Telefonzelle in BrühlWuppertaler Familie wird von Bücherschrank magisch angezogen

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Auf ihrem Spaziergang zieht die Telefonzelle mit Büchern Bernd Schimmel, Sandra Bratzel und Susanne Schimmel (v. l..)an.

Auf ihrem Spaziergang zieht die Telefonzelle mit Büchern Bernd Schimmel, Sandra Bratzel und Susanne Schimmel (v. l..)an.

Brühl – Sie ist die kleinste Kultureinrichtung in Brühl und doch unübersehbar: die knallrote britische Telefonzelle auf dem Franziskanerhof vor dem Zoom-Kino in der Innenstadt. Seit 2012 fungiert sie als öffentlicher Bücherschrank und wird rege genutzt.

Vor mehr als 30 Jahre hatte die Stadt sie von der englischen Partnerstadt Royal Leamington Spa geschenkt bekommen, zunächst stand sie funktionstüchtig am Steinweg. Inzwischen hat der Zahn der Zeit an ihr genagt, als Telefonzelle war sie nicht mehr zu brauchen. So entstand die Idee einer kleinen Bibliothek, mit Unterstützung des Rotary Clubs Brühl, der die Restaurierung übernahm.

Einfaches Tauschprinzip

Das Prinzip ist einfach: Wer möchte, stellt ein Buch hinein und schickt es damit auf die Reise zu anderen Lesern. Und gleichzeitig kann sich jeder Interessierte ein Buch aussuchen und mitnehmen.

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In sechs Regalreihen und auf dem Boden stapeln sich derzeit jede Menge Bücher und Hefte. Zu finden sind die verschiedensten Genres von Romanen über Krimis, Sach- und Kochbücher bis hin zu Zeitschriften. Auch Kinder- und Jugendbücher fehlen nicht.

„Für mich eine ideale Fundgrube zum Stöbern so kurz vor dem Sommerurlaub in Schweden“, meint Lili Thomas. Sie sucht einen Krimi und entdeckt „Dunkle Pfade“ von Tami Hoag, in dem es um einen Mord an einer jungen Frau im Süden der USA geht. „Ja, das ist, glaube ich, gruselig genug“, sagt die 20-Jährige und schmunzelt.

Bücher für die ganze Familie

Magisch angezogen von der roten Zelle fühlt sich auch Familie Schimmel aus Wuppertal. „Ich habe einen beruflichen Termin mit einem Familienausflug hier in das schöne Städtchen verbunden“, erzählt Bernd Schimmel. Mit seiner Frau, seiner Tochter und dem erst zwölf Monate alten Enkel bestaunt er die umfunktionierte Telefonzelle. Ein anderer Teil der Familie lebt in England, da kommt ein London-Führer, den die Schimmels entdecken, gerade recht.

Für den fünfjährigen Fabrice ist das rote Häuschen erst mal ein gutes Ziel, es mit seinem Fahrrad zu umkreisen. Schließlich schaut er seiner Großmutter über die Schulter, und ein Buch über die Schlümpfe weckt sein Interesse. Seine Oma hingegen interessieren Krimis und Bücher über Psychologie. „Ich komme immer wieder gern hier her“, sagt Hannelore Sechtem. „Man wird jedes Mal überrascht.“

Von der Idee des Büchertauschens ist auch Heike Spieß angetan. „So füllen sich die Lücken hier und zu Hause immer wieder mit neuen Geschichten“, findet sie. Zudem „liegt die kleine Bibliothek zentral in der Stadt und doch ein bisschen versteckt, sodass man sich hier ungestört umschauen kann“, ergänzt sie. Die Zelle ist mit einem Solarpaneel ausgestattet, das bei Dunkelheit im Innern für Licht sorgt, gesteuert von einem Bewegungsmelder.

Konzept ging auf

Heike Spieß hat diesmal einen aktuellen Roman von Marc Levy mitgebracht: „Wenn wir zusammen sind“, eine Geschichte über das Scheitern und und wieder Aufrappeln der Liebe aus der Sicht zweier Männer. Dafür zieht sie sich die historische Geschichte von Alexander Dumas „Zehn Jahre danach“ aus einem Stapel. Es ist die Fortsetzung der Geschichte der berühmten drei Musketiere.

Martin Bender interessieren naturwissenschaftliche Phänomene. Ihm fällt „Das neue Universum“ – ein Buch von 1967 – ins Auge. Ein Blick in die ersten Seiten erinnern ihn an seine Kindheit, „in der das Telefon noch eine verdammt lange Schnur hatte“, wie er lachend sagt . „In den futuristischen Vorstellungen vergangener Zeiten zu versinken, finde ich gut. Das verspricht mir viel Spaß in den kommenden lauen Sommernächten.“

Das Konzept ist aufgegangen. Bisher konnte sich keiner darin erinnern, dass es mal keinen Lesestoff in der roten Telefonzelle gab. Oder irgendwelche Verwüstungen. Anwohner des Franziskanerhofes und die Chefin des Cafés Buschheuer kümmern sich um den öffentlichen Bücherschrank .

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