Arbeitsanstalt BrauweilerDie düstere Epoche der Abtei

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Die Aufnahme aus dem Jahr 1930 zeigt die Arbeitsanstalt Brauweiler mit ihren verschiedenen Sonderabteilungen.

Die Aufnahme aus dem Jahr 1930 zeigt die Arbeitsanstalt Brauweiler mit ihren verschiedenen Sonderabteilungen.

Pulheim-Brauweiler – Die Arbeitsanstalt Brauweiler mit ihren Sonderabteilungen auf dem Gelände der einstigen Benediktinerabtei war ein zentrales Element im nationalsozialistischen Getriebe. Infolge der NS-Rassenpolitik wurden 417 Insassen, sogenannte „entmündigte Trinker“, der Arbeitsanstalt in der Uniklinik Köln zwangssterilisiert. Die Frauen und Männer stammten aus weiten Teilen West- und Süddeutschlands. Unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiteten 150 Jugendliche aus dem Provinzialerziehungsheim „Dansweiler Hof“ in der anstaltseigenen Ziegelei, viele wurden von dort in den Reichsarbeitsdienst oder Heeresdienst entlassen.

Im September 1944 wurden Hunderte Arbeitshäusler in Konzentrationslager abgeschoben, „insbesondere ins KZ Buchenwald“, so der Brauweiler Hermann Daners bei der Vorstellung des Buches „Die Arbeitsanstalt Brauweiler bei Köln in nationalsozialistischer Zeit“, das er gemeinsam mit dem Stommelner Josef Wißkirchen geschrieben hat. Herausgeber des zweiten Bandes in der Reihe „Schriften zur Gedenkstätte Brauweiler“ ist der Landschaftsverband Rheinland.

Berüchtigtes Kommando

In das Buch sind viele Sachverhalte eingeflossen, die den Autoren aufgrund ihrer Recherchen für die Dauerausstellung in der 2008 eröffneten Gedenkstätte des LVR bekannt waren, die sie aber weder dort noch in ihrem gemeinsam verfassten Buch „Was in Brauweiler geschah“ aufgreifen konnten. Dazu zählt etwa das Schicksal der Geschwister Scheer aus Dansweiler. Seit 1927 bewirtschafteten die unverheirateten Geschwister Josef, Fritz und Hubertine einen Bauernhof. Er lag hinter dem „Marienhof“ an der Ostseite der heutigen Helenenstraße. Seit September 1944 war der Hof, der 1975 abgerissen wurde, ununterbrochen von Wehrmachtsoldaten belegt. Offenbar machten sich die Soldaten auf dem Hof breit, bemächtigen sich verschiedener Dinge, traten den Geschwistern gegenüber respektlos auf und reizten sie so sehr, dass diese sich zu unvorsichtigen Äußerungen verleiten ließen. Im Januar 1945 eskalierte die Situation, ein Leutnant erstattete Anzeige wegen Beleidigung der Deutschen Wehrmacht bei Gestapokommissar Ferdinand Kütter. Das berüchtigte Kommando war seit 1944 in einem Zellenbau auf dem Gelände der Arbeitsanstalt stationiert, sodass gegen Kriegsende neben dem Kölner EL-DE-Haus in Brauweiler ein zweites Zentrum des Kölner Gestapoterrors entstand.

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Im Februar 1945 wurde Strafanzeige wegen staatsfeindlichen, volksschädigenden und gemeinschaftswidrigen Verhaltens gegen die Geschwister gestellt. Ihnen drohte die Todesstrafe. Da es in den Wirren der letzten Kriegstage nicht mehr zu einem Verhandlungstermin kam, überlebten die Geschwister die Haft in der Siegburger Strafanstalt. Ende Mai 1945 kehrten sie zu Fuß, in armseliger Kleidung nach Dansweiler zurück. Als Dank für ihre Rettung ließen sie 1952/53 im Wesentlichen aus eigenen Mitteln die Kirche St. Maria Königin des Friedens errichten.

Als ein Geschenk bezeichnet Josef Wißkirchen das Kapitel über eine bislang unbekannte Frau: Johanna Langefeld, die 1937 in die NSDAP eintrat, zunächst als Hausmutter in der weiblichen Abteilung des Jugendhauses Freimersdorf, später war sie als Vorsteherin dort tätig, und schließlich wurde sie Oberaufseherin in den Konzentrationslagern Lichtenburg und Ausschwitz. Durch eine britische Journalistin, die gefragt habe, was sie über Johanna Langefeld wüssten, seien sie auf die Frau und ihre besondere Rolle in der Arbeitsanstalt sowie ihren späteren Aufstieg aufmerksam geworden.

Die Arbeitsanstalt Brauweiler bei Köln in nationalsozialistischer Zeit, von Hermann Daners und Josef Wißkirchen, 435 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-8375-0971-7, 19,95 Euro. Das Buch ist im Buchhandel und in der Abtei Brauweiler, Ehrenfriedstraße, erhältlich.

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