Kerosinsee in WesselingChronologie einer der größten Umweltkatastrophen in NRW

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  • Ende Februar 2015 ist in der Wesselinger Shell-Raffinerie ein Leck in einer Kerosinleitung festgestellt worden.
  • Damals ahnte niemand, dass es zu einer der größten Umweltkatastrophen in Nordrhein-Westfalen führen würde. Eine Übersicht über die Ereignisse.

Wesseling – Erneut besteht der Verdacht, dass sich an der Shell-Raffinerie in Wesseling eine Umweltkatastrophe ereignet hat. Unweit des bestehenden Kerosinsees, der im Februar 2012 entdeckt worden ist, besteht ein weiterer Verdacht auf Undichtigkeit der Rohe. Derzeit informiert die Bezirksregierung Köln darüber, dass im Boden erhöhte Schadstoffwerte im Grundwasser gemessen worden sind.

An dieser Stelle geben wir einen Überblick über den bereits bestehenden Kerosinsee und welche Ausmaße dieser angenommen hat.

Am 25. Februar 2012 haben Mitarbeiter des Ölkonzerns Shell Unregelmäßigkeiten bei der Raffinerie in Wesseling festgestellt. Welche Ausmaße dieses Problem einer Kerosinleitung haben wird, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Wochenlang sickerte das Flugzeugbenzin unbemerkt in das Erdreich und wurde so zu einer der größten Umweltkatastrophen in Nordrhein-Westfalen, bei der rund eine Million Liter Kerosin ausgelaufen sind. Bis heute kämpfen die Wesselinger und Umweltschützer mit den Folgen.

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Kontrolleure stellten bei weiteren Untersuchungen fest, dass nicht nur eine Leitung sondern gleich fünf Rohe defekt gewesen sind. Hier gibt es einen Überblick über den Wesselinger Kerosinsee.

25. Februar 2012

Shell-Mitarbeiter stellen fest, dass in einem Kerosin-Tank weniger Flüssigkeit ankommt als aus einem anderen Tank abfließt. Die verbindende Leitung aus dem Jahr 1942 wird gesperrt.

April 2012

Gutachter beziffern die Kerosinmenge im Erdreich auf rund eine Million Liter.

Mai 2012

Der Öl-Riese Shell geht davon aus, dass sich die ausgetretene Menge Kerosin (rund 846 Tonnen) auf einem Areal von 120 Quadratmetern verteilt.

Juni 2012

Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass ein Teil des Flugzeugbenzins in das Grundwasser gelangt ist. Pressesprecher des Energiekonzernes geben an, dass das Kerosin „wie ein fester Teppich“ auf dem Wasser aufliegen würde. KonkreteAngaben zu der Umweltverschmutzung wollte zu diesem Zeitpunkt weder das Unternehmen, noch die Bezirksregierung Köln machen. Bis dato war es noch unklar, in welchem Bereich der Kerosinsee sich im Erdreich und Grundwasser ausgedehnt hat. Um der Lage Herr zu werden, haben die Verantwortlichen beschlossen vier Sanierungspumpen zu installieren. Eine Kontamination des Grundwassers wird zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.

Juli 2012

Die Bezirksregierung Köln zieht Konsequenzen aus dem Umweltunfall im Februar und will ab sofort die Transportleitungen im Wesselinger Werk der Shell-Rheinland-Raffinerie strenger kontrollieren. Der erste von vier Sanierungsbrunnen geht jetzt in Betrieb. In einem Radius von 60 Metern wird dabei aus 22 Meter Tiefe Grundwasser nach oben gepumpt. Ende Juli sind die Pumpen angeschmissen worden. „Wie lange das dauert, können wir aber noch nicht sagen“, erläuterte Graf von Hoensbroech, Pressesprecher der Wesselinger Raffinerie, im Juli 2012. Das lasse sich erst schätzen, wenn die Pumpanlage schon einige Monate gelaufen sei. Das Grundwasser, das bei dem Pumpvorgang ebenfalls ans Tageslicht gefördert wird, setzt die Firma zu Kühlung der Raffinerie ein.

Nach Angaben des Unternehmens sei das abgepumpte Kerosin zu 99 Prozent rein und solle direkt wieder in den Kreislauf eingespeist werden.

