das zahlen zu müssen, was in der Energiepolitik falsch läuft“, betonte Manfred Maresch, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

Zur gleichen Stunde liefen bei den Braunkohlegegnern im nur knapp drei Kilometer entfernten Klimacamp in Lützerath bereits die Vorbereitungen für die erste große Aktion ihres noch bis zum 29. August dauernden Lagers, in dem sich bis Samstag schon über 800 Klimaschützer aus 20 Ländern einquartiert hatten. Viele von ihnen marschierten am Samstagnachmittag vom bereits entvölkerten Dorf Borschemich nach Keyenberg, das den Braunkohlebaggern in wenigen Jahren ebenfalls weichen soll.

Mit solchen Umsiedlungen wird man sich nach Auffassung der IGBCE-Leute abfinden müssen. Braunkohle sei zwar endlich, und der Ausstieg werde kommen, aber die Kohleverstromung wird nach Überzeugung von Manfred Maresch als Brückentechnologie noch mindestens 25 Jahre gebraucht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten: „Spätestens dann, wenn die Kernkraftwerke aus dem Markt gehen, würden wir große Probleme bei der verfügbaren Leistung haben.“ Dass andere dies anders sehen, ist Maresch bewusst. Deshalb wende sich die „Schnauze-voll“-Aktion nicht grundsätzlich gegen die Klimaaktivisten. Doch eines müsse in der Diskussion über die Braunkohle klar sein: „Keiner unserer Kollegen darf Gewalt ausgesetzt werden. Aber wir müssen befürchten, dass es wieder gewalttätige Übergriffe gibt, die übrigens tagtäglich stattfinden.“ Es sei an der Tagesordnung, dass „Gewalt gegen Sachen ausgeübt wird und auch Menschen dadurch in Gefahr geraten. Das muss aufhören“.

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Während die IGBCE in einem kleinen Kreis von etwa 100 Mitstreitern Mahnwache hielt und ihre Großaktion erst für den kommenden Freitag anpeilt, brachten die Klimacamper bereits ein größeres Aufgebot auf die Beine. Rund 800 Leute marschierten nach Veranstalterangaben friedlich von Borschemich nach Keyenberg. Mit dabei war ein Polizeiaufgebot mit dem Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach an der Spitze.

Der Umzug mündete in ein Straßenfest am Keyenberger Markt. Zahlreiche Redner demonstrierten, wie breit angelegt sich die Klimaschutzbewegung darstellt. Die Palette reichte von einem jordanischen Aktivisten, der über die schlimmen Folgen der immer längeren und heißeren Sommer in seinem Land berichtete, über eine Waldbesetzerin aus dem Hambacher Forst bis zu Vertretern lokaler Gruppen wie „Buirer für Buir“.

Bemerkenswert war der Auftritt der Hamburger Verdi-Gewerkschafterin Astrid Matthiae, die hart mit der Arbeitnehmervertretung ins Gericht ging: „Wie sie damals ein wichtiger Teil der Atomlobby waren, so sind die Gewerkschaften heute mehrheitlich leider immer noch ein wichtiger Teil der Kohlelobby und ein großer Blockierer der Energiewende. Und heute wie damals sind sie auf dem Irrweg.“ Die gemeinsame Hauptforderung aller ist ein schneller Ausstieg aus der Braunkohle. Der Tagebau Garzweiler solle an der Autobahn 61, der Tagebau Hambach an der alten Autobahn 4 enden. Zu den Hauptrednern gehörte Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Die Lichter würden auch ohne Braunkohle nicht ausgehen. Für den viel beschworenen Fall, dass die Sonne mal nicht scheint und der Wind nicht weht, gibt es viel effizientere Lösungen als die unflexiblen Braunkohlekraftwerke. Auch wir haben die Schnauze voll – von einer Politik und einem Unternehmen RWE, die den Ausbau zukunftsfähiger Arbeitsplätze blockieren.“

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