RWE"Nie in den Ruhestand gehen"

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Johannes Lambertz ist seit 1981 im Unternehmen, erst bei Rheinbraun, dann bei der Nachfolgegesellschaft RWE Power.

Johannes Lambertz ist seit 1981 im Unternehmen, erst bei Rheinbraun, dann bei der Nachfolgegesellschaft RWE Power.

Rhein-Erft-Kreis – Herr Dr. Lambertz, Sie verlassen den Vorstand von RWE Power und werden im Ruhestand als Beauftragter von RWE für die Energiewende arbeiten. Was macht den Unterschied zur jetzigen Tätigkeit aus?

Johannes Lambertz: Zukünftig habe ich mehr Zeit, um über die Möglichkeiten der Energiewende zu diskutieren. Wir müssen sie mit einer hohen Geschwindigkeit vorantreiben, aber wir müssen auch die physikalischen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekte beleuchten – und wegkommen von den Partikularinteressen. Hier will ich meinen Sachverstand einbringen.

Sie verlassen RWE Power in einer Zeit der Umbrüche (siehe nebenstehenden Kasten). Auch die Energiewende ist für das Unternehmen eine Herausforderung. Ist das Feld gut bestellt?

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Lambertz: Ja. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sich die Rahmenbedingungen unseres Geschäftes permanent verändern. Ich möchte also nicht so verstanden werden, dass das Feld gut bestellt ist und in nächster Zeit keiner mehr etwas tun muss. Im Gegenteil: Es wird permanent weiter Änderungen geben. Aber viele notwendige Anpassungsmaßnahmen haben wir im Unternehmen schon eingeleitet.

Dennoch hakt es bei der Umsetzung der Energiewende. Mangelt es der Politik an Einsicht in die Notwendigkeit der Energiewende?

Lambertz: Nein. Es mangelt an einer konkreten Idee, wie schnell das Gesamtsystem vorangetrieben werden kann. Es geht nicht nur um uns, es geht auch um den europäischen Zusammenhang. Wir können die Energiewende nicht in Bergheim, nicht in NRW und nicht in Deutschland machen. Die Energiewende muss europaweit betrieben werden. Das Hochspannungsnetz muss europaweit ausgebaut werden. Es würde auch erheblich preiswerter, wenn man es europäisch denkt statt nur lokal.

Bringt die Politik die Wende nicht schnell genug voran?

Lambertz: Schnelligkeit ist nicht das Problem. Es geht um ganzheitliche Lösungen. Man muss bei der Energiewende alle Aspekte berücksichtigen und schauen, wie weit man in einzelnen Feldern ist, etwa beim Ausbau der Off-Shore-Windanlagen oder im Netzausbau. Man muss sich stets fragen: Haben wir geschafft, was wir wollten?

Gewinnt die Kohle durch den Ausstieg aus der Kernkraft an Bedeutung? Wie steht es in diesem Zusammenhang um die Akzeptanz der Kohleförderung und den Bau neuer Kraftwerke?

Lambertz: Akzeptanz kann man nur bekommen, wenn alle Informationen bekannt und transparent sind. Das Geschäft der Energieversorgung ist nicht trivial. Aber wenn man alle Zusammenhänge kennt, wird klar, dass auch langfristig Braunkohleverstromung sinnvoll ist.

Gerade letzterer Punkt wird ja von Kritikern oft verneint. Haben Sie sich in den vielen Jahren bei RWE auch mal als Buhmann gefühlt, der auf die Bühne musste?

Lambertz: Ich halte es für normal, dass man auf die Bühne geht und sich der Öffentlichkeit stellt, wenn man einem Unternehmen mit 17 000 Mitarbeitern oder mehr vorsteht. Als Buhmann würde ich mich erst sehen, wenn ich das Gefühl hätte, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen das ist, was wir machen.

Dennoch, es gibt viele Gegner der Braunkohle. Machen die aus Ihrer Sicht einen Denkfehler?

