Norton-GeländeIndustrieruine in Wesseling soll Denkmal werden

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Im Laufe der Jahre haben zahlreiche anonyme Besucher mit Spraydosen ihre Zeichen hinterlassen.

Im Laufe der Jahre haben zahlreiche anonyme Besucher mit Spraydosen ihre Zeichen hinterlassen.

Wesseling – Es ist ein faszinierender Ort für Hobbyfotografen, Kinder und Graffiti-Sprayer. Aber der Zutritt ist verboten, weil der Ort gefährlich ist. Obwohl Wände einstürzen könnten, kommen immer wieder Menschen auf das Gelände der ehemaligen Schleifmittelfabrik Norton in Wesseling.

Das Gelände ist leicht zugänglich

Das 90.000 Quadratmeter große Areal ist auch leicht zugänglich, Absperrungen oder gar ein Hinweisschild, dass es sich bei den herunter gekommenen Gebäuden, die teilweise über 100 Jahre alt sind, um Privatgelände handelt, sucht man vergebens. Auch wurde dort in der Vergangenheit häufig gezündelt.

Trotzdem sei die Bausubstanz immer noch gut, ist Dr. Alexander Kierdorf überzeugt. Er ist Mitglied im Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) und sähe es gern, wenn die Gebäude unter Denkmalschutz gestellt würden.

Daher schlug er die Norton-Werke auch für die vereinsinterne Themenreihe „Denkmal des Monats“ vor. „Wir möchten damit Aufmerksamkeit für bestimmte Objekte erregen“, erklärte der RVDL-Vorsitzende Professor Dr. Heinz Günter Horn, der zusammen mit weiteren Vereinsmitgliedern und städtischen Vertretern am Samstag eine Ortsbegehung machte.

Einige denkmalrelevante Eigenschaften

Kierdorf hatte die denkmalrelevanten Eigenschaften des Gebäudes herausgearbeitet, dessen älteste Teile aus dem Jahr 1909 stammen. So verwies er auf die spezifische Gestaltung des Industriebaus, die typisch für die US-amerikanische Architektur Anfang des 20. Jahrhunderts sei. Elemente der Neugotik seien an den Fassadenvorlagen mit ihren Abdeckungen gut zu erkennen.

Ein weiteres Merkmal der Industriearchitektur seien die beiden vorangestellten Treppentürme zur Eisenbahnlinie hin, die mit ihren farbigen Firmenlogos zudem eine hohe Werbewirksamkeit entfalteten. Für die mit Ziegeln verblendeten Pfeiler wurde Gussbeton verwendet, der damals eine bautechnische Neuerung darstellte und vermutlich eigens aus den USA importiert worden sei, so Kierdorf.

Eintragung als Denkmal soll forciert werden

Bereits 2005 habe das Rheinische Amt für Denkmalpflege in Brauweiler bei der Stadt Wesseling erstmals die Eintragung der Norton-Werke in die städtische Denkmalliste angeregt. Allerdings habe die Stadt bis heute nicht darauf reagiert und das Amt habe versäumt nachzufassen. Dr. Ulrich Stevens war damals als Hauptkonservator in Brauweiler tätig und ist heute Mitglied im RVDL.

„Wir hatten nur zwei Mitarbeiter für das gesamte Rheinland“, sagt er etwas entschuldigend. Jetzt soll die Eintragung als Denkmal forciert werden. Eine Unterschutzstellung müsste einer zukünftigen Nutzung nicht entgegen stehen, betonte Horn. Die Stadt hat Pläne, dort einen Mix aus Gewerbe, Wohnungen und Handel anzusiedeln.

Auszüge aus der Historie 1885 wird die „Norton Emery Wheel Company“ in Worchester/Massachussetts in den USA gegründet, die Schleifscheiben nach einem eigenen Patentverfahren herstellt. Der Berliner Kaufmann Alfred Schütte gründet 1909 mit US-Partnern die „Deutsche Norton Gesellschaft mbH“. Im April des Jahres findet die Grundsteinlegung für das Fabrikgebäude an der Köln-Bonner Eisenbahnlinie statt. Am 5. Juli 1910 beginnt die Produktion mit 60 Mitarbeitern, 1959 waren es 600. 1990 kauft das französische Unternehmen Saint Gobain die Firma. 1992 gehen in Wesseling die Lichter aus, 90 Mitarbeiter werden entlassen. 1993 kauft ein Privatmann die Immobilie. Seither verfällt das Gelände.

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