HistorieBlick auf ein düsteres Kapitel der einst gefürchteten Abtei Brauweiler

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Eine historische Luftbildaufnahme zeigt das Gelände der ehemaligen Benediktinerabtei.

Eine historische Luftbildaufnahme zeigt das Gelände der ehemaligen Benediktinerabtei.

Pulheim-Brauweiler – Der Spruch „Ab nach Brauweiler“ garantierte Lacher, wenn Volksschauspieler Willy Millowitsch ihn im Schwank „Der Etappenhase“ losließ.

Bis in die späten 70er-Jahre hinein verstanden die meisten Rheinländer, dass damit die Zwangseinweisung in eine der härtesten deutschen Arbeitsanstalten gemeint war. Seit das düstere Kapitel der einstigen Benediktinerabtei näher erforscht ist, zieht so ein Witz auf Kosten benachteiligter Menschen nicht mehr.

Der pensionierte Geschichtslehrer Hermann Daners leitet regelmäßig Führungen durch einen Teil der einst gefürchteten Anstalt. „Grund für die Einrichtung einer Gedenkstätte hier ist die traurige Geschichte der Abtei Brauweiler im Gegensatz zu ihrer Blütezeit“, sagt er. Als der Landschaftsverband Rheinland (LVR) die Anstalt für überwiegend „entmündigte Trinker“, so der damalige Sprachgebrauch, schloss und 1977 in ein Kulturzentrum umwandelte, wirkten Daners und der Historiker Josef Wißkirchen maßgeblich an der inhaltlichen Gestaltung der Gedenkstätte mit.

Der Gedenkstein im Abteipark genügte beiden nicht. „Wir haben versucht, den Opfern ein Gesicht zu geben und die Täter abzubilden“, sagt Daners.

Welche Haltung den Insassen der Arbeitsanstalt noch 20 Jahre nach Ende der NS-Diktatur entgegengebracht wurde, verraten Bezeichnungen wie „Volksschädlinge, Gewohnheitsverbrecher, Prostituierte, Arbeitsscheue, schwer erziehbare Jugendliche“.

Heute verstummen die Teilnehmer von Führungen entsetzt, wenn Daners solche Ausdrücke für soziale Randgruppen wiederholt. „Die Arbeitsanstalten waren noch bis Ende der 60er-Jahre seltsame Einrichtungen des Strafrechts“, verdeutlicht Daners.

„Wie kam man in die Anstalt?“, erkundigt sich eine Führungsteilnehmerin. Es habe genügt, dass ein Bettler, Obdachloser, Arbeitsloser oder eine Prostituierte Auflagen nicht erfüllt habe, um nach der Therapievorstellung aus dem 19. Jahrhundert zwangsweise einer „Besserung durch Arbeit“ unterzogen zu werden, antwortet Daners. „Korrigenden“ hießen die Menschen bei der Fürsorgestelle im früheren Provinzialverband in Düsseldorf, die über Einweisungen entschied.

Die jüngste Führung beschert dem 66-jährigen ehrenamtlichen Besucherführer ein Wiedersehen mit einer ehemaligen Schülerin des Abteigymnasiums. Sarah Wirtz machte 2010 das Abitur, sie befindet sich derzeit im Referendariat an der Gesamtschule Bergheim. Fürs zweite Staatsexamen bereitet sie eine Arbeit im Fach Geschichte vor, ihr Thema: Zwangssterilisierungen in der NS-Zeit am Beispiel der Provinzial-Arbeitsanstalt in Brauweiler.

Die 25-Jährige hat die Bücher von Hermann Daners und Josef Wißkirchen „Was in Brauweiler geschah“ und „Die Arbeitsanstalt Brauweiler bei Köln in nationalsozialistischer Zeit“ dabei. Daners veröffentlichte außerdem 1996 das Buch „Ab nach Brauweiler: Nutzung der Abtei Brauweiler als Arbeitsanstalt, Gestapogefängnis und Landeskrankenhaus“. Eine Tafel in einem der Ausstellungsräume gibt Auskunft über das Schicksal von 417 vorwiegend geistig behinderten und alkoholkranken Personen, die ab 1934 von Brauweiler in die Lindenburg, heute Kölner Universitätskliniken, zur Zwangssterilisierung überstellt wurden. Sogar die Kosten sind genannt: Mit 55 Reichsmark schlug ein solcher Eingriff zugunsten der „Erbgesundheit“ in der Bevölkerung zu Buche.

Arbeitsanstalt diente zeitweise als Zwischenauffanglager

Eine makabere Anekdote erzählt Daners im Zusammenhang mit der Pogromnacht im November 1938.

Die Arbeitsanstalt diente zeitweise als Zwischenauffanglager für etwa 600 männliche Juden, die ins KZ Dachau gebracht werden sollten. Wohl unter dem Eindruck der NS-Logo-Farbe schrieb der belgische Botschafter im Bericht an seine Regierung von den Ereignissen in „Braunweiler“.

Berühmtester Insasse des Gestapogefängnisses

Eine Besucherin interessiert sich vor allem für einen der berühmtesten Insassen des Gestapogefängnisses, den früheren Kölner Oberbürgermeister und ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer.

Waren die politischen Häftlinge vor dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 vorwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten, so internierte die Gestapo nun jeden prominenten Amtsträger, der sich der NSDAP verweigerte. Der Blick in die Zelle, in der Adenauers Frau Gussie tagelang isoliert war, erschüttert. Unter der Drohung, ihre Töchter zu inhaftieren, verriet sie den Aufenthaltsort ihres Mannes. Konrad Adenauer wurde vom 25. September bis zum 28. November 1944 in sogenannte Schutzhaft genommen.

Hermann Daners erwähnt, dass die jüngste Tochter der Adenauers, Elisabeth „Libet“ Werhahn, im November 2008 Ehrengast bei der Eröffnung der Dauerausstellung in der Gedenkstätte war.

Kostenlose öffentliche Führungen durch die Gedenkstätte finden an jedem ersten Samstag eines Monats um 15 Uhr statt. Treffpunkt ist der Eingang des Bürohauses am Parkplatz des Landschaftsverbands Rheinland, Zufahrt Von-Werth-Straße. Die Gedenkstätte ist darüber hinaus donnerstags von 15 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Eine Anmeldung ist zu beiden Angeboten nicht erforderlich.

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