August 2012

Erste Grundwasserproben entlang der defekten Kerosinleitung an der Raffinerie in Wesseling sind angeblich belastet. Die Laborergebnisse werden im Laufe der nächsten Woche veröffentlicht. Shell wollte sich zunächst nicht dazu äußern.

Weitere Gutachten ergeben, dass sich das Kerosin im Erdreich auf einer Fläche von 42.000 Quadratmetern verteilt hat. Der Treibstoff wird an Stellen gefunden, an denen Gutachter ihn nicht erwartet hätten. Aufgrund dieser Entwicklungen muss Shell weitere Messstellen südlich und westlich des bisher bekannten Kerosinsees aufstellen. Das Hochwasser, das der Rhein in diesem Herbst führte, bringt Probleme mit dem Grundwasserspiegel mit sich. Bis August konnten nur 17.000 Liter Kerosin aus dem Boden nahe der Rheinland-Raffinerie abgepumpt werden. Die Bezirksregierung Köln hat den Mineralölkonzern Shell dazu verpflichtet, weitere Brunnen zu bauen.

September 2012

Die Lecks an Rohren der Rheinland-Raffinerie in Wesseling bei Köln beschäftigen nun die Staatsanwaltschaft. Die Behörde prüft angesichts der Umweltschäden, ob ein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliegt. In allen Grundwasserproben wurde Kerosin nachgewiesen. Bei den Arbeiten wurde auch ein Altschaden entdeckt.

November 2012

Der Vorwurf, die Kerosinleitungen verrotten zu lassen, weist die Firma von sich und argumentiert mit verschiedenen Prüfungen, die regelmäßig stattfinden. Ein Gutachten legt offen, dass seit 2008 Mängel am Korrosionsschutz in der Wesselinger Shell-Raffinerie bekannt sind. Die Prüfer empfehlen, ein modernes Leckerkennungssystem für Leitungen, die giftige Stoffe transportieren, einzusetzen.

Dezember 2012

Die Bezirksregierung Köln zieht Konsequenzen aus dem Gutachten, das die Ursachen für das Leck an der Kerosin-Leitung der Firma Shell geklärt hat. Die Aufsichtsbehördefordert eine regelmäßige Lebensdauerabschätzung für alle neun unterirdischen Leitungen in der Nordtrasse des Werks. Die Pumpe, die das Kerosin aus dem Boden holen soll, ist wochenlang nicht gelaufen. Der erhöhte Pegel des Rheins hindert den Sanierungsbrunnen an den Arbeiten. Schon im August hat es Probleme gegeben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Umweltkatastrophe im Jahr 2013 entwickelt hat.

Januar 2013

Eine dritte Pumpe soll in Betrieb genommen werden. Doch noch vor Inbetriebnahme der Pumpe wird bekannt, dass die zwei bisher installierten Pumpen noch nicht gearbeitet haben. Als Grund wird der erhöhte Grundwasserspiegel angeführt, der es den Pumpen unmöglich mache an das Flugzeugbenzin zu gelangen. Shell soll die Leitungen der Rheinland-Raffinerie einem neuen Sanierungsplan zufolge deutlich häufiger prüfen.

Februar 2013

Seit dem Kerosinaustritt liegen 14 Gutachten und zwei Stellungnahmen über den Schadensumfang des Kerosinaustritts vor. Die Übersicht über die Gutachten belege, dass bereits einen Tag nach Bekanntwerden der Leckage die ersten Expertisen in Auftrag gegeben worden seien, so die Angaben der Bezirksregierung Köln. Die Gutachten sind zwischen acht und 240 Seiten stark. Auch ist der Bau einesvierten Sanierungsbrunnens im Februar 2013 vorangekommen. Die etwa 24 Tonnen schwere und 2,5 Meter tiefe Brunnenkammer ist umgeben von weiteren Elementen der Brunnenausstattung. Dazu gehören laut Shell Armaturen, Anschlüsse und der der Brunnenkopf.

März 2013

Ein Jahr, nachdem die Firma Shell bekanntgegeben hatte, dass rund eine Million Liter Kerosin aus einem 68 Quadratmillimeter großen Loch einer unterirdischen Leitung in den Boden geflossen waren, sind die Sanierungsmaßnahmen in vollem Gang.

