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Personenfähre „Marienfels“Fährmann denkt an den Ruhestand

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Wesseling – „Heute ist nicht viel los, der Wetterbericht hat Regen angekündigt.“ Wolfgang Hubert zuckt mit den Schultern. Ihm selbst macht das Wetter nicht viel aus. Doch gerade an nieseligen Wochenenden ist in der Kasse weitgehend Ebbe, denn im Regen bleiben die Ausflügler weg. Und die bilden an Sams-, Sonn- und Feiertagen das Gros seiner Fahrgäste.

Seit 20 Jahren fährt Wolfgang Hubert auf dem Rhein. Weit kommt er nie. Denn seine Personenfähre „Marienfels“ legt gerade einmal 1500 Meter zurück, bis sie an der anderen Uferseite in Niederkassel-Lülsdorf wieder anlandet.

Immerhin, Hubert kann sich rühmen, die längste Fährverbindung auf dem ganzen Rhein aufrecht zu erhalten. Denn die meisten anderen Boote – Personen- wie Autofähren – fahren nur etwa 350 Meter. Auf seinen Rekord würde Hubert aber gerne verzichten: „Die anderen können drei- bis viermal pro Stunde hin- und herpendeln, durch den weiten Weg schaffe ich nur zwei Touren.“

Warum er in Lülsdorf nicht an der Rampe direkt gegenüber von Wesseling knapp 500 Meter entfernt anlegen darf, weiß der Kapitän heute nicht mehr so genau. Damals, als er in den 90er-Jahren seine eiserne Lady, Baujahr 1934, gekauft hat und den Fährbetrieb übernahm, hatte er bei der Niederkasseler Stadtverwaltung angefragt, den Anleger versetzen zu dürfen. Die jedoch lehnten sein Ansinnen ab. „Ich glaube, die wollten den zusätzlichen Verkehr in der Nähe der Wohnhäuser nicht“, sagt Hubert.

Doch gerade für seine kleinen Passagiere ist es ein Glück, dass die Strecke gut dreimal so lang ist als sie eigentlich sein könnte. Denn dadurch können die Kinder fast zehn Minuten Boot fahren – für gerade einmal 50 Cent pro Strecke, wenn sie noch keine zehn Jahre alt sind. Hin- und zurück zahlen sie nur 80 Cent statt einen Euro.

Tarik zum Beispiel genießt jede Sekunde: „Ich finde es toll, wenn das Wasser an der Seite hoch spritzt“, ruft der achtjährige Sohn von Gilta Daniels und Ibrahim Benzer, während er über die Reling schaut. Die Berzdorfer, die sich an diesem Tag zusammen mit den beiden fünf- und dreijährigen Töchtern Lara und Hanna auf die Fahrräder geschwungen haben, wollen die Eisdiele an der anderen Uferseite besuchen. „Wenn wir am Rhein entlang fahren, sagt irgendwann einer: »Lass uns mit der Marienfels fahren«“, sagt Gilta Daniels. „Für die Kinder ist das jedes Mal ein Erlebnis.“ Als Eltern mache man sich manchmal zu viele Gedanken darüber, was man seinen Kindern bei Ausflügen alles bieten müsse. Dabei reiche eine Fährfahrt oft als Attraktion.

Allerdings könnte diese Attraktion demnächst wegfallen. Wolfgang Hubert ist jetzt 61 Jahre alt. Am liebsten möchte er in zwei Jahren in Rente gehen. „Dann habe ich 47 Jahre gearbeitet, das muss doch eigentlich reichen“, findet er. Ob dann aber auch seine Rente reichen wird, muss er sich erst noch ausrechnen lassen. Was dann aus dem Fährbetrieb wird, ist noch völlig offen. Einen Nachfolger gibt es bislang nicht.

Huberts Sohn, ein ausgebildeter Schlosser, sollte den Betrieb eigentlich fortführen. Gesundheitliche Gründe machten den Plan aber zunichte. Und die beiden Aushilfen, die der Kapitän beschäftigt, sind ebenfalls bereits im Rentenalter. Hubert: „Die hören auch irgendwann auf. Wenn es mal soweit ist, will er eine Annonce aufgeben. „Oder das Boot kommt in den Hochofen.“

Sollte sich aber doch ein Nachfolger finden, so hat er in erster Linie mit freundlichen Menschen zu tun. „Die Leute, die hier mitfahren, sind eigentlich immer gut gelaunt,“ meint der Skipper, „selbst die Berufspendler, die morgens um 5.50 Uhr die erste Überfahrt machen.“ Da würden sich oft die neuesten Witze erzählt. Allerdings sei nicht jeder in aller Herrgottsfrühe gesprächig. „Die Duschgel-Anwärmer und Alufoliengriller sitzen da unten drin“, lacht der Steuermann und zeigt auf den Kabinenraum unter Deck, der windgeschützte Sitzplätze bietet.

Dass man in seinem Job auch in brenzlige Situationen kommen kann, hat Hubert gleich zu Beginn seiner Karriere erleben müssen. Nur drei Monate, nachdem er die Marienfels übernommen hatte, wollte sich ein Passagier von seinem Boot aus in den Tod stürzen. „Mit dem hab ich vorher noch ganz normal geplaudert. Doch als wir abgelegt hatten sprang er plötzlich über Bord.“ Hubert drehte bei, schnappte sich geistesgegenwärtig den Enterhaken und fischte nach dem Lebensmüden. „Lass mich, ich will mich umbringen“, habe der Mann gerufen, worauf der Kapitän erwiderte: „Aber nicht auf meinem Schiff.“ Die Bergung gelang , der Mann konnte wohlbehalten an Land gebracht werden.

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