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UrteilZwölf Jahre Haft für Ehemann im Prozess um „Mord ohne Leiche“

Lesezeit 4 Minuten
  • Vor vier Jahren verschwand eine 23-Jährige aus Kerpen spurlos. Die Leiche wurde bis heute nicht gefunden.
  • Der Ehemann wurde nun vom Landgericht Köln verurteilt.

Kerpen – Konzentriert, aber ohne äußere Regung lauschte der Angeklagte Jens Peter M. den Worten Heinz Hemmers’, des Vorsitzenden Richters der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln.   Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der 33-Jährige seine damals 23-jährige Ehefrau Kim M.  am 12. März 2012  getötet hat und die Leiche  verschwinden ließ.  Gestern wurde der Mann  wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt.  Damit folgten die Richter dem Antrag des Staatsanwalts   Bastian Blaut sowie der Nebenklagevertreterin  Dr. Monika Müller-Laschet.

In den vergangenen 34 Verhandlungstagen hatte das Gericht mehr als 100 Zeugen und Sachverständige gehört. Dennoch könne man nichts zum  Fundort der Leiche oder zum Tatablauf sagen, so der Richter.  Der Angeklagte habe nicht nur von seinem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht, er habe auch durch das Verschicken von Kurznachrichten nach dem 12. März 2012 vom Mobiltelefon seiner Ehefrau   aus eine falsche Fährte gelegt. Gegenüber der Familie und Freunden hatte Jens Peter M. behauptet, seine Frau sei nach einem Streit in ein dunkles Auto gestiegen und seitdem verschwunden.

Da der Angeklagte die Tat bestreitet, während der gesamten Verhandlung  schwieg und die Tat bereits vier Jahre zurückliegt, sahen   die Beteiligten zu Beginn des Verfahrens einen mühsamen Indizienprozess voraus.    Lange Zeit seien die Familie und die Polizei von einem Vermisstenfall ausgegangen, insofern seien Zeugen erst Jahre nach dem Verschwinden der jungen Frau, Mutter einer damals acht Monate alten Tochter, vernommen worden. Alle relevanten Indizien seien eingehend geprüft worden, sagte Hemmers in seiner Urteilsbegründung. „Es bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten.“ Die Kammer sei davon  überzeugt, dass Kim M. tot sei, und teile nicht die Theorie, dass die Frau  ihre Familie freiwillig verlassen oder sich gar  selbst getötet habe. 

Zeugenaussagen wenig belastbar

Die Aussagen dreier Zeuginnen, die ausgesagt hatten,  sie hätten Kim M. nach dem 12. März noch einmal gesehen, bewertet die Kammer als wenig belastbar. „Keiner hat persönlich mit Kim M. gesprochen, es war ein flüchtiges Sehen, ohne diese Begegnung zeitlich genau einordnen zu können“, so Hemmers.  

Die Kurznachrichten, die von Kim M.’s  Mobiltelefon  nach ihrem Verschwinden an Familienmitglieder und Freunde entsandt worden seien, stammten laut einer Sachverständigen des Bundeskriminalamtes nicht vom Opfer.  Rechtschreibung, Interpunktion und Schreibstil sollen nicht   dem    der Verschwundenen entsprochen haben. Lediglich der Täter habe ein Interesse an der „Vortäuschung einer  lebenden, aber verschwundenen Kim M.“. 

Jens Peter M. sei der letzte Mensch gewesen, der im gemeinsamen Haus Kontakt zu Kim M. gehabt habe. „Er hatte die Gelegenheit und die Motivation, seine Frau zu töten“, sagte Hemmers. Schließlich sei sie „das Hauptopfer seiner Lügengeschichten“ gewesen.  Seinem gesamten Umfeld hatte er unter anderem erzählt, er sei wiederholt an Krebs erkrankt  und   er wolle eine Meisterschule besuchen, für die er Geld benötige.  „Er ist ein notorischer Lügner“,  sagte der Vorsitzende Richter mit Hinweis auf ein  psychiatrisches Gutachten.

Der medizinische Sachverständige  hatte dem Angeklagten eine „narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung“ attestiert, die allerdings keinen pathologischen Charakter und somit auch keine  verminderte Schuldfähigkeit zur Folge habe. Ein weiteres Motiv für die Tat sieht die Kammer in den wachsenden finanziellen  Problemen des Paares. 

„Geplantes Vorgehen“

Äußerungen, die Jens Peter M. gegenüber einem Gerichtsvollzieher und einem befreundeten Paar im Vorfeld des  12. März 2012 gemacht hatte, sprächen gegen eine spontane Tat, vielmehr „sehen wir ein geplantes Vorgehen“.

Es handele sich um ein außergewöhnliches Verfahren.  Hemmers: „Die Ungewissheit über die Todesumstände und den Ablegeort der Leiche ist für die Familie eine außergewöhnliche Hypothek. Leider konnten wir die Informationen,  die für die Trauerarbeit wichtig sind, nicht liefern.“  Das Verfahren habe mit einem  unbefriedigenden Ausgang in der  Sachaufklärung  beendet werden müssen.

Die Verteidiger Dr. Jürgen Graf und Marc Donay kündigten bereits an, Revision einzulegen.  Sie hatten in ihren Plädoyers einen Freispruch für ihren Mandanten beantragt. Die Urteilsbegründung sei zwar „in Teilen bestechend,  aber nicht durchweg überzeugend gewesen“, sagte Graf.

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