RadfahrenDer frühere Radrennfahrer Marcel Wüst gibt Tipps für Ausflüge mit Kindern

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Der ehemalige Radrennprofi Marcel Wüst lebt in Brauweiler und  ist in seiner Freizeit  mit dem Tourenrad  gern im Kreis unterwegs.

Bei seinem Ältesten hat Marcel Wüst nicht viel Chancen. „Alex ist 17. Der fährt lieber mit dem Moped zu seiner Freundin.“ Bei seinem Zweitgeborenen, dem zehnjährigen Olli, kommt der ehemalige Radrennprofi dagegen schon eher an, zumal, wenn am Ende der Tour ein Eis in Aussicht steht. Da sind der Vater und Sohn dann öfter mal rund um Brauweiler anzutreffen. 

„Der Kölner Westen ist für Familientouren mit dem Rad ideal“, sagt  Wüst. Er  lebt in Brauweiler und unternimmt mit Olli gern Touren mit dem Mountainbike. Dabei geht es oft in den Königsdorfer Wald über unbefestigte Wege. Aber auch für geruhsamere Touren mit der ganzen Familie hat der 49-Jährige ein paar Tipps auf Lager. „Von Brauweiler fahren wir häufig über Wirtschaftswege nach Glessen, Büsdorf und weiter über Ingendorf bis nach Stommeln, wo es auch eine gute Eisdiele gibt“, berichtet Wüst lachend.

Da gebe eine Vielzahl von kleineren Feldwegen, die sich für Radtouren eigneten. Grundsätzlich empfiehlt der Profi, Radtouren mit Kindern nur zu unternehmen, wenn die auch Lust dazu hätten. „Ein Kind zu zwingen hat keinen Zweck.“

Er selbst habe mit  acht Jahren sein erstes Rennrad bekommen und sei am ersten Tag gleich 100 Kilometer gefahren, erinnert er sich. „Da bin ich erstmal um den Westfriedhof rum und dann dreimal nach Rodenkirchen und zurück.“

Jedes einigermaßen sportliche Kind von acht Jahren schaffe locker  20 Kilometer. „Die haben viel mehr Energie als Erwachsene.“ Wichtig sei das richtige Fahrrad. Das sollte schon eine anständige Gangschaltung haben mit einem  breiten Übersetzungsspektrum, ein Fahrradhelm sei ohnehin unerlässlich, auch für die Eltern, auch wenn er eventuell die Frisur ruiniere.  „Ein Helm rettet Leben.“

Ebenso wichtig sei die  richtige Höheneinstellung. Wüst hält viele Eltern für zu ängstlich: sie  stellten ihren Kindern den Sattel aus Vorsicht viel zu niedrig ein, weil die Kinder sich  unsicher fühlten.  Es sei aber falsch, wenn die Füße des Kindes im Sitzen auf den Boden kämen. Richtig sei, wenn es mit ausgestrecktem Bein das Fahrradpedal erreiche.

„Andernfalls schlafen nach fünf Kilometern die Beine ein“, sagt Wüst. Auf dem Gebiet herrsche ganz viel Unwissenheit, ist seine Meinung. Ein gutes Fachgeschäft wisse in der Regel aber den richtigen Rat.

Wüst rät, bei Touren mit kleineren Kindern zwischendurch kleine Pausen einzulegen und etwas anderes zu machen. Man könne beispielsweise einen Ball mitnehmen und ein bisschen kicken.

Wüst lebt einige Monate im Jahr auf Mallorca, wo er Trainingscamps auch für Erwachsene Rennradfahrer durchführt. Da geht es dann jeden Tag drei bis fünf Stunden quer über die Insel. „Wir üben Fahrtechnik, Ausweichen vor Hindernissen und Vollbremsungen.“  Für besonders ambitionierte Fahrer hat er vor einigen Jahren  ein Radrennteam gegründet. Mittlerweile sind es 150 Rennfahrer aus aller Welt,  die sich mehrmals im Jahr zu Radrennen treffen. 60 Fahrer aus diesem Team sind bei „Rund um Köln“ am 12. Juni dieses Jahres am Start.

www.team-casaciclista.de

www.marcelwuest.com

Zur Person

Marcel Wüst wurde am 6. August 1967 in Köln-Klettenberg geboren. Er besuchte in Bickendorf die Grundschule und machte am  Kölner  Gymnasium Kreuzgasse das Abitur.

Als Sprinter erzielte er  mehr als  100 Siege und ist damit einer der erfolgreichsten deutschen Radprofis überhaupt. Zu seinen Erfolgen zählen 14 Etappensiege bei der Tour der France , beim  Giro d’ Italia und bei der Vuelta a Espana. Bei der Tour de France im Jahr 2000 stürzte er nach einem Zusammenstoß mit dem Franzosen Jean-Michel Thilloy und zog sich schwere Kopfverletzungen zu. Er verlor sein rechtes Augenlicht und musste seine Karriere beenden.

In seinem heutigen Leben spielt Sport immer noch eine große Rolle – sei es beim Laufen im Wald oder bei diversen Sportevents. Marcel Wüst arbeitet als  Coach, Motivator, Journalist und Referent für Wirtschaftsunternehmen. Dazu veranstaltet er  Radsporturlaube und Workshops in  der Casa Ciclista auf Mallorca und anderswo.  Seit neuestem gibt es  ein Jedermannteam, in dem Radfahrer unter Profibedingungen trainieren.

Sportmediziner Sebastian Gehlert rät zum individuellem Trainingsaufbau

Herr Gehlert, Radfahren soll für die Fitness besonders gut sein. Stimmt das, und gilt das gleichermaßen für Jung und Alt?

Das ist völlig richtig. Der Vorteil beim Radfahren ist ja schon, dass man auf dem Sattel sitzt. Also ist die Belastung für den Körper, für die unteren Extremitäten und die Wirbelsäule, viel geringer als beim Laufen oder Gehen.

Wie sollte man Rad fahren, wenn man seine Fitness verbessern will?

Eigentlich nach dem eigenen Gefühl. Denn man weiß ja um sein Leistungsvermögen und kann das durch regelmäßiges Training steigern. Wenn man sich ein Maßband von Sechs für leicht bis 20 für anstrengend vorstellt, sollte man so bei der Zehn oder Elf ankommen.   Zu große Anstrengungen bringen nur, das man eins, zwei, drei die Lust verliert und das Rad wieder in die Ecke stellt.

Kann man sich selbst einen Trainingsplan erstellen, und wie geht das?

Natürlich kann man sich seinen eigenen Trainingsplan machen. Der Vorteil besteht darin, dass man den Rhythmus selbst bestimmen und durch  ein regelmäßiges Einhalten optimieren kann. Sehr gut ist ein Vier-Wochen-Rhythmus, in dem ich jede Woche den Anspruch an mich selbst etwas steigere und in der fünften Woche das Fahrrad nicht anpacke, bevor es wieder von vorne losgeht.

Wenn jemand das Radfahren für sich entdeckt hat, welche Fehler sollte er vermeiden?

Ganz wichtig ist, dass man sich nicht an anderen orientiert. Man sollte nicht zu schnell zu viel wollen. Sondern, da man sich ja am besten selbst kennt, sein Leistungsvermögen objektiv  einschätzen und sich nur erreichbare Ziele setzen. Es muss nicht gleich ein Alpenmarathon sein. Denn wenn man regelmäßig so fährt, wie man kann, fährt man immer mit Spaß.

Sollte ein  Einsteiger also erst mal in der näheren Umgebung bleiben?

Am besten ja.  Bei weiten Strecken unterschätzen die Neulinge oft die Anstrengungen. Dann gerät man in einen Hungerast, wie die Radsportler den plötzlichen Leistungseinbruch infolge Kohlenhydratmangels nennen, und hat Mühe zurückzukehren. Außerdem  ist es angenehmer, bei einem platten Reifen nicht zu weit von zu Hause zu sein.

Muss es immer ein teures Rad mit mehr als 20 Gängen sein, oder tut es auch ein einfaches Rad?

Ich würde zu keinem von beiden raten. Kein sehr teures, es sei denn, man hat als Liebhaber Spaß am Material und wertvollem Equipment. Und kein ganz billiges, weil  das Material  nicht garantieren kann, dass ich nach Regenfahrten jederzeit wieder mit  sicheren Verschraubungen unterwegs sein kann. Mit einem Fahrrad der mittleren Qualität bin ich auf der sicheren Seite. Natürlich verlangen  auch günstige Räder Pflege. Aber  sie kann ich auch mal so abstellen und wieder benutzen, wenn sie nass geworden sind.

Das Gespräch führte Wilhelm Kleene 

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