Mit mehr als 30 Grundwassermessstellen rund um die Austrittsstelle wird regelmäßig überprüft, wo sich die Ränder des sich auf dem Grundwasser ausbreitenden Kerosins befinden. Das Ergebnis: 42.000 Quadratmeter – sechs Fußballfelder – ist der unterirdische See groß. Von rund einer Million Liter konnten bis heute rund 104.000 Liter Kerosin abgepumpt werden. Um das Erdreich von dem Kerosin zu befreien, plant die Firma den Einsatz von Bakterien.

Grundstücksbesitzer im Wesselinger Gewerbegebiet Rheinbogenbangen um ihre berufliche und private Zukunft.Drei Grundstücke befinden sich vollständig auf dem Kerosinsee, angrenzende Gebiete sind teilweise betroffen. „Diese voll unterspülten Grundstücke sind jetzt völlig wertlos und deshalb unverkäuflich“, prognostizierte Rudolf Lahmann, Anwalt und Vorsitzender des Wesselinger Wirtschafts- und Handelsvereins.

Juni 2013

Die Bezirksregierung Köln hat die Shell-Raffinerie in Wesseling als alleinigen Verursacher für die Verunreinigungen im Grundwasser ausgemacht. Immer noch sorgt der hohe Pegel des Rheins für Schwierigkeiten beim Abpumpen des Flugzeugbenzins.

Juli 2013

Ein Gewerbetreibender, dessen Betriebsgelände über dem Kerosinsee in Wesseling liegt, hat Shell auf Zahlung von Schadenersatz verklagt. Von einem Wertverlust bis zu einer Million Euro spricht der Anwalt. Das Unternehmen aber weigere sich zu zahlen.

August 2013

Shell muss in Wesseling mit Kerosin, Schadenersatz-Forderungen und Prüfvorgaben kämpfen. Zwar erklärte das Unternehmen für alle Schäden aufzukommen, doch bisher wurde kein Cent gezahlt. Ein Ende der Sanierung ist zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht absehbar.

Das Verwaltungsgericht Köln hat einen Eilantrag des Unternehmens Shell abgelehnt, mit dem sich die Firma gegen Untersuchungen seiner Rohrleitungen wehren wollte.

September 2013

Nach Gesprächen mit der Bezirksregierung hat Shell die Klage gegen eine Ordnungsverfügung zurückgezogen.

Oktober 2013

Die Shell-Rheinland-Raffinerie hat nach Abstimmung mit der Bezirksregierung grünes Licht dafür bekommen, den engsten Bereich um die Schadensstelle zu versiegeln. Shell teste derzeit in Wesseling verschiedene Methoden, um das Kerosin aus der verseuchten Erde zu holen. Ein Verfahren, bei dem die mit Kohlenwasserstoff verseuchte Luft abgesaugt wird, galt im Oktober 2013 als erfolgversprechend.

November 2013

Die Wesselinger Grünen kritisieren die „geringen“ Fortschritte bei der Bekämpfung der Kerosinkatastrophe bei Shell. Außerdem sorgen sie sich wegen Kerosindämpfen um die Gesundheit der Menschen in dem betroffenen Gebiet. Shell-Unternehmenssprecher Constantin Graf von Hoensbroech betont auf Anfrage, dass keine Gefahr von den in der Erde befindlichen Gasen für Menschen ausgehe.

Dezember 2013

Im Wesselinger Rat ging es um die Informationspolitik von Shell in Wesseling.Viele fühlten sich unzureichend über die Sanierungsmaßnahmen am Kerosinsee informiert. Andere lobten das Unternehmen. Wegen Rheinhochwassers stieg der Grundwasserspiegel und die unterirdische Kerosinphase wurde überstaut. In der Folge wurde wochenlang nur Wasser aus den Pumpen befördert, die eigentlich das Kerosin absaugen sollten. Tatsächlich hat Shell nach eigenen Angaben bis zu diesem Zeitpunkt rund 180.000 Liter von rund einer Million Liter Flugbenzin abgesaugt. Das Unternehmen hat aber zwischenzeitlich auch eingeräumt, dass es bis zu einer endgültigen Entfernung des Kerosins noch Jahre dauern kann.

Auf der nächsten Seite geht lesen Sie, wie sich die Situation in 2014 entwickelt hat.

März 2014

Der Ölkonzern Shell hat angekündigt die sogenannte Nordtrasse der Wesselinger Rheinland-Raffinerie neu zu bauen. Aus einem der Rohre war das Flugzeugbenzin des Kerosinsees in Wesseling ausgelaufen. In Wesseling sorgen diese Pläne für große Erleichterung.

April 2014

Beim Stichwort Kerosinsee fordern die Wesselinger Linken strengere Kontrollen.Die Umweltkatastrophe sei lapidar als Schadensereignis verharmlost worden.

Juni 2014

Das Oberlandesgericht Köln hat eine Schadenersatzklage wegen des Kerosinsees an der Rheinland-Raffinerie in Wesseling abgelehnt. Der Kläger besitzt in Wesseling ein Gewerbegrundstück mit zwei vermieteten Hallen, das mitten auf dem unterirdischen Kerosinsee liegt. Er hatte von Shell einen Schadenersatz von 900.000 Euro gefordert.

Juli 2014

Experten beginnen damit, das Sicherheitsmanagement der Shell-Raffinerie zu überprüfen.Die Untersuchung wurde durch das Landesumweltministerium angestoßen. Inhalt, Umfang und Umsetzung sind von der Bezirksregierung Köln festgelegt worden.

August 2014

Die Shell-Rheinland Raffinerie in Wesseling will Sicherheit und Kommunikation verbessern und so das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Nach der Pannenserie hat das Unternehmen die Überprüfung der Rohrleitungen veranlasst. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es bei der Shell vier meldepflichtige Unfälle im Jahr 2014.

November 2014

Der Plan von Shell für eine neue Verladestation an der Wesselinger Rheinland-Raffinerie stößt bei der Politik auf wenig Gegenliebe. Das Misstrauen zum Unternehmen sitzt tief. Der Öl-Riese plant Heizöl auf Schienen zu transportieren. Dafür soll eine Füllanlage auf dem Werksgelände installiert werden.

Wie es in 2015 weitergegangen ist, können sie im folgenden Abschnitt lesen.

Februar 2015

Anwohner in Wesseling-Berzdorf fürchten wegen der geplanten Kesselwagen-Abfüllanlage von Shell um ihre Lebensqualität und ihre Sicherheit. Bei einer Versammlung machten 200 Bürger ihrem Ärger Luft.

Drei Jahre nach dem Kerosinleck an der Wesselinger Rheinland-Raffinierie sind immer noch Hunderttausende Liter der Flüssigkeit im Boden. Shell spricht auch zu diesem Zeitpunkt noch von einem „singulären Ereignis“, obwohl es weitere Leckagen gegeben hat.

April 2015

Die Stadtverwaltung Wesseling hält die von der Shell beantragte Verladung von Heizöl und Diesel aus Lärmschutzgründen für nicht genehmigungsfähig und spricht gar von Verfahrensfehlern.

Eine Serie von Chemie-Unfällen bei der Shell Rheinland Raffinerie wird es nach Einschätzung unabhängiger Gutachter in der bisherigen Größenordnung wahrscheinlich nicht mehr geben. Experten, die das nordrhein-westfälische Umweltministerium beauftragt hatte, bescheinigen Shell, bereits erhebliche Anstrengungen unternommen zu haben, um Sicherheitsrisiken zu minimieren.

Mai 2015

Ein Großfeuer auf dem Raffinerie-Gelände sorgt Mitte Mai erneut für ein schlechtes Ansehen des Unternehmens bei der Bevölkerung. Ein Großfeuer in einem Ofen einer Olefin-Anlage des Werkes Süd hatte einen Großeinsatz der Feuerwehr ausgelöst. Wieder einmal: besorgte Anrufer, die Hotline ist nicht besetzt. Fast kommt es einem vor, als sei es eine Meldung wert, wenn bei der Shell einmal nichts passiert,meint unsere Autorin.

Juni 2015

Shell spricht von einemZeichen des „guten Willens“ und einer Geste „im Geiste einer guten Nachbarschaft“. Nachdem das Unternehmen gegenüber der Stadt Wesseling auf die Verjährungsfrist von Schäden, die nachweislich durch den Kerosinsee verursacht werden, verzichtet hat, haben nun sechs weitere Grundstückseigentümer eine solche Erklärung bekommen.

September 2015

Die Rheinland Raffinerie investiert einen dreistelligen Millionenbetrag in ein Pipelinenetz, das von Wilhelmshaven bis nach Wesseling reicht. Shell wird auch die Nordtrasse erneuern, in deren Kerosinleitung Nummer 7 es ein Leck gegeben hat.

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