Lambertz: Ja, weil oft technische Lösungen, die in einigen Jahrzehnten realistisch sind, schon heute als gegeben angenommen werden. Beispiel: Erneuerbare Energien haben das Problem, dass sie keine gesicherte Leistung liefern. Dazu brauchen wir als Alternative Speichersysteme oder Ersatzkraftwerke. Speichersysteme in dem notwendigen Umfang gibt es aber heute noch nicht, deshalb brauchen wir schlichtweg die konventionellen Kraftwerke. Wir müssen eine Entwicklung nehmen, bei der unsere Industrienation weiter Bestand hat und nicht über erhöhte Energiepreise in Schwierigkeiten im internationalen Wettbewerb kommt. Auch für die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien brauchen wir weiter Versorgungssicherheit. Die jetzt hohe Akzeptanz würde aufs Spiel gesetzt, wenn es einmal Engpässe bei der Versorgung gäbe.

RWE Power wirbt auch vor diesem Hintergrund kräftig für den Bau eines BoA-plus-Kraftwerks in Niederaußem. Derzeit gilt das aber nicht als wirtschaftlich. Wird sich das Ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit ändern?

Lambertz: Wer voraussagt, wie die Welt 2050 aussieht, der überschätzt sich gewaltig. Man muss in einer Welt, die voller Unwägbarkeiten ist, Optionen haben. Wir müssen diese Option erarbeiten, damit wir zum richtigen Zeitpunkt entscheidungsfähig sind. Und ich bin optimistisch, dass BoA-plus zum Zeitpunkt der Entscheidung gebraucht wird.

Sie haben viele Umstrukturierungen im Konzern miterlebt. Waren die alle sinnvoll?

Lambertz: Ein weiser Mensch hat einmal gesagt: Nicht jede Veränderung ist eine Verbesserung. Aber ohne Veränderungen gibt es keine Verbesserung.

Stichwort Veränderung: Sie werden Ihre Heimat Manheim in Kürze verlassen müssen und nach Manheim-neu umsiedeln – mit Wehmut?

Lambertz: Ja, ich empfinde Wehmut. Das wäre ja auch sehr schade, wenn es nicht so wäre. Aber die Frage ist natürlich, wie und wann ich mich den Chancen widme, die sich daraus ergeben. Es hilft ja nichts, nur den alten Dingen nachzutrauern. Das ist aber auch immer eine sehr individuelle Frage.

Können Sie nachvollziehen, dass es anderen vielleicht nicht so gut gelingt, mit Wehmut umzugehen?

Lambertz: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich rede viel mit Leuten, weil ich wissen möchte, wie die Leute sich fühlen. Nicht nur im Falle von Manheim, sondern auch in anderen Umsiedlungsgebieten. Natürlich ist jede Perspektive unterschiedlich. Es gibt Leute, die sehr betroffen sind. Es gibt aber auch Leute, die sich freuen.

Gehen Sie mit einem guten Gefühl in den Ruhestand?

Lambertz: Natürlich fragt man sich, ob man alles richtig gemacht hat, ob man alles getan hat, was in seiner Macht stand. Vielleicht hätte ich aus heutiger Sicht einiges anders entschieden. Aber unterm Strich gehe ich mit einem guten Gefühl.

Werden Sie denn Zeit haben, Dinge zu tun, die Sie immer schon einmal tun wollten?

Lambertz: Ja, ich möchte neben der Tätigkeit als Beauftragter für die Energiewende auch Aufgaben in der Region übernehmen. Kulturelle, soziale Aufgaben. Ich werde mich auch um ein Thema kümmern, das mir besonders am Herzen liegt, den Naturschutz.

Nach einem Ruhestand im Wortsinne hört sich das aber nicht an...

Lambertz: Eines ist sicher: Ich werde nie in den Ruhestand gehen.

Das Gespräch führte Norbert Kurth

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