Dreifaltigkeits-KrankenhausEin Mann für kniffelige Eingriffe

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Professor Neven Olivari wird 80 Jahre alt. Aus diesem Anlass veranstaltet das Dreifaltigkeitskrankenhaus in Wesseling in Symposium zu "Plastische Chirurgie" im Rheinforum.

Professor Neven Olivari wird 80 Jahre alt. Aus diesem Anlass veranstaltet das Dreifaltigkeitskrankenhaus in Wesseling in Symposium zu "Plastische Chirurgie" im Rheinforum.

Wesseling/Rösrath – Dass diese schwarz verfärbten Unterschenkel jemals wieder einen erwachsenen Menschen tragen würden, scheint unvorstellbar. Es sind die Beine und Füße eines jungen Mannes, der sie nach einem Unfall fast verloren hätte. In der Uni-Klinik Köln konnte man dem Patienten nicht weiter helfen, eine Amputation schien unabwendbar. An solch schwierige Fälle wie diesen kann sich Professor Neven Olivari noch gut erinnern.

Der Hilferuf ereilte den Mediziner, damals Chefarzt der Abteilung „Plastische Chirurgie“ im Dreifaltigkeitskrankenhaus in Wesseling. „Wir haben ihn operiert, die Zehen mussten amputiert werden, aber mit speziellen Schuhen konnte dieser Mann später wieder laufen“, sagt Olivari, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feierte. Die Wesselinger Klinik nimmt dies zum Anlass, am kommenden Samstag ein Symposium der Plastischen Chirurgen im Rheinforum in Wesseling zu veranstalten.

Nachdem Olivari, im einstigen Jugoslawien geboren, zunächst in Lippstadt und dann 18 Jahre an der Universitätsklinik Köln operiert hatte, kam der Mediziner 1982 an den Rhein nach Wesseling und etablierte dort die neue Abteilung „Plastische Chirurgie“. Seinen beiden von ihm entwickelten Operationstechniken (siehe Kasten) konnte Olivari in Wesseling den letzten Schliff geben. Aber auch mit anderen Operationen verhalf er unzähligen Menschen aus der ganzen Welt nach schwersten Verletzungen oder angeborenen Missbildungen zu einem „neuen“ Leben. Knifflige Eingriffe hätten ihm besonders gelegen, „je schwieriger, desto besser“.

„Wesseling war eine Offenbarung für mich“, so der heute 80-Jährige. Hier habe er die Abteilung aufbauen können, von der er immer geträumt habe: „Erstklassige Chirurgie in freundlicher Atmosphäre.“ Kleine Lachfältchen legen sich bei diesen Worten um seine fröhlich blitzenden Augen. „Ich wollte immer eine gute Stimmung um mich herum haben, ein bisschen Freundlichkeit kostet schließlich nichts. Und Lob ist eine gewaltige Kraft.“ Mit dieser Prämisse bildete Olivari in Wesseling 21 Fachärzte am Operationstisch aus, die heute in ganz Europa tätig sind. Zu ihnen zählt auch Olivaris Nachfolger Dr. Dirk Richter, dessen Arbeit und dessen Führungsstil der Chirurg in den höchsten Tönen lobt.

Als 1997 der Ruhestand eingeläutet und das Skalpell letztmalig aufs OP-Tablett zurückgelegt wurde, „war das schon sehr, sehr schmerzhaft“, so der leidenschaftliche Mediziner. Renommierte Privatkliniken in Wiesbaden und Hamburg hätten bei ihm angeklopft und ein Angebot gemacht. Er aber habe abgelehnt.

Mit einem vergleichsweise kleinen Team einige Tage am OP-Tisch stehen sei einfach nicht sein Ding gewesen, „ich kann nicht Halbgas geben“. Mit seiner Frau Anna-Maria sei er damals für drei Monate nach Fuerteventura gefahren.

„Im Gepäck waren vor allem Papiere, die ich für mein Buch brauchte.“ Auf der Kanareninsel entstand sein Lehrbuch zu unterschiedlichen Operationsverfahren bei schwerwiegenden Augenerkrankungen. Als dieser Band abgeschlossen war, machte er sich ans nächste Werk: Ein Operationsatlas zur praktischen Plastischen Chirurgie. Er sichtete Fotos aus seiner 35-jährigen Tätigkeit („es waren etwa 5000 Dias“) und machte zu jedem einzelnen Befund und zu jeder Operationstechnik selbst die Zeichnungen. „Die Texte habe ich kurz gehalten, ich finde, dieses Buch lebt von den Bildern.“ Nach drei Jahren schließlich kam das Werk in den Buchhandel und gilt heute als Standardwerk der Plastischen Chirurgie.

Nachdem er die wissenschaftlichen Aspekte seines Lebens zu Papier gebracht hatte, widmete er sich zuletzt seinem ganz persönlichen Leben – ebenfalls literarisch. „Geprügelt und gefeiert“ nennt Olivari seine „Memoiren eines Gastarbeiters“, die in Kürze im Kaden-Verlag erscheinen werden. Hier beschreibt er, wie er 1960 mit einem Holzkoffer aus dem einstigen Jugoslawien nach Deutschland kam. Das Medizinstudium war gerade abgeschlossen, Deutsch sprach er kein Wort, und im Gepäck hatte er – auch damals – hauptsächlich Bücher, ein paar Hemden und Unterwäsche. In Lippstadt nahm er seine erste Stelle an und operierte Blinddärme und Leistenbrüche. „Alle waren ausnahmslos gut zu mir.“ Schnell fanden die Kollegen heraus, dass mehr in diesem jungen Mann steckte, und vertrauten ihm die komplizierten Eingriffe an. Vier Jahre später ging er nach Köln.

Der Holzkoffer steht inzwischen wieder in Kroatien, genauer in Gradac/Dalmatien. Dort hat Olivari eine Ruine geerbt, die inzwischen wieder zu einem wohnlichen Ferienquartier für die Familie – zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter und vier Enkel – hergerichtet wurde.

Das Tauchen und das Tennisspiel hat der begeisterte Großvater aufgegeben, aber an den übrigen Hobbys hält er nach wie vor fest: Klavier spielen, fischen, Motorboot fahren und zeichnen. „Im Dorf gibt es eine Kneipe, da hängen zahlreiche Porträts von den Bauern und Fischern aus dem Ort. Im Mai gibt es eine Ausstellung“, freut sich Olivari